Nzoy: Wiederaufnahme des Verfahrens!

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Am 30. August 2021 wird Roger «Nzoy» Wilhelm am Bahnhof von Morges zur abendlichen Stosszeit von der Polizei erschossen. In offensichtlich verwirrtem Zustand irrt der Schwarze Zürcher mit südafrikanischen Wurzeln zuvor rund eine Stunde über die Gleise. Als er mit einem Messer in der Hand auf eine eintreffende Polizeipatrouille zugeht, feuert ein Beamter zwei Schüsse ab – und einen dritten, als Nzoy versucht, sich wieder aufzurichten.

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen die Beamten wegen fahrlässiger Tötung im November 2024 ein. Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung wurden gar nicht erst aufgenommen. Der Polizist habe aus Notwehr gehandelt, so die Begründung.

Nun die Wende: Wie die Zeitung «24 heures» heute berichtet, hat das Waadtländer Kantonsgericht der Beschwerde der Angehörigen gegen die Einstellungsverfügung in fast allen Punkten stattgegeben. Somit muss der Fall komplett neu aufgerollt werden. «Dies ist kein Sieg, sondern ein überfälliger Schritt», schreibt das Bündnis Justice4Nzoy auf Instagram. Der Kampf gehe weiter. «Die Wahrheit lässt sich nicht dauerhaft unterdrücken.»

Wie die «Republik» rekonstruiert hat, war Nzoy am Tag seines Todes mit dem Zug von Zürich nach Genf gereist – und wieder zurück nach Morges. Wenige Tage zuvor war bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, eine psychotische Episode. Nachdem es Bahnangestellten zunächst gelungen war, ihn zu beruhigen, traf kurz darauf die Polizei ein. Nzoy habe mit dem Messer weder herumgefuchtelt noch jemanden bedroht, gibt ein beteiligter Polizist später zu Protokoll. Eine Kollegin beschreibt Nzoy als «verloren» und «desorientiert», jedoch «nicht aggressiv».

Als sich die vier Beamt:innen auf ihn zubewegen, reagiert Nzoy «panisch», wie ein anwesender Mechaniker später bei der Einvernahme sagt. Auf einem Video ist zu sehen, wie er auf eine der beiden herbeieilenden Patrouillen zugeht. Eine Minute vor 18 Uhr eröffnet der Polizist das Feuer. Obwohl Nzoy am Boden noch Lebenszeichen zeigt, leistet keine:r der Polizist:innen Erste Hilfe. Um 18.09 Uhr kann der Rettungsdienst nur noch den Tod feststellen.

Nzoy war das vierte Todesopfer durch Polizeigewalt im Kanton Waadt innerhalb von viereinhalb Jahren. Am vergangenen Sonntagabend ist ein weiterer Mann in polizeilicher Obhut auf einem Polizeiposten in Lausanne unter bisher ungeklärten Umständen gestorben, womit die Opferzahl auf fünf ansteigt. Alles waren Schwarze Männer. (Mehr dazu in der nächsten WOZ.)