Wichtig zu wissen: Papageien­geplapper

Nr. 26 –

Ruedi Widmer über Kleinsparer, Kultgetränke und Konservative

Die moderne Trendwählerin, oder mehr noch der -wähler, sehnt sich nach Autorität, will sich aber nichts sagen lassen. Das ist wie der Kleinsparer, der die Besteuerung von Vermögen bekämpft, weil er meint, ein Vermögen zu besitzen. Dass er schon nicht versteht, wie gross ein Vermögen ist, sieht man daran, dass er glaubt, mit fleissig Arbeiten sei ein solches zu schaffen.

Er kann es noch so lange den Politkaspern nachplappern, es stimmt einfach nicht.

Die Getränkemarke Pepita hat seit Menschengedenken einen rot-gelben Papagei auf ihren grünen Limonadenflaschenetiketten. Dieser wurde in den 1940er Jahren von Herbert Leupin gezeichnet, wie auch der Knie-Clown. Nun hat die Marketingabteilung der Pepita-Besitzerin Mineralquelle Eptingen einen neuen, geometrischen Papagei entworfen. Man habe das «Kultgetränk» aufgefrischt. Das ist, wie wenn die Migros ihr bestes Produkt, die Stängeliglacen mit Affe, Bär und Seehund, grafisch «auffrischte». Wofür im Haus glücklicherweise kein Geld mehr vorhanden ist.

Pepita ist auch für mich ein Kultgetränk, das ich mir allerdings nur noch in ganz speziellen Momenten gönne, weil es Zucker enthält (wenn auch neu vierzig Prozent weniger) und ich so wenig Zucker wie möglich trinken möchte (Bauchfett, Zahnweh – selbst wenn «light» oder «zero», dann Schlaganfallrisiko grösser, siehe die neue ETH-Studie zu Xylit). Doch sein Grapefruitgeschmack erwärmt mir seit Kindesbeinen das Herz bzw. zieht mir den Gaumen so wunderbar zusammen. Mindestens so wichtig ist aber für meinen persönlichen Pepita-Kult der Papagei von Herbert Leupin.

Klar, wenn man Marketing macht, dann muss man auch wieder mal alles neu machen – wir leben schliesslich nicht in einem Museum des 20. Jahrhunderts. Ich muss mich also selber an den Ohren nehmen. Allerdings ist eine Abänderung eines Mozart-Klavierkonzerts mit ein paar frischen neuen Tönen ja auch nicht wirklich gut.

Vielen ist es aber total egal mit dem Pepita-Papagei. Und auch wehmütig Konservative wie ich werden sich daran gewöhnen.

Es gibt einen neuen Social-Media-Trend von unangenehm Konservativen, die Häuser wieder in «altem Stil» bauen wollen. Das ist angesichts der Gleichförmigkeit zeitgenössischer kubischer v. a. Zürcher Architektur nicht ganz unverständlich, aber diese teils antimodernen Kreise, die sich in der Bewegung «Architectural Uprising» formiert haben, bedienen schon stark den faschistischen Markt für die am Anfang der Kolumne beschriebenen Personen und befeuern damit den rechten Kulturkampf des «Früher war alles besser» weiter.

Statt die alten Sachen zu schützen (niemand ist so gegen Denkmalschutz wie die SVP), baut man lieber neue alte Sachen «nach Grossmutterart», natürlich mit Tiefgaragen untertunnelt (gutes Beispiel ist Thomas Matters «Toskana-Villa» am Zürichsee).

Manche schätzen wohl auch neue Pyramiden «im altägyptischen Stil», die dereinst ihre werten Gebeine aufnehmen sollen. Und fürs Fussvolk gibts bald dunkle Rattenhöhlen «im Mittelalterstil» und für die züchtige Frau eine möglichst kleine Küche mit Feuerofen.

Teile der Wieder-alte-Häuser-bauen-Bewegung (der auch Tucker Carlson angehört) wünschen sich auch die Kleider des Biedermeier oder zumindest des 19. Jahrhunderts zurück und stellen sie den Hoodies und Baseballcaps von heute gegenüber («schön» – «hässlich»). Leider will von denen kaum jemand wieder Autos wie von früher. Das wäre sinnvoll, weniger von den Antrieben her als von den Aussenmassen. Der erste VW Golf war gut ein Drittel kleiner als jener von heute und etwa ein Achtel so gross wie der SUV von Trucker Carlson.

Auch begrüssenswert wären neue Handys «im Neunzigerjahrestil», die keine Social Media empfangen können. Das wäre wirklich eine schöne, alte Welt.

Ruedi Widmer sähe es gerne, dass wieder mehr Barockperücken mit flauschigen Zöpfen getragen würden.