Elternzeit: Die Frage nach dem besseren Modell

Nr. 50 –

Die Familienzeit auf bis zu 36 Wochen verlängern: Das fordert eine überparteiliche Allianz. Die geplante Initiative entzweit das linksfeministische Lager, einmal mehr.

Bis zu achtzehn Wochen Familienzeit pro Elternteil: Das fordert eine überparteiliche Allianz aus Vertreter:innen von Grünen, GLP und Mitte-Partei, dem Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse und der Gleichstellungsorganisation Alliance F. Im Frühjahr will das Bündnis mit der Unterschriftensammlung für die Familienzeit-Initiative beginnen. Die SP wird am Parteitag im Februar über die Unterstützung des Anliegens abstimmen.

«Elternschaft ist eine geteilte Verantwortung. Die heutige Regelung wird dem nicht gerecht, sondern weist einseitig Rollen zu», schreibt das Initiativkomitee auf seiner Website. Mit einer paritätisch aufgeteilten Elternzeit könnten Frauen früher in den Arbeitsmarkt zurückfinden und Männer mehr Verantwortung in der Kinderbetreuung übernehmen. Die Initiative fordert zudem, dass Einkommensschwache hundert Prozent ihres bisherigen Gehalts erhalten.

Mehrere Vorstösse gescheitert

Im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern, die verschiedene Elternzeitmodelle kennen, hinkt die Schweiz in familienpolitischen Anliegen klar hinterher. Hierzulande haben erwerbstätige Mütter Anspruch auf eine Entschädigung für die ersten vierzehn Wochen nach der Geburt ihres Kindes – achtzig Prozent des Einkommens, finanziert aus der Erwerbsersatzordnung. Der zweite Elternteil kann innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt zehn Tage bezahlten Urlaub beziehen. Diese Regelung trat erst 2021 in Kraft – bis dahin hatte der zweite Elternteil lediglich ein bis zwei bezahlte Tage zugute, um sich in der neuen Familiensituation zurechtzufinden.

Auf kantonaler Ebene sind in den letzten Jahren mehrere Vorstösse für Elternzeitmodelle gescheitert: In Bern wurde 2023 eine Initiative abgelehnt, die 24 Wochen Elternzeit vorschlug; davon wären je sechs Wochen pro Elternteil reserviert gewesen, die restlichen zwölf hätten sich die Eltern flexibel aufteilen können. In Zürich war es einer Initiative ein Jahr zuvor gleich ergangen, die – identisch zum aktuell diskutierten Anliegen – ein paritätisches Modell mit je achtzehn Wochen gefordert hatte.

Die Frage nach dem besseren Modell – paritätisch oder flexibel – hat im linken, feministischen Lager vor Jahren einen Konflikt ausgelöst, der die Lancierung einer gesamtschweizerischen Vorlage bisher erschwert hat: 2021 war eine Allianz, die sich gemeinsam für eine nationale Elternzeit eingesetzt hatte, an inhaltlichen Differenzen zerbrochen (siehe WOZ Nr. 42/21). Mit der Ankündigung der Familienzeit-Initiative ist diese Diskussion nun wieder entfacht.

Die feministische Mütterorganisation Eidgenössische Kommission dini Mueter (EKdM) gab kürzlich bekannt, das Anliegen nicht zu unterstützen. «In einem streng paritätischen Elternzeitmodell werden die Bedürfnisse der Mütter zu wenig berücksichtigt – und stattdessen mit denen des nicht gebärenden Elternteils gleichgesetzt», sagt EKdM-Mitglied Lisa Briner. Mutter zu werden, sei aber nicht dasselbe wie Vater zu werden. Die EKdM fordert eine flexible Lösung und mehr gemeinsame Zeit – nach der aktuellen Initiativvorlage können nur vier Wochen von beiden Elternteilen gleichzeitig bezogen werden. Die Initiative werde so auch alleinerziehenden Müttern und alternativen Familienmodellen nicht gerecht.

Nur achtzehn Prozent der erwerbstätigen Mütter würden nach vierzehn Wochen an den Arbeitsplatz zurückkehren, sagt Briner. «In der Initiative geht es hauptsächlich darum, die Erwerbstätigkeit der Mütter zu fördern. Diese arbeiten schon viel: durchschnittlich 70 Stunden in der Woche, davon 52 unbezahlt.»

«Klare Verbesserung»

Das Argumentarium der Familienzeit-Initiative ist tatsächlich wirtschaftsorientiert aufgebaut: Es sieht den Nutzen der Elternzeit etwa in der Förderung einer höheren Geburtenrate oder in der Behebung des Fachkräftemangels. Min Li Marti, SP-Nationalrätin und für Alliance F Teil des Initiativkomitees, kann den Widerstand der EKdM trotzdem «nur bedingt» nachvollziehen: «Die Vorlage ist eine klare Verbesserung des Status quo, der aus linker Sicht unbestritten schlecht ist.» Zudem gehe es bei der Initiative um ein wichtiges feministisches Anliegen: die finanzielle Unabhängigkeit der Frau. Häusliche Gewalt gegen Frauen habe in der Schweiz nämlich noch immer extrem viel mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Partner zu tun.

Es sei wichtig, Care-Arbeit sozial abzusichern, sagt Marti. Um der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, müsse aber auch die Kinderbetreuung anders verteilt werden. Bei flexiblen Elternzeitmodellen bestehe die Gefahr, dass diese Arbeit weiterhin Frauensache bleibe – das könne man zum Beispiel in Deutschland beobachten.

Lanciert wurde die Familienzeit-Initiative nicht als rein links-grünes Anliegen: «Die gescheiterten Abstimmungen in den Kantonen haben gezeigt, dass wir ohne eine breite Allianz keine Mehrheit finden», sagt Marti.

Die EKdM hingegen warnt davor, dass die Initiative so in einem bürgerlichen Kompromiss enden könnte, der nur in der Summe eine Verbesserung zur aktuellen Situation darstelle – zum Beispiel je zehn Wochen für beide Elternteile. Im Initiativtext ist jedoch klar definiert, dass die bisher versicherten vierzehn Wochen in einer künftigen Lösung nicht unterschritten werden dürften.