Jazz: Raus aus der Weltallroutine

Nr. 38 –

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Album-Cover «Live in Philadelphia» von Marshall Allen’s Ghost Horizons
Marshall Allen’s Ghost Horizons: «Live in Philadelphia». 
Otherly Love Records / Ars Nova Workshop. 2025.

Wenn man seit 27 Jahren ein kosmisches Jazzorchester leitet, kann einem mit 98 Jahren auch mal ein wenig langweilig werden. Also gründete Marshall Allen, seit 1957 Altsaxofonist des Sun Ra Arkestra, zusammen mit dem Arkestra-Gitarristen Dave Hotep 2022 sein eigenes Nebenherprojekt: Ghost Horizons.

Ein Doppelalbum versammelt nun Ausschnitte aus neun Horizons-Konzerten, die deutlich machen, dass man nie zu alt ist, um den Sprung aus der Routine zu wagen. Klar findet sich hier etwas aus dem Sun-Ra-Repertoire – «We’ll Wait for You» und «Seductive Fantasy» etwa –, auch haben Arkestra-Legenden wie Tara Middleton, Kash Killion und Michael Ray ihren Auftritt. Doch die Gästeliste insgesamt (Allen und Hotep sind die einzigen Konstanten bei diesen Konzerten) wirkt, als hätte Allen einfach Einladungen an interessante Musiker ausgesprochen, die sich zufällig gerade in Philadelphia befanden.

So werden wir nun auf drei Stücken vom Detroiter Noise-Duo Wolf Eyes akustisch in Maschinenräume geführt, in denen Sinistres zu geschehen scheint. Auf «Cosmic Dreamers, Ode to Elegua» stellt dann eine Yaruba-Trommelformation, begleitet von Allen an EVI-Blas-Synthie, Sax und Billig-Casio, die Verbindung von Westafrika über Kuba ins Weltall her. Auf «Square the Circle» mit Bassist James McNew von der Indierockband Yo La Tengo und Charlie Hall, Drummer bei The War on Drugs, wird dann wiederum klar, wie gut Allens unverkennbares, schneidendes und splitterndes, dann wieder flauschig-romantisches Saxofonspiel auch zu einem federnden Krautrockbeat passt. Und mit «­Space Ghost» gibts auch noch ein swingendes Geburtstagsständchen.

Jeder Ton, den dieser Mann noch spielt – im Mai wurde Allen 101! –, ist kostbar. Und anders als Allens Anfang Jahr erschienenes Album «New Dawn» ist «Live in Philadelphia» in dieser Hinsicht eine prall gefüllte Schatzkiste.

Wo das herkommt, muss es doch noch mehr davon geben?