Neues aus der Wissenschaft: Böse Schwester, armer Patient

Nr. 15 –

Forschende der Deakin University in Melbourne schlagen Alarm: «Dieses Problem betrifft ganz Australien» – nein, eigentlich die ganze Welt! Es geht um nichts Geringeres als den Grund, weshalb Männer eine erheblich geringere Lebenserwartung haben als Frauen. Natürlich würden nebst genetischen Faktoren «kulturell bedingte Männlichkeitsbilder» eine Rolle spielen, die Patienten also zumindest einen Teil der Verantwortung tragen, wenn sie ihre Gesundheit vernachlässigten, wie Dell Lovett zugibt.

Die wahren Gründe verbergen sich gemäss der Studie, für die Lovett die Hauptarbeit leistete, aber hinter der Tatsache, dass die medizinische Grundversorgung nicht den Bedürfnissen männlicher Patienten entspricht. Und daran sind, da lässt der bezeichnend suggestive Titel der Untersuchung keine Zweifel offen, die Frauen schuld: «Are nurses meeting the needs of men in primary care?».

Die Vorwürfe, die Lovett aufgrund von Einzel- und Gruppeninterviews mit neunzehn Pflegekräften und zwanzig männlichen Patienten erhebt, sind happig: Die Krankenschwestern ignorierten die speziellen Bedürfnisse von Männern häufig, entsprechend unangemessen sei die Behandlung, insbesondere in den Bereichen der sexuellen und mentalen Gesundheit. Lovetts Forschungsteam fordert deshalb «eine bessere Ausbildung der Pflegekräfte und mehr Einfühlungsvermögen bei der Behandlung männlicher Patienten». Letztlich liegt so auch das Problem nicht beim traditionellen Männlichkeitsbild – «der klassische Australier geht mit einer ‹Wird schon werden›-Mentalität durch das Leben», so Lovett –, sondern beim verständnislosen Umgang der Frauen mit ebendiesem. Als eine entscheidende Qualität, die weiblichen Pflegenden fehle, nannten die befragten Männer – Humor.

Hmmm. Ob «der klassische Australier» da wohl mit einem anzüglichen Witz abgeblitzt ist? Die wirklich interessante Frage ist aber: Warum zum Teufel wird selbst das in der Studie zum Problem der Frau gemacht?

Dell Lovett ist übrigens eine Frau und darf ihre Forschung «unter der Aufsicht von Professor James Smith» weiterführen.