Durch den Monat mit Regula Bähler (Teil 1): Was waren deine heikelsten Fälle für die WOZ?

Nr. 32 –

Derzeit ist Regula Bähler damit beschäftigt, eine Richterin für eine «Hamlet»-Inszenierung am Zürcher Theaterspektakel zu finden. Ansonsten ist die ehemalige Fernsehjournalistin mit höchst realen Fällen beschäftigt – auch als juristische Vertreterin der WOZ.

WOZ: Regula Bähler, vermutlich gäbe es die WOZ ohne dich nicht mehr. Du hast uns als Hausanwältin schon einige Male vor Abgründen gerettet. Aber im Moment steht etwas ganz anderes an: Du hilfst, einen Liveprozess zu organisieren. Worum geht es dabei?
Regula Bähler: Vor Gericht steht ein junger Mann, der den Vater seiner Freundin erstochen hat. Das Stück wird mit echten Staatsanwälten und -anwältinnen, mit richtigen Richtern, Verteidigerinnen und einem Gerichtspsychiater gespielt. Die Geschworenen – elf Personen aus dem Publikum – müssen am Ende ein Urteil fällen. Der Prozess wird im Rahmen des Zürcher Theaterspektakels viermal inszeniert. Jedes Mal mit anderen Beteiligten, was zu ganz unterschiedlichen Urteilen führen kann. Der junge Täter heisst übrigens Hamlet und weist, wie auch der Tathergang, unverkennbar Züge der gleichnamigen Tragödie von William Shakespeare auf. Alles ist echt, nur Hamlet, seine Mutter Gertrude und seine Freundin Ophelia werden von Bühnenprofis gespielt.

Und welchen Part spielst du dabei?
Die Inszenierung wird von der Stadt Zürich mitgetragen. Ich habe von der Präsidialabteilung der Stadt den Auftrag erhalten, das juristische Personal und den Psychiater zu finden.

Hast du schon genügend Staatsanwälte oder Verteidigerinnen?
Es fehlen mir noch ein Richter und eine Richterin. Ich habe versucht, jeweils gleich viele Frauen wie Männer dabeizuhaben. Eine Person war nun aber für einen Abend verhindert, da mussten wir abtauschen. Jetzt wird es an einem Abend deutlich mehr Frauen und an einem anderen mehr Männer haben. Es wird interessant sein, zu sehen, ob dies die Urteilsfindung beeinflusst. Der Gerichtspsychiater ist übrigens viermal derselbe, was auch sinnvoll ist, weil immer mit demselben Gutachten gearbeitet wird. Würden wir die PsychiaterInnen austauschen, müssten sie jeweils mit einem Gutachten arbeiten, das sie nicht selber verfasst haben.

Wirst du selber mitspielen?
Eher nicht. Allenfalls in der praktisch stummen Rolle einer Gerichtsweibelin, sollte eine echte ausfallen.

Zurück zur WOZ. Du vertrittst uns seit Mitte der neunziger Jahre in juristischen Belangen. Was waren die schlimmsten oder verrücktesten Fälle?
Die Geschichten mit einem Journalisten, den ich jetzt nicht namentlich nennen möchte, gehören sicher dazu. Er hat bis etwa 2002 regelmässig für die WOZ geschrieben – ein Journalist mit einem ausgezeichneten Riecher für Geschichten, nur nahm er es manchmal mit den Recherchen nicht so genau, was mehrfach zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte. Immer auf Achse, kam er zuweilen am Abend vor dem Prozesstermin um acht Uhr zu mir und legte mir einen riesigen Stapel mit Handelsregisterauszügen auf den Tisch, wirr durcheinander mit Papieren aus Portugal, Brasilien, Kanada oder woher auch immer und in den verschiedensten Sprachen. Er sagte dann, er habe jetzt einen Tag lang durchgearbeitet und müsse erst schlafen gehen. Ich sass dann die ganze Nacht über dem Papierberg und versuchte, irgendwie Ordnung hineinzubringen, um am nächsten Morgen einigermassen glaubwürdig vor Gericht argumentieren zu können (lacht).

Wirklich teuer kamen diese «Irrtümer» die WOZ aber nie zu stehen …
Das hätte aber durchaus passieren können. Ich erinnere mich noch gut an die Geschichte mit der «Erika». Der Tanker hatte 1999 an der bretonischen Küste eine Ölpest verursacht. Man rätselte, wem das Schiff wirklich gehörte. Der besagte Journalist hatte dann einige Namen in Handelsregisterauszügen verwechselt und beschuldigte einen Treuhänder aus Zug, darin verwickelt zu sein – was sich aber als falsch herausstellte. Ich erinnere mich noch, wie ich mit dem damaligen WOZ-Redaktor Fredi Lerch zu diesem Treuhänder nach Zug fuhr. Der Mann hätte die WOZ wirklich auf Unsummen verklagen können. Wir boten ihm dann zum Ausgleich ein Interview oder Porträt über ihn an, allerdings nur unter der Bedingung, dass es journalistischen Grundsätzen folgt. Es sollte kein Entschuldigungs- oder Gefälligkeitstext werden, wie das andere Zeitungen manchmal machen. Der Treuhänder liess es aber letztlich auf sich beruhen, wollte keine Veröffentlichung und ging auch nicht gegen die WOZ vor. Damit hatte sich das erledigt. Aber wir hatten Glück.

Gab es noch eine weitere Geschichte, die der WOZ hätte gefährlich werden können?
Na, das mit der Mehrwertsteuer um 2004. Da kam von den Steuerbehörden plötzlich eine Nachforderung von 60 000 Franken. Niemand wusste damals im Detail, wie Spenden bei der Mehrwertsteuer richtig abgerechnet werden müssen, vor allem im Bereich Kultur und Medien. Die WOZ hatte nicht wissentlich etwas falsch gemacht, aber nachzahlen musste sie natürlich trotzdem.

Damals hätte uns die Summe fast umgebracht. Zum Glück ist die Geschichte inzwischen bereinigt.
Ja, nach jahrelangem juristischem Hin und Her. Mindestens musstet ihr keine Busse und keine Verfahrenskosten bezahlen.

Regula Bähler (60) ist seit 1997 Anwältin der WOZ. Bevor sie ihr Anwaltspatent machte, hatte sie fünfzehn Jahre als Journalistin fürs Schweizer Fernsehen und diverse Printmedien gearbeitet. Sie sass bis Ende 2012 in der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).