Queer auf Sizilianisch

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Filmstill aus «Quir. A Palermo Love Story»: zwei Menschen küssen sich

Schnittige Kleider und üppige Perücken, nackte Männer und eine Menge Phallus- und Vulvasymbole tanzen animiert durchs Bild: «Quir. A Palermo Love Story» beginnt mit einem jazzigen Vorspann, in dem alle Mitwirkenden mittels Trickfilmgestalten vorgestellt werden. Weiter gehts mit der Aufnahme einer Brandrede über die tödlichen Folgen einer queerfeindlichen Gesellschaft, mit eingeblendeten Grabsteinen von jungen Opfern homophober Gewalt. Nicola Bellucci steckt so gleich die Themen seines berührenden Dokumentarfilms ab, zwischen Lebenslust und Aktivismus, Liebe und Trauer.

Im Mittelpunkt von «Quir» steht die gleichnamige kleine Modeboutique in Palermo. Gino und Massimo kreieren hier Lederwaren im Eigendesign und stehen der Nachbar:innenschaft als Sorgentanten mit viel Humor zur Verfügung. Seit den siebziger Jahren kämpfen sie für LGBTQI+-Rechte in Italien, immer wieder auch mit medienwirksamen Aktionen. Die Liebe zwischen den beiden hält seit über vierzig Jahren, durch alle körperlichen Anpassungen und Alterserscheinungen hindurch – und auch gegen alle Widerstände aus der konservativ-patriarchalischen Umgebung.

Im Umfeld des Ladens zumindest zeigt sich ein unverkrampfter Umgang mit fluiden Genderidentitäten und diversen sexuellen Orientierungen, viele kennen die Ausgrenzung jedoch aus eigener Erfahrung. Weitere Personen aus dem Bekanntenkreis des Paars ergänzen nach und nach das Bild dieser kleinen, von Solidarität und Hingabe geprägten Community. Es ist eine Freude, diese herzlichen und charismatischen Menschen dabei zu begleiten, wie sie lachen, tanzen, demonstrieren und feiern, wie sie einander trösten und zurechtmachen und immer wieder mit einem pointierten Kommentar aufwarten. In den Erzählungen der älteren Genoss:innen bietet der Film auch spannende Einblicke in die Geschichte der queeren Popkultur, etwa zum mehr oder weniger geheimen Liebesleben klassischer Hollywoodstars. So erinnert «Quir» augenzwinkernd an die karnevalesken Spielfilme eines Pedro Almodóvar oder Federico Fellini – nur dass es hier echte Menschen sind, die aus ihrem Leben erzählen.

«Quir. A Palermo Love Story». Regie: Nicola Bellucci. In: Solothurn, Landhaus, Sa, 25. Januar 2025, 17.15 Uhr, und Konzertsaal, Mo, 27. Januar 2025, 19 Uhr. Ab 8. Mai 2025 im Kino.