Mark Hollis (1955–2019): Im Rauschen der Bandmaschine

Nr. 9 –

«Desire. Whispered, spoken.» Die Orgel singt leise, weit hinten dräuen Pauken, ganz sacht nur. Und darunter wie ein Mantra die gedämpfte Gitarre, den immer gleichen zwei Tönen entlang. Bis plötzlich alles detoniert: Lärm, Feedback, Distortion. Und dann wieder: pianissimo.

Doch, Mark Hollis konnte auch Krach, mit seiner Band Talk Talk. Gerade auf ihren letzten beiden Alben, die jetzt gerne als Monumente von stiller Andacht gepriesen werden, findet man solche Eruptionen von Lärm: «Spirit of Eden» (1988) und «Laughing Stock» (1991). Aber das Lob der Stille passt halt besser zum Weg, den Hollis mit Talk Talk ging: vom Posterboy wider Willen zum versonnenen Einsiedler im inneren Exil. Vom synthetisch tänzelnden Elektropop zu dieser organisch wuchernden Kammermusik, die klingt wie ein brüchiges Fossil aus den Tiefen der Zeit. Eins, das noch atmet, im hörbaren Rauschen der Bandmaschine.

Dabei war das Erstaunlichste an dieser Band, wie geradlinig sie diesen Weg verfolgte, so radikal wie sonst nur noch Scott Walker. Andere aus ihrer Generation ergrauten als Hitrevue ihrer selbst im Stadion, Talk Talk dagegen manövrierten sich zielsicher ins kommerzielle Abseits – konsequent bis zum Verstummen. Und das alles völlig bruchlos: Mit jedem neuen Album entfernten sie sich einfach ein bisschen weiter vom eingängigen Popformat ihres unterschätzten Erstlings «The Party’s Over» (1982). Was alle diese Platten einte, war der unverwechselbare Gesang von Mark Hollis, dessen Stimme schon damals etwas Wimmerndes hatte, als er sich noch um Refrains scherte. «Happiness is easy», sang er 1986, aber er klang schon da nicht wie einer, der wusste, was das ist: Glück.

Nach dem Ende von Talk Talk folgte noch ein fragiles Album unter seinem eigenen Namen, im Jahr 1998, danach wurde es vollends still um Mark Hollis. Klavier spiele er nur noch, um Klavier zu spielen, sagte er damals in einem seiner letzten Interviews. Das letzte bisschen Musik von ihm, das in die Welt fand, war ein kleines Kuriosum: anderthalb Minuten kurz, eine Miniatur für den Soundtrack zur TV-Serie «Boss» (2012). Bassklarinette, ein Triangel, darüber geistert eine synthetische Frauenstimme. Klingt jetzt, im Nachhinein, fast wie eine Botschaft aus dem Jenseits.

Eigentlich war er ja schon lange weg. Verabschiedet hat er sich längst, jetzt ist Mark Hollis nach kurzer Krankheit gestorben. Heaven bless you in your calm.