Jean muss mit anpacken

wobei 1/

Filmstill aus «Hôtel Silence»: mehrere Personen sitzen auf einer Treppe

Die schweizerisch-kanadische Filmautorin Léa Pool ist bekannt für lakonisch erzählte, mitreissende Spielfilme über Frauen in Ausnahmesituationen. Ihre Geschichten sind geprägt von Zufallsbegegnungen, von unausgesprochener Begierde und von der Suche nach Auswegen aus der emotionalen Isolation. Auch «Hôtel Silence» nach dem gleichnamigen Roman der isländischen Erfolgsautorin Auður Ava Ólafsdóttir fügt sich überraschend gut in ihr filmisches Universum ein.

Aus dem Jónas des Romans wird im Film Jean (Sébastien Ricard), ein melancholischer Mittfünfziger, der nach der Auflösung seiner Ehe in eine grosse Lebenskrise gerät. Aus dem verschneiten Québec reist er nach Mitteleuropa in ein namenloses Land am Meer, unmittelbar nach dem Ende eines brutalen Krieges. In einer von Landminen verseuchten Umgebung findet er Zuflucht in einem halb zerstörten, einst prächtigen Hotel, das von jugendlichen Kriegsüberlebenden wieder aufgebaut wird. Dort ist er als Gast sehr willkommen: Nicht nur ist das kriegsversehrte Dorf gerade ein unwahrscheinliches Ziel für Tourist:innen, es gibt auch viel anzupacken, und Jean erweist sich, wenn auch erst mal widerwillig, als begabter Handwerker.

Léa Pool gelingt es, diverse Klischees geschickt zu umgehen, um sich auf den zwischenmenschlichen Raum zu konzentrieren. Im Mittelpunkt steht die Anteilnahme am Leid des Gegenübers, ohne die jeweiligen Lebenslagen direkt zu vergleichen oder gar zu bewerten. Die Kamera von Denis Jutzeler fängt die Nachkriegslage ein, ohne sie zu fetischisieren, wobei Pool bewusst auf konkrete Erklärungen verzichtet, wie etwa: Welches Land ist das genau? Warum reden alle fliessend Französisch? Unterstützt von ihrem Ensemble, darunter Irène Jacob als Kriegsreporterin und die Baslerin Lorena Handschin als junge Hôtelière, schafft sie so eine träumerisch-erlösende Stimmung, die einen immer mehr in ihren Bann zieht.

«Hôtel Silence». Regie: Léa Pool. In: Solothurn, Konzertsaal, So, 26. Januar 2025, 15.15 Uhr, und Reithalle, Di, 28. Januar 2025, 14.15 Uhr. Voraussichtlich im Frühjahr 2025 im Kino.