Kost und Logis: Wer hat Lust auf AKWs?
Ruth Wysseier rechnet mit Albert Rösti

Dass Energieminister Albert Rösti neue Atomkraftwerke erlauben will, erstaunt mich nicht. Er war ja bis vor kurzem von Beruf Atomlobbyist, da ging ihm die Angelegenheit leicht von der Hand.
Doch wer hat Lust auf neue AKWs? Die Bevölkerung nicht, sie hat 2017 in einer Volksabstimmung den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Keine Lust hat die Grüne Partei, sie hat angekündigt, dass sie das Referendum ergreifen werde. Die Energiekonzerne auch nicht, sie winken ab, keiner hat ernsthafte Pläne, ein neues AKW zu bauen, viel zu teuer.
Lust auf neue AKWs hat der Energieclub Schweiz, weiss der Teufel, warum. Mit seiner Blackout-Initiative verlangt er, dass der Bundesrat das Neubauverbot aufhebt. Sein Argument: Wir brauchen Atomstrom für eine bezahlbare, klimaneutrale und zuverlässige Stromversorgung.
Klar, jetzt, wo der Bund so viel Geld für Autobahnen ausgeben will, sollte doch wenigstens die Stromversorgung bezahlbar sein. Aber wie bezahlbar sind AKWs? Und wer bezahlt bei einem Unfall? Die potenziellen Schadenssummen für einen nuklearen Unfall in der Schweiz werden auf 100 bis 8000 Milliarden Franken beziffert, las ich neulich in der NZZ. 8000 Milliarden sind eine Acht mit zwölf Nullen, mit einer solchen Zahl habe ich noch nie gerechnet. Vermutlich ein Druckfehler, denke ich zuerst. Doch die Schweizerische Energie-Stiftung geht von derselben Schätzung aus. Es komme drauf an, ob nur Sachschäden oder auch Personenschäden und die Zerstörung von Lebensgrundlagen berechnet würden.
Zum Glück haben AKW-Betreiber eine Haftpflichtversicherung. Doch im Kleingedruckten steht, dass diese nur bis zu 1,2 Milliarden Franken zahlt. Ein europäischer Fonds steuert dann noch 300 Millionen bei. Den Rest zahlt der Bund, was ja beruhigend klingt – bis man realisiert, dass das in Wirklichkeit Sie und ich sind. Wir sind die Rückversicherung dieser «bezahlbaren» Energiequelle.
Da ist es sicher sinnvoll, wenn wir zusammen* mal ausrechnen, was da auf uns zukäme. Also der günstigste AKW-Unfall mit einem 100-Milliarden-Schaden kostet dann 11 111 Franken pro Kopf der Neun-Millionen-Bevölkerung. Der ungünstigste Fall mit einem 8000-Milliarden-Schaden kostet 888 888 Franken pro Kopf. (Okay, es wären 167 Franken weniger, weil ja die Haftpflichtversicherung auch was zahlt, aber das Beträglein hat eher kosmetischen Charakter.)
Also, nun hören Sie mal bitte zu, Herr Rösti: Die Grossschadensregelung für einen nuklearen Unfall in der Schweiz bedeutet, dass die Bevölkerung pro Kopf eine knappe Million Franken aufbringen müsste. Das ist unvorstellbar und unmöglich. Aber ich bin sicher, Sie und ich und die anderen Menschen in der Schweiz werden das nie bezahlen müssen, denn nach einem solch gigantischen Unfall, bei Sach- und Personenschäden und der Zerstörung der Lebensgrundlagen, wird es keine Personen mehr geben, die Sie zur Kasse bitten können.
Ruth Wysseier ist Winzerin am Bielersee.
* Bei der Maturfeier riet mir der Mathelehrer, ich solle gescheiter ein Hotel am Waldrand führen, als an die Uni zu gehen. Deshalb ist es sicher sinnvoll, wenn Sie, geschätzte WOZ-Leser:innen, mir beim Rechnen über die Schulter schauen.