Kantonale Kulturpolitik: Keine Diskussion, bitte!
Mit den kantonalen Sparprogrammen wird auch der Verteilungskampf in der Kultur härter. Die traditionelle, repräsentative Kultur kümmert das kaum.
Jahrelang war die Kultur eine Wachstumsbranche. Jetzt stehen in verschiedenen Kantonen grössere Erneuerungsbauten traditioneller Kulturinstitute an, was die alternative Kultur unter Druck setzt. Dennoch finden kulturpolitische Debatten eher selten statt. Während «Tanz dich frei» in Bern und Anti-Favela-Proteste an der Kunstmesse Art Basel in polizeiliche und politische Scharmützel verwickelt werden, ziehen die grossen Kulturtanker beinahe unbehelligt ihre Kreise.
In Luzern haben Stadt und Kanton im April ein Konzept für ein neues Theaterhaus beim Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) vorgestellt. Das Haus soll das 175-jährige Luzerner Theater ersetzen und, von einem eigenen Intendanten geleitet, ein eigenständiges Profil als Stadttheater mit verschiedenen Sparten erhalten. Der Vorschlag folgt auf das Projekt eines grossen Musiktheaterhauses («Salle Modulable»), das 2010 scheiterte. Geplant ist, die freie Theaterszene stärker an das Kulturhaus Südpol am Luzerner Stadtrand anzubinden.
Der «Südpol» ist gegenwärtig jene Stätte, die mit ihrem Musikprogramm noch am ehesten alternativen Geist verströmt, nachdem das alternative Kulturzentrum Boa Ende 2007 geschlossen wurde. Im «Südpol» soll mit dem neuen Konzept weiterhin Musik stattfinden, und die freie Theaterszene wird sogar mit einer leichten Subventionserhöhung via mehrjährige Produktionsverträge geködert. Aus alternativer Ecke werden die Pläne dennoch kritisch beurteilt. Die Interessengemeinschaft Kulturhaus Boa hat ihre Forderung erneuert, das Gebäude des alten Theaters als neues «Volkshaus» und Kulturzentrum zu nutzen. Mit der Umpolung des «Südpols», so wird befürchtet, sei eine neue Boa als autonomes Kulturzentrum mit breitem Angebot endgültig vom Tisch.
«Kulturhauptstadt der Schweiz»
Mit einem 2012 veröffentlichten «Kulturleitbild» erklärte sich Basel-Stadt vollmundig zur «Kulturhauptstadt der Schweiz». Was bezüglich der repräsentativen Grosskultur nicht ganz unrichtig ist. Aus historischen Gründen besitzt Basel eine ganze Anzahl grosser Museen. Deren Unterstützung macht rund vierzig Prozent des jährlichen Kulturbudgets aus. Als erste Konkretisierung des Leitbilds ist ein ambitiöses Bauprogramm angekündigt worden. Für über sechzig Millionen Franken wird 2014/15 das Theater Basel total renoviert. Rund hundert Millionen sind in den nächsten Jahren für die Renovation des Kunstmuseums fällig, dazu kommen weitere fünfzig Millionen für die Museumserweiterung Burghof. Basel setzt, wie in der ganzen urbanistischen Entwicklung, stark auf Partnerschaften mit der Privatwirtschaft. Kein Wunder, hat es vor der Art Basel für richtig-falsche und falsch-richtige Favelas keinen Platz.
Mitte Juni hat nun der Kanton Basel-Landschaft mit einem eigenen «Kulturleitbild» nachgezogen. Verlangt worden war es von der kantonalen FDP, die die «ländliche Kultur als identitätsstiftendes Merkmal» für den Kanton definieren wollte. Das neue Leitbild weist diesen nostalgischen Auftrag glücklicherweise zurück. Zwar könne das Baselbiet bestimmte eigenständige Schwerpunkte setzen, aber in einem «grenzüberschreitenden Raum» sei die Zusammenarbeit mit dem mächtigen Stadtkanton unumgänglich. Dabei wird natürlich auch auf dessen Gelder geschielt. Angesichts der eigenen angespannten Finanzlage reduzieren sich neue kulturelle Initiativen auf unverbindliche Absichtserklärungen.
Berner Trauerspiel
Im Aargau schliesslich tritt Kulturchef Hans Ulrich Glarner nach elf Jahren zurück. Glarner hat es verstanden, die Sparbemühungen abzufedern und immer wieder Kompromisse auszuhandeln, und seine Leistung wird von SP bis SVP gewürdigt. Vor dem neuen Kulturmanagementjargon ist auch er allerdings nicht gefeit, da er seine Kulturpolitik auf neun «kulturelle Leuchttürme» fokussiert sieht. Insbesondere hat er die historische Schiene verstärkt; durch die Modernisierung verschiedener Museen hat sich die BesucherInnenzahl in den Aargauer Ausstellungsstätten massiv erhöht. Jetzt wechselt er ins Amt für Kultur des Kantons Bern. Dort haben Ende letzten Jahres sowohl die Amtschefin und die Abteilungsleiterin für Kulturförderung als auch etliche Mitarbeiterinnen unter gegenseitigen Schuldzuweisungen gekündigt.
In der «Berner Zeitung» wurden die Vorgänge im Amt für Kultur als «Trauerspiel» und «Debakel» bezeichnet. Da wird die Kompromissfähigkeit des Kulturmanagers aus dem ehemaligen Untertanengebiet gefordert sein. Wie er auf die urbanistischen Forderungen einer «Tanz dich frei»-Bewegung im Kanton reagieren würde, bleibt offen.