Von oben herab: Geile Zeit

Nr. 19 –

Stefan Gärtner über Schlüpfriges und Schlimmeres

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«Die Woche war ja nicht so aufregend», schreibt mir mein WOZ-Redaktor, und er hat gut reden, denn in der ruhigen Schweiz geht es ja zurzeit nicht darum, ob man eine Partei ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihres «ausgrenzenden Volksverständnisses» wegen verbieten müsse, was in der Schweiz natürlich auch schwierig wäre, sitzt die SVP doch seit Ewigkeiten in der Regierung. Und wieder mal ein sehr guter Witz oder ein sehr schlechter, je nachdem, und weil wir schon bei guten (oder schlechten) Witzen sind, soll es diese Woche um das Wef gehen, das «World Erotic Forum» in Davos nämlich, das wegen Treuevorwürfen in die Schlagzeilen geraten ist und dessen Gründer und Vorsitzender Klaus Schwab (87) jetzt «faktisch zum Rücktritt gezwungen wurde» («SonntagsZeitung»). Schwab wird auch das schlechte Arbeitsklima am Wef vorgeworfen, denn «sexuelle Belästigungen», heisst es, würden «nicht toleriert».

«Tatschen, anzügliche Bemerkungen, schlüpfrige Witze werden sofort geahndet», berichtet ein Insider sauer. «Entschuldigung, ist das nun das World Erotic Forum oder nicht?» Was an den Vorwürfen dran ist, schreibt die Zeitung weiter, «wird sich noch weisen», denn «Schwab-nahe Quellen» behaupteten, die Vorwürfe seien «nur genereller Natur», also ohne Angaben darüber, wo und mit wem etwas nicht vorgefallen sei. Auch soll Schwabs Sohn auf Beschwerden über einen Mitarbeiter «sofort reagiert» haben.

Schwab senior steht ausserdem im Verdacht, er habe ein Länderrating manipuliert und zwei Staaten benachteiligt, nämlich Tittalien und Spermarokko, weshalb von Plänen die Rede ist, ihn vom Wef auszuschliessen und ihm nicht einmal mehr Zutritt zum Davoser Exzesszentrum zu gewähren. Dabei hat Schwab einer eingehenden Untersuchung zugestimmt («allerdings angezogen») und will an der nächsten Sitzung des Wef-Vorstands am 13. Mai teilnehmen, «nicht physisch zwar, aber immerhin virtuell» («SonntagsZeitung»), was Schwabs Kritiker als neuerliche Provokation empfinden dürften. Sein Vorschlag: Während die Untersuchungen laufen, amtiert er als Ehrenpräserdent und gibt sich alle Mühe, nicht so genau hinzusehen. Laut Presse würde Schwab sogar bei dem Versuch helfen, «den amerikanischen Präsidenten Donald Trump ans Wef zu bringen, was ihm 2018 und 2020 gelang», also einen Übergriffserotiker von hohem internationalem Ansehen.

Falls das Wef allerdings nicht auf Schwabs Vorschläge eingeht, will er eine hohe Geldforderung geltend machen; es geht um «acht Millionen Schmutz in kleinen Schweinen» – wohl auch, weil sein ehemaliger enger Mitarbeiter Thierry Malleret, wie die NZZ weiss, einen Kriminalroman über die Angelegenheit verfasst hat: «Tod im Porient-Sexpress».

Derweil stellt Grünen-Chefin Lisa Mazzone das Wef als «unanständiges Treffen der Supergeilen» infrage, das die Bürgerinnen und Bürger «nicht mit Steuergeld subventionieren» sollten, und hier brechen wir unseren Ausflug in die Welt der Hochkomik oder wenigstens Hocherotik ab und kommen zu der Frage, die jetzt in Deutschland beantwortet werden muss: ob eine «gesichert rechtsextremistische» Partei wie die «Alternative für Deutschland» ein Recht auf Parteienfinanzierung hat, also von den Bürgerinnen und Bürgern mit Steuergeld subventioniert werden darf. Es ist dies freilich zu keinem geringen Teil das Steuergeld derer, die die Arschgeigen auch wählen, aus, natürlich, «Protest» oder einfach, weil sie, trotz Hitler und allem, gern zehn Millionen Artfremde weniger im Land hätten. Diesen Protest vertritt faktisch auch die Ferkelei namens «World Economic Forum», «wo die Trumps, Bolsonaros und Mileis dieser Welt gefeiert werden» (Mazzone), was Horkheimers Wort vom faschistischen Kapitalismus ins Recht setzt und beleuchtet, worauf wir uns einlassen, wenn wir sagen, lieber diese Welt als eine noch schlimmere.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.