Auf allen Kanälen: Blut geleckt

Nr. 46 –

Bei der BBC treten zwei Chef:innen zurück. Doch die Gegner:innen des britischen Senders werden erst ruhen, wenn dieser zerschlagen ist.

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stilisiertes Logo des Senders BBC

Die konservative Presse frohlockt, und Nigel Farage reibt sich die Hände. Der Krach bei der BBC, der am Wochenende ausgebrochen ist, hat bei rechten Politiker:innen und ihren befreundeten Medien grosse Freude ausgelöst. Jetzt haben sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk da, wo sie ihn sehen wollen: tief in der Bredouille.

Ausgelöst wurde die Krise letzte Woche, als der «Daily Telegraph» ein internes BBC-Dokument veröffentlichte. Verfasst worden war es von Michael Prescott, bis vor kurzem ein unabhängiger Berater der BBC, zuvor Journalist bei der konservativen «Sunday Times». Dieser zieht hart ins Gericht mit der BBC. Er zählt Fälle auf, bei denen sich diese nicht an die Verpflichtung zur Ausgewogenheit gehalten habe, vor allem in der Berichterstattung zu Donald Trump, Gaza und Transthemen.

Seine Kritik galt insbesondere einer Dokumentation über Trump, ausgestrahlt im Oktober 2024, eine Woche vor der US-Präsidentschaftswahl. Darin wurden zwei Zitate aus einer Rede von Trump so zusammengeschnitten, dass es den Anschein erweckt, dieser habe den Sturm aufs Capitol am 6. Januar 2021 expliziter unterstützt, als es tatsächlich der Fall war.

Schützenhilfe von Trump

Nachdem das Dokument geleakt worden war, stürzten sich die Feinde der «Beeb» darauf. Wir haben es schon immer gesagt, trompeteten sie: Die nominell unparteiische BBC ist links, und jetzt haben wir den Beweis. Die Organisation lasse sich von einer «tief verankerten woken Ideologie und linkem Gruppendenken» leiten, lamentierte das Revolverblatt «The Sun». Und Tory-Chefin Kemi Badenoch forderte: «Köpfe müssen rollen.»

Das geschah nun am Sonntagabend: Generaldirektor Tim Davie und die Chefin von BBC News, Deborah Turness, kündigten beide ihren Rücktritt an. Ausschlaggebend dürfte die Intervention aus Übersee gewesen sein: Das Weisse Haus zeigte sich entrüstet über den Fall, Trump-Pressechefin Karoline Leavitt sagte, die BBC sei «zu hundert Prozent Fake News». So ist den britischen BBC-Kritiker:innen mit Schützenhilfe aus den USA ein grösserer Coup gelungen. Nach dem Abgang der beiden Führungsleute ist die BBC in der grössten Krise seit mindestens einem Jahrzehnt.

Angesichts des reaktionären Triumphalismus lohnt sich ein nüchterner Blick auf die Tatsachen. Klar, die gedokterten Zitate in der Trump-Doku waren unsauber. Aber die Behauptung, dass die BBC eine linke Schlagseite habe, ist Unfug. Akademische Studien haben das genaue Gegenteil gezeigt, nämlich dass die redaktionelle Linie Richtung Mitte-Rechts tendiert – also dorthin, wo auch das politisch-wirtschaftliche Establishment verortet ist. Wie der Medienjournalist Mic Wright schreibt: «Die BBC ist bei vielen Themen konservativ, darunter Wirtschaft, Monarchie, Immigration, Armut und Sozialleistungen.» Dass manche die BBC dennoch als Hort des Marxismus sehen, liegt einzig daran, dass sie selbst noch weiter nach rechts abgedriftet sind.

Kein Rückgrat

Freilich hat sich die BBC selbst nicht geholfen. Anstatt den Vorwürfen einer institutionellen linken Voreingenommenheit robust entgegenzutreten und die eigene Berichterstattung zu verteidigen, hat sie immer wieder vor ihren ideologischen Kritiker:innen gekuscht. Im Frühjahr wurde ein internes Dokument geleakt, gemäss dem die BBC-Führung sogar eine Anpassung ihrer Berichterstattung empfiehlt, um rechte Wähler:innen verstärkt anzusprechen. Auch in der gegenwärtigen Krise hätte es Möglichkeiten gegeben, mehr Rückgrat zu zeigen und die Angriffe von rechts abzuwehren. Stattdessen hat die BBC klein beigegeben, offenbar beeindruckt von der überwältigenden Macht der rechten Demagog:innen und des Extremisten im Weissen Haus.

Das ist nicht nur fahrlässig, sondern gefährlich. Denn je mehr die BBC zurückweicht, desto mutiger werden ihre Gegner:innen. Nach dem Rücktritt von Davie und Turness haben sie Blut geleckt. Der Sender müsse seine Berichterstattung sofort von Grund auf ändern – sprich: weniger links sein –, andernfalls würde er seine Zukunft aufs Spiel setzen, fordern sie. «Das ist die letzte Chance», sagte Farage. Aber egal wie unterwürfig die BBC versucht, ihre Feinde zu beschwichtigen – diese werden erst zufrieden sein, wenn die BBC nicht mehr als öffentlich-rechtlicher Sender existiert.