Gleichstellung: Basel-Stadt rückt ein Feld vor

Nr. 3 –

Der Kanton hat ein neues Gleichstellungsgesetz, das LGBTIQ+ miteinschliesst. Der Weg dahin war mühevoll und von teils heftigen Auseinandersetzungen begleitet. Doch genau in diesem Prozess liegt der grosse Gewinn.

Vermutlich war der Klamauk unvermeidlich, deplatziert war er trotzdem. Als der baselstädtische Grosse Rat vergangene Woche ein progressives neues Gleichstellungsgesetz verabschiedete, das neu auch LGBTIQ+ miteinschliesst, zückte ein SVP-Parlamentarier kurzerhand die Bibel. Ein reaktionärer Hilfeschrei, der ungehört blieb: Eine grosse Mehrheit von 69 zu 15 Stimmen stützte die Revision.

«Das neue Gesetz ist ein Meilenstein», sagt Johannes Sieber. Der GLP-Grossrat setzt sich seit bald zwanzig Jahren für die Rechte von queeren Menschen ein. Erst als zweiter Kanton nach Genf denkt Basel-Stadt seine Gleichstellungspolitik über die Konstellation Frau/Mann hinaus. Und passt sie der Vielfalt der Gesellschaft – und jener der gesellschaftlichen Diskriminierung – an.

Der Weg dorthin war beschwerlich. Doch das Beispiel Basel zeigt, worauf es bei wichtigen Projekten ankommt: nicht auf die grossen Linien, sondern auf die Details. In 21 Sitzungen arbeitete die Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission am Text. Sie bestellte Expert:innen ein, veranstaltete Hearings mit Queerorganisationen und feministischen Netzwerken, die der Revision aus Angst vor einer Verwässerung ihrer Anliegen teilweise sehr kritisch gegenüberstanden. Schliesslich durfte sich auch noch die Geschäftsprüfungskommission mit dem Text befassen und einen Mehrheits- und einen Minderheitsbericht veröffentlichen. Bis zuletzt wurde an einzelnen Formulierungen und Satzstellungen geschliffen.

Streit um Ressourcen vermieden

Auch Erika Paneth brachte sich ein. Paneth ist im Vorstand der Gleichstellungsorganisation Frauenrechte beider Basel, eines in feministischen Kreisen einflussreichen Verbands. Als es um eine Positionierung zum neuen Gesetz ging, entzweite sich die Organisation. Einzelne Mitglieder stellten sich gegen die Reform, andere waren dafür. Paneth war dagegen. Ihr gefällt das neue Gesetz nicht vollumfänglich: «Ein Flickwerk ist es geworden. Leider sehr unelegant.» Sie plädierte für zwei unterschiedliche Gesetze: Das bisherige Gleichstellungsgesetz hätte mit einem Antidiskriminierungsgesetz ergänzt werden sollen. Die Forderung blieb im Parlament chancenlos, mit der Separierung wäre eine neuerliche Diskriminierung entstanden.

Doch Paneth und ihre Mitstreiterinnen setzten sich an anderer Stelle durch. Sie verlangten, dass die im Präsidialdepartement angesiedelte Abteilung für Gleichstellung und Diversität mehr Ressourcen erhält, damit es zu keinem Verteilkampf zulasten der Frauen kommt. «Ohne uns wäre das nicht passiert», sagt Paneth und kommt zum Schluss: «Wir können mit dem neuen Gesetz leben.»

Ihr Verband wird sich nicht an einem möglichen Referendum beteiligen. Die SVP hat noch nicht entschieden, ob sie es ergreift. Damit fällt das Horrorszenario für alle Befürworter:innen aus: dass linke feministische Gruppierungen an der Seite der extremen Rechten in die Kulturkampfarena steigen. Auch GLP-Mann Johannes Sieber ist erleichtert: «Wir können das Patriarchat nur gemeinsam bekämpfen.»

Eine wichtige Frage bleibt ohnehin offen: Wie wirksam ist das neue Gesetz jenseits der symbolischen Ebene? Griffige Werkzeuge gegen die Diskriminierung von LGBTIQ+ erhalten die Behörden damit jedenfalls nicht. Im Privatbereich bleiben dem Kanton die Hände gebunden. Ein Zahnarzt etwa, der keine trans Person behandeln will, muss das auch weiterhin nicht tun. Um ihm das vorzuschreiben, bräuchte es eine Revision des Gleichstellungsgesetzes auf Bundesebene, wo allerdings entsprechende Bemühungen seit Jahren scheitern.

Ein Strauss von Massnahmen

Die ausgebaute Abteilung für Gleichstellung und Diversität, so ist das heute vorgesehen, dürfte sich vor allem mit Informationskampagnen oder dem Ausbau von Beratungsangeboten beschäftigen. Johannes Sieber warnt davor, dass sich der Diskriminierungsschutz in akademischen Trockenübungen verliert. Er fordert einen runden Tisch zwischen der Verwaltung und LGBTIQ+-Organisationen, um laufend den Bedarf an Massnahmen zu erörtern. Worauf diese abzielen müssen, hat das Präsidialdepartement bereits in Workshops erarbeitet: Die Liste ist lang und reicht von der Schaffung von neuen Jugendtreffs und Beratungsstellen für Eltern von queeren Kindern bis zu modernisierten Lehrmitteln und neuen Settings in Pflegeheimen für queere Senior:innen. Viel Arbeit für eine kleine Behörde.

Doch im Grunde ist das neue Gesetz einem wichtigen Ziel schon näher gekommen, bevor es überhaupt zur Anwendung kommt: Es hat über die fast bis zur Erschöpfung und teilweise gehässig geführte öffentliche Diskussion ein Bewusstsein für gesellschaftliche Gruppierungen geschaffen, die sich an den Rand gedrängt sehen. Das ist Bedingung, damit passieren kann, was queere Menschen vom neuen Gleichstellungsgesetz erwarten. 95 Prozent ihrer Mitglieder, das ergab eine Umfrage der wichtigen Basler Queerorganisation Habs, erhoffen sich vom neuen Gesetz die Gleichberechtigung ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Anders gesagt: dass das neue Basler Gleichstellungsgesetz irgendwann hinfällig wird, weil all die angeführten Merkmale – Frau, Mann, trans, nonbinär – zur Unterscheidung und Bewertung von Menschen keine Rolle mehr spielen.