Umfragen aus reinem Interesse

Was auch immer man von einer Gesundheitsumfrage halten möchte, die von einer Krankenversicherung in Auftrag gegeben wurde: Laut einer diese Woche veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts Sotomo fühlten sich im Juni dieses Jahres 34 Prozent der 2500 Befragten nicht ganz gesund.

So frustrierend das Ergebnis der CSS-Studie daherkommt, so positiv könnte man die Ergebnisse einer anderen Umfrage deuten, die die SRG ihrerseits im Frühling dieses Jahres durchführte: Dabei gaben 61 Prozent an, dass es ihnen gut oder sehr gut gehe – und nur 5 Prozent, dass sie unzufrieden seien. Derweil also die eingangs erwähnte CSS-Studie aus dem Befund, dass 66 Prozent ihren Gesundheitszustand als gut einstuften, in die Botschaft umwandelten, dass 34 Prozent sich mehr oder weniger krank fühlten, macht die SRG aus dem Ergebnis, dass 39 Prozent sich nicht allzu gut fühlen, die frohe Botschaft, dass es 61 Prozent gut bis sehr gut gehe.

Es wäre vermessen, der SRG die Absicht zu unterstellen, ein möglichst positives Bild der psychischen Befindlichkeit der hiesigen Bevölkerung zeichnen zu wollen. Viel eher ist das Interesse einer Krankenversicherung, zu berücksichtigen, Ergebnisse in ihrem Geschäftssinn zu präsentieren. Das aber gilt auch für andere Akteure: sei es der Arbeitgeberverband, der die Ergebnisse einer Umfrage dahin lenkt, dass sich die Arbeitszufriedenheit 2022 verbessert habe (ohne zu betonen, dass sich 43 Prozent der Befragten über Stress beklagten), oder die Gewerkschaften, die bei ihrer Umfrage zum Schluss kommen, dass der Arbeitsdruck massiv zugenommen habe (ohne die Frage zu stellen, inwieweit dieser Druck auch mit Stressfaktoren ausserhalb der Erwerbstätigkeit zu tun haben könnte). Umfragen, die nicht im Interesse ihrer Auftraggeber ausfallen, erscheinen kaum je in der Öffentlichkeit.

Natürlich soll man subjektive Wahrnehmungen ernst nehmen. Aber was sagen solche Befindlichkeiten über die gesellschaftliche Realität? Könnte es sein, dass das subjektive Gefühl, nicht wirklich gesund zu sein, auch mit gestiegenen Ansprüchen zu tun hat, insbesondere in einer Wohlstandsgesellschaft? Dass der verinnerlichte neoliberale Imperativ, allzeit topfit zu sein, zum Gefühl führen kann, nicht hinreichend gesund zu sein?