Verdacht auf Staatsräson
Die Handlung von «Operation Silence» liest sich wie ein Krimi: der mysteriöse Tod des Offiziersschülers Rudolf Flükiger im Wald, eine verdächtig unbeholfene Polizeiermittlung, Gerüchte über angebliche Linksterrorist:innen, Waffenschmuggler und dubiose Machenschaften auf den höchsten politischen Ebenen, um nur die Hauptelemente zu nennen. Und eigentlich hätte das neue Werk von Werner «Swiss» Schweizer ein Spielfilm werden sollen, inspiriert von der Erzählung «L’Oiselier» von Daniel de Roulet (auf Deutsch: «Staatsräson», 2021). Doch weil das Projekt im Frühling 2020 vom Bundesamt für Kultur abgelehnt wurde, liess sich eine kostspielige Spielfilmproduktion nicht finanzieren.
Schweizer, Spezialist für geschichtspolitische Dokumentationen, entschied sich, den äusserst packenden, wahren und immer noch brisanten Stoff als dokumentarische Spurensuche mit inszenierten Elementen zu präsentieren. Zusammen mit Rechercheassistent Pablo Jurot rollt er als Regisseur-Ermittler den Fall aus dem Jahr 1977 wieder auf. Weil Flükigers Verwandte nicht vor der Kamera auftreten wollten, verdichtet er seine Recherchegespräche mit ihnen als Dialoge mit einer fiktiven Schwester, gespielt von Sonja Riesen.
Der Film lässt die Stimmung jener bleiernen Zeit aufleben, mit den RAF-Morden in der Bundesrepublik Deutschland und dem Jurakonflikt in der Schweiz. Für den damaligen Bundespräsidenten Kurt Furgler (CVP) war es dienlich, Flükigers Tod zum Suizid erklären zu lassen, um seine politischen Interessen nicht zu gefährden: einerseits die Volksabstimmung über einen unabhängigen Kanton Jura, andererseits sein Herzensprojekt einer Bundessicherheitspolizei.
«Operation Silence» stellt nun alle unbequemen Fragen, die Furgler und die offizielle Schweiz damals unterdrücken wollten – und findet für fast alle noch unbequemere Antworten. Wie so oft in der Schweizer Politikgeschichte gelten die Gesetze des Film noir in echt: Die Unschuldigen bezahlen für die Vergehen der Einflussreichen.
«Operation Silence. Die Affäre Flükiger». Regie: Werner Schweizer. In: Solothurn, Reithalle, Do, 18. Januar 2024, 17.15 Uhr, und Landhaus, So, 21. Januar 2024, 14.30 Uhr.