CU there : Von Spinnen und Übergängen
Gut, nach acht Kolumnen scheint der Tenor klar, das mit der Gentrifizierung ist ein Problem, Wohnungsnot et cetera, Bonzenstadt, alles klar. Begegnungszone? Schall und Rauch. Nennt das Zeug doch, wie ihr wollt! «Monothematisch!», werfe ich mir selbst vor, da hilft auch die feministische Beschwörung von letzter Woche nicht.
Plötzlich interessiert mich die Avocadopflanze neben meinem Schreibtisch sehr. Und ausserdem könnte ich wieder mal staubsaugen, den Estrich aufräumen, meine Krankenkassenbelege einordnen ...
Also, ich gebe es zu, erstens prokrastiniere ich sehr gut, ich würde sogar sagen, es ist beinahe ein Lifestyle, Wandtattoo-Kalender-Motto, und zweitens fällt mir das Schreiben gerade grundsätzlich schwer; Krise in der Welt, Krise auf dem Bildschirm. Ich heule diversen Personen die Ohren voll, unter anderem meinem Geschwister, das vorschlägt: «Schreib doch über den Bucheggplatz! Wer hat sich den Scheiss ausgedacht?»
Alright, Bucheggplatz: Eingang zum Käferberg, Verkehrswirrwarr, Figurengruppe Metzler, Fahrradhorrorstrecke und Zugluft. Apropos Horror: 1996 kam es hier zu einem bis dato ungeklärten Mord an einem Autofahrer, man hoffe noch immer auf den «Kommissar Zufall». Und ausserdem ist heute Halloween, aber dazu fällt mir angesichts der Umstände beim besten Willen nichts Substanzielles ein, ausser dass mir überall Dokus und Ritualanleitungen zum keltischen Samhain-Fest begegnen, das Fest der Ahnen und der Übergänge, woraus sich Halloween entwickelte, und ich gleichzeitig sprachlos vor Meinungsartikeln sitze, die eine neue Wehrhaftigkeit fordern und sich fragen, wann wir endlich wieder bereit sind, für die Sache zu sterben, und da schlummert irgendein Text über den Schrecken des Wiederkehrenden, den Schauer der Sachzwänge, und es läuft mir kalt den Rücken runter.
Wie bin ich jetzt hier gelandet? Und wie komme ich wieder raus? Stichwort «Übergänge», von der Analyse zur Umsetzung, von der Kritik zum Handeln, zum nächsten Thema oder einfach zurück zum Bucheggplatz. Dort werden nämlich gerade die Brückenübergänge (o Gott, sorry) saniert, und jetzt, hach, dieses Wort: Die «Fussgängerspinne» wird instand gesetzt. Poesie der Stadtplanung! Ich sehe direkt auf allen vieren krabbelnde Pendler:innen, die sich Richtung Bushaltestelle bewegen, Hunderte, Tausende, eine performative Intervention für eine autofreie Stadt. My kind of Halloween!
Wem das ein bisschen too much ist, dem sei das GZ Buchegg am Ende des nordseitigen Spinnenarms wärmstens empfohlen. Die haben nicht nur Halloween-Special-Tage im Angebot, eine Werkstatt und ein Zuhause für Esel und Pferde, sondern auch ein Theater für Kinder und Jugendliche, wo Schafe ermitteln, Schnecken sich erschrecken und queere Prinz:essinnen den Reaktionären das Fürchten lernen. CU bei der Eselwiese!
Schriftsteller:in Laura Leupi (29) streift in der Kolumne «CU there» durch Begegnungszonen in Zürich und schreibt immer freitags über öffentlichen Raum, Zugänglichkeit und Verdrängung.