Kulturförderung in Basel: Ein wunder Punkt

Nr. 46 –

Eine Basler Initiative fordert mehr Geld für freie Musiker:innen, die klassischen Orchester fürchten ihren Untergang. Ist das Anliegen wirklich so gefährlich?

Rapperin La Nefera vor Publikum auf der Bühne
In Basel Kulturförderung zu beantragen, kostet zu viel Kraft. Rapperin La Nefera investiert ihre Energie lieber in ihr künstlerisches Schaffen. Foto: Florian Nielsen

Vor einem Monat hat die bekannte Basler Rapperin La Nefera ihr neues Album «Aprendi a vivir» veröffentlicht. Finanziert hat sie dessen Produktion und die Tour aus eigener Tasche. «Ich war so überarbeitet, dass ich irgendwann beschlossen habe, auf Eingaben für Kulturförderung zu verzichten, damit ich noch genug Kraft habe, um Konzerte zu spielen», erzählt Jennifer Perez, wie La Nefera bürgerlich heisst. Über die Runden kommt sie dank eines über vier Jahre angelegten regelmässigen kleinen Beitrags einer privaten Stiftung. In einem guten Monat verdient sie circa 3000 Franken.

Perez engagiert sich für die Basler Musikvielfalt-Initiative, über die am 24. November abgestimmt wird. Diese fordert, dass ein Drittel des Kulturbudgets von Basel-Stadt im Bereich Musik an freie Musikschaffende geht. In Basel sei die Situation besonders prekär. «In Zürich und Bern könnte ich bei Stadt und Kanton Geld beantragen, in Zürich für die Produktion eines Albums bis zu 20 000 Franken», sagt Perez. Darüber hinaus gebe es dort eine dreijährige Projektförderung des Kantons. In Basel würden wegen der hohen Nachfrage und weniger Mitteln deutlich kleinere Beträge gesprochen. Das heisst, für ein Album sind diverse Anträge bei Stiftungen nötig. «Das ist enorm viel Arbeit, die unbezahlt ist.»

Glaubt man den Gegner:innen, stellt die Initiative eine grössere Bedrohung für das kulturelle Leben im Stadtkanton dar. Eine Annahme berge das Risiko, «vieles zu zerstören, was über lange Jahre aufgebaut wurde», meint etwa Johanna Schweizer, Koleiterin des «Gare du Nord» für zeitgenössische klassische Musik. Das Sinfonieorchester Basel geht aufs Ganze: «Im schlimmsten Fall wäre sogar unsere Existenz bedroht.» Laut Theater Basel steht nicht weniger als das kulturelle Erbe der Stadt auf dem Spiel: «Die Initiative gefährdet die Fortschreibung eines vielfältigen, Jahrhunderte überspannenden musikalischen Erbes in der Kulturstadt Basel.» Ist diese Initiative wirklich so gefährlich?

Umverteilung oder Erhöhung

Von den rund 22 Millionen Franken, mit denen Basel-Stadt jährlich Musik fördert, erhält das Sinfonieorchester Basel aktuell 9,7 Millionen, das Theater Basel 6,8 Millionen Franken, zusammen also drei Viertel des Budgets. Musikgenres werden im Initiativtext nicht erwähnt, aber natürlich geht es um eine Besserstellung von all der Musik, die traditionell als «Unterhaltung» gegenüber der «ernsten» Musik abgewertet wird: Neunzig Prozent des Basler Musikbudgets gehen heute an Institutionen, die ältere oder neuere klassische Musik spielen.

Es gäbe grundsätzlich zwei Wege, die Initiative umzusetzen: über die Neuverteilung des Budgets – oder über eine Erhöhung, sodass bei den Institutionen der klassischen Musik nicht gespart werden müsste. Je nachdem, wie die Zahlen ausgelegt werden – ob etwa rund zwei Millionen Franken Musikbeiträge aus dem Swisslos-Fonds hinzugezählt werden –, müssten zusätzlich vier bis acht Millionen Franken bereitgestellt werden. Es handelt sich um eine unformulierte Initiative, abgestimmt wird also nicht über einen Gesetzestext. Ein solcher müsste dann erst ausgearbeitet werden.

Weil sie eine Umverteilung zumindest in Kauf nimmt, provoziert die Initiative auch ein paar Linke. Während BastA! und SP klar dafür sind, haben die Grünen Stimmfreigabe beschlossen, einzelne Politiker:innen und der VPOD Basel sind dagegen. Tatsache ist aber auch: Die Linke hält 49 Prozent der Sitze im Grossen Rat, es bräuchte also nur zwei bürgerliche Stimmen, um die Ausgaben zu erhöhen. Und gerade auf bürgerlicher Seite haben die Orchester eine starke Lobby.

Ein wunder Punkt

«Mir ist keine linke Stimme bekannt, die sich gegen eine Erhöhung stellen würde», sagt SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer, die sich öffentlich für die Initiative eingesetzt hat. Die Aufregung der Gegner:innen versteht sie nicht. «Ich finde, mehr Geld für freischaffende Musiker:innen kann Basel sich gut leisten.» Ausserdem würden die Gegner:innen unterschlagen, dass im Fall einer Annahme immer noch ein Gegenvorschlag und eine weitere Abstimmung möglich wären. Aber die Initiative treffe einen wunden Punkt: «Sie stellt die Selbstverständlichkeit infrage, mit der bürgerliche Politiker:innen und etablierte Institutionen die hiesige Kulturpolitik gestalten wollen», sagt Nussbaumer. «Man darf nicht vergessen, dass hier auch ein elitäres Verständnis von Kultur verteidigt wird.»

Annina von Falkenstein ist Stiftungsrätin des Sinfonieorchesters Basel und Grossrätin für die Liberal-Demokratische Partei; sie engagiert sich im Nein-Komitee. Natürlich gebe es viele Profimusiker:innen in prekären Arbeitsverhältnissen, «aber ich frage mich, ob es in der Verantwortung des Staates liegt, dass alle auf ihrem Gebiet eine Anstellung finden». Sie macht sich Sorgen um die Arbeitsplätze bei den Orchestern, auch um die Freischaffenden, die diese beschäftigen. «Es ist schade, wenn Angestellte und Freischaffende gegeneinander aufgehetzt werden», sagt von Falkenstein. Bei einer Erhöhung des Musikbudgets würde man eine Sonderlösung und damit Begehrlichkeiten in anderen Kulturbereichen schaffen. Im Fall einer Annahme müsse man sich eine Erhöhung des Budgets sorgfältig anschauen, aber man komme, über den einen oder anderen Weg, wohl nicht darum herum.