Kunst: Sehnsüchte und Sondermüll

Nr. 14 –

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Foto aus der Ausstellung «Jurabilder / Imaginaires du Jura»: zwei Personen unter einem Felsenbogen
«Jurabilder / Imaginaires du Jura» in: Solothurn Kunstmuseum, bis 4. Mai 2025. www.kunstmuseum-so.ch

Blätter wirbeln auf, der erdige Untergrund kommt zum Vorschein. Zehn Minuten dauert es, bis Anne Rochat und ihr Zwillingsbruder den mit Laub bedeckten Weg unter dem Felsbogen auf der Passhöhe des Col de Pierre Pertuis freigelegt haben. Einst eine römische Militärstrasse, verbindet der Waldweg heute die jurassischen Gemeinden Sonceboz und Tavannes.

In der Ausstellung «Jurabilder / Imaginaires du Jura» ist der Weg Teil einer künstlerischen Spurensuche. Rochats kontemplative Videoperformances nehmen Bezug auf Orte, die andere zum Malen inspirierten – den Frühromantiker Caspar Wolf oder den französischen Maler Gustave Courbet beispielsweise, deren Werke ebenfalls zu sehen sind.

Die Ausstellung, eine Zusammenarbeit mit den Solothurner Filmtagen, fragt, wie sich Künstler:innen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart mit der Region auseinandersetzen: eine überwältigende Fülle an Bild-, Film- und Archivmaterial. Während Le Corbusier die Landschaft seines Heimatkantons in einer Skizze auf Striche und Dreiecke reduziert, zeigen viele Exponate romantisierte Juralandschaften, die von den archaischen Sehnsüchten ihrer Autor:innen erzählen.

Aber zwischen ästhetischer Verklärung und der Realität tut sich in der Schau nach und nach ein Graben auf. Die Natur weicht der Industrialisierung, der Tourismus dringt tiefer in den Jura vor. Ebenso der Giftmüll. Eindrücklich ist das Langzeitprojekt des Fotografen Christian Schwager, der die Aufforstung auf der ehemaligen Sondermülldeponie Bonfol dokumentiert. Längst nicht nur visuell packend, impliziert seine Arbeit «Forêt» auch den hartnäckigen Widerstand einer kleinen jurassischen Gemeinde, die sich gegen Basler Chemieriesen auflehnte und eine Totalsanierung der Deponie durchgesetzt hat. Schwagers topografische Aufnahmen allerdings erzählen davon nur jenen, die sich bereits damit befasst haben.

Und das ist der Wermutstropfen: Während diese Jurabilder künstlerisch beeindrucken, bleiben die antiautoritären Kämpfe der Jurassier:innen eher eine Randnotiz.