Auf allen Kanälen: Glückslieferant auf Expansionskurs
Fussball ohne Ende: Jetzt ist auch die Klubweltmeisterschaft zum Grossturnier aufgeblasen worden. Wer will das, ausser der Fifa?

In den USA ist gerade nicht nur der autoritäre Umbau des Staates zu beobachten, auch sportlich tut sich Historisches. Zumindest sieht das Gianni Infantino so: «Wir schreiben Geschichte hier», deklamierte der Präsident des Weltfussballverbands Fifa bei einem Pressetermin, kurz bevor das erste Spiel der neuen Klubweltmeisterschaft in Miami anstand.
Das ist zumindest insofern richtig, als es sich bei dem Wettbewerb um eine Farce sporthistorischen Ausmasses handelt. Erstmals treten bei der Klub-WM 32 Teams aus allen Erdteilen gegeneinander an, nicht mehr nur 7 wie bisher. Die Fifa will damit ein Äquivalent zur alle vier Jahre stattfindenden Nationen-WM etablieren. Das bisherige Miniturnier im Winter war kaum wahrgenommen worden, jetzt soll das anders werden, auch wenn Mannschaften dabei sind wie Ulsan HD oder Wydad AC, von denen selbst eingefleischte Fans zum ersten Mal hören dürften.
Prämien in Milliardenhöhe
In der Fifa werden bereits Pläne diskutiert, die WM noch einmal auf 48 Mannschaften zu erweitern, damit mehr Klubs von den Start- und Preisgeldern profitieren. Dabei werfen jetzt schon Spiele wie das 10:0 des FC Bayern gegen ein neuseeländisches Amateurteam am Eröffnungswochenende die Frage auf, was genau das alles mit einer «Weltmeisterschaft» zu tun haben soll. Abgesehen von der Fifa, ihren Marketingpartnern und den mit viel Geld in die USA gelockten Grossvereinen – beim Turnier diesen Juni wird insgesamt eine Milliarde Dollar verteilt – will diesen Event niemand.
Es ist vor allem Infantinos Herzensprojekt. Nicht von ungefähr ist sein Name auf der Trophäe, um die gerade gespielt wird, eingraviert – und das gleich zweimal. Das lässt vermuten, dass der Walliser Funktionär ein wenig von Narzissmus angetrieben sein könnte. Er hat die Fifa auch schon mal als «offiziellen Glückslieferanten für die Menschheit» bezeichnet. Die Klub-WM ist aber nicht nur Resultat persönlicher Schrullen, sondern der Versuch, die Verwertung der Ware Topfussball auf die nächste Stufe zu hieven. Bislang hat die Fifa wenig vom Vereinsfussball profitiert, hier ist der europäische Verband Uefa der Platzhirsch, allem voran mit seinem Premiumprodukt Champions League. Damit richtet sich der Expansionskurs des Weltverbands auch gegen den europäischen Konkurrenten.
Infantino hat dafür den Sportstreamingdienst DAZN mit ins Boot geholt, der für die Übertragungsrechte eine Milliarde Dollar hingeblättert hat. Trotzdem werden die Spiele in den USA kostenlos übertragen: Es reicht, sich ein Konto bei dem Dienst anzulegen. Denn auch DAZN setzt auf aggressives Wachstum: Das 2016 vom Oligarchen Len Blavatnik gegründete Portal will zum «Netflix des Sports» werden. Bislang ist es hochgradig defizitär – allein 2023 schrieb man 1,4 Milliarden Dollar Verlust. Die Klub-WM soll nun die Marke bekannter machen und neue Kundschaft erschliessen, insbesondere im Globalen Süden. Im Frühjahr ist zudem Saudi-Arabien bei DAZN eingestiegen: Die Monarchie nutzt den Fussball, um das eigene Image aufzupolieren. Zugleich gab die saudische Regierung diese Woche bekannt, dass sie den Journalisten Turki al-Jasser hingerichtet hat, er wurde wohl auch gefoltert.
Blatter hat recht
Also läuft nun fast ununterbrochen Fussball, befeuert von arabischen Petrodollars. Eben erst sind die europäischen Wettbewerbe zu Ende gegangen mit einer Champions League, die die Uefa ebenfalls aufgeblasen hat: Es brauchte dort ganze 188 Spiele, bis die Achtelfinalisten ermittelt waren. Sinn ergibt das nur, wenn das Ziel ist, möglichst viele Partien zu erzwingen, um diese vermarkten zu können.
Möglich, dass diese Dynamik irgendwann den Profifussball kollabieren lässt; Spieler klagen schon länger über die immer weiter wachsende Belastung. Schon bald beginnt die neue Saison, abermals mit aufgeblähter Champions League, ehe dann 2026 eine WM mit erstmals 48 Nationen ansteht. Sepp Blatter, Infantinos Vorgänger als Fifa-Chef, hatte also ausnahmsweise recht, als er kürzlich befand, dass das «zu viel Fussball» sei. Noch allerdings scheint der Fussball der wundersame Fall eines Marktes mit unerschöpflicher Nachfrage zu sein.