Energiepolitik: Umwelt-NGOs als dumme Kinder?

Nr. 3 –

Am Erscheinungstag dieser WOZ läuft sie ab, die Referendumsfrist für den Mantelerlass, der offiziell «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» heisst. Vor allem im Umfeld der Naturschutzorganisation Fondation Franz Weber wurden Unterschriften gegen die Vorlage gesammelt, die das Parlament im Herbst mit grosser Mehrheit angenommen hatte. Bis Redaktionsschluss war nicht klar, ob das Referendum gescheitert oder knapp zustande gekommen ist.

Die Tragweite des Mantelerlasses ist gross, eine Abstimmung wäre gerechtfertigt – auch wenn sie die Umweltpolitik noch komplizierter machen würde. Denn ein Teil der Gegner:innen des Mantelerlasses befürwortet neue Atomkraftwerke. Diese «Atomökos» verkennen völlig, dass AKWs kommenden Generationen eine noch viel grössere Hypothek hinterlassen als neue Stauseen – nämlich radioaktiven Abfall, der jahrtausendelang strahlt.

Es gibt aber auch legitime Gründe, den Erlass sehr kritisch zu sehen. Er bedroht Ökosysteme wie Auen und Gletschervorfelder, und im Energiegesetz stehen neu sechzehn Wasserkraftprojekte, etwa ein Stausee im noch intakten Triftgebiet im Berner Oberland. Die grossen Umweltorganisationen haben diese Kröte geschluckt, um die Dekarbonisierung nicht zu gefährden: Bei einem Nein zum Mantelerlass an der Urne müsste die Energiepolitik erneut erarbeitet werden – von einem deutlich rechteren Parlament. Die Angst davor ist berechtigt.

Verständlich ist aber auch die Angst jener, die die Trift retten wollen: die Angst, dass noch mehr Bergtäler zerstört werden, der Ressourcenverschleiss der Wachstumswirtschaft weitergeht und die Dekarbonisierung dann doch nicht kommt. Aqua Viva und der Grimselverein haben Ende Dezember Beschwerde gegen das Triftprojekt eingereicht. Die Reaktionen der Medien waren gehässig. Die NZZ griff letzte Woche frontal an: Pro Natura habe es versäumt, die «kleine Schwester» Aqua Viva «zur Räson zu bringen». Als wären die kleinen Umweltorganisationen dumme Kinder. Was sich da offenbart, ist ein autoritäres Verständnis von Politik.