Milliardäre bei Trump: Tage der Oligarchie
Ein Bild aus dem Weissen Haus sorgt im Zollstreit zwischen den USA und der Schweiz für Wirbel. Eine nähere Betrachtung.
Woher zum Teufel kommt eigentlich dieses Bild? Seit Tagen wird es in den Schweizer Medien publiziert, meist nur mit jenen Quellenangaben versehen, die Redaktionen verwenden, wenn sie nichts Näheres wissen oder den Werbezweck unterschlagen wollen: «PD» (Pressedienst) oder «zVg» (zur Verfügung gestellt). Bei keiner Nachrichtenagentur findet sich die Aufnahme, auch beim Bilderdienst des Weissen Hauses sucht man vergeblich danach. Das Foto und eine Stellungnahme in Umlauf gebracht hat vielmehr die Medienstelle des Private-Equity-Unternehmens Partners Group aus Baar im Kanton Zug, die selbst wiederum betont, dass sie lediglich im Auftrag der Abgebildeten gehandelt habe. Wer fotografiert hat, will sie nicht sagen.
Absender des Bildes ist also kein journalistisches Medium, sondern eine PR-Stelle im Auftrag der Superreichen, die darauf zu sehen sind – und das passt doch gut zu den Vorgängen, die sich derzeit ereignen: zur Privatisierung der Politik, zur Herrschaft der Vermögenden, zu einer Oligarchisierung, die in den USA unter Donald Trump fortgeschritten ist und über den sogenannten Zollstreit auch die Demokratie in der Schweiz beschädigt. Vielleicht messen die verhandelten Prozentzahlen ja nicht nur die Zölle, sondern auch den Faktor der Anbiederung: Je tiefer der Bückling, desto niedriger (eventuell) der Steuersatz.
Fast wie beim Rütlischwur
Das Foto zeigt das Oval Office des Weissen Hauses. Golden glänzt die Stuckatur, ganz nach dem Kitschgeschmack des aktuellen Amtsträgers. Auf dem Schreibtisch, als wären sie beiläufig dort hingestellt, sind die Modelle für seine Machtanmassung zu sehen: für einen neuen, selbstverständlich goldenen Ballsaal im Weissen Haus und für einen Triumphbogen in Washington. Auf die Frage, für wen dieser gebaut werde, sagte Trump kürzlich: «Für mich.»
Der Präsident selbst ist nur von der Seite abgelichtet, im Fokus sitzen die Gäste aus der Schweiz, allesamt Männer. Von rechts nach links sind es Daniel Jaeggi, Gründer des Rohstoffhandelsunternehmens Mercuria (von der «Bilanz» geschätztes Vermögen: bis 2 Milliarden Franken), Alfred Gantner, Mitbesitzer von Partners Group (bis 3 Milliarden), Johann Rupert, VR-Präsident des Luxusgüterkonzerns Richemont (bis 11 Milliarden), Jean-Fréderic Dufour, CEO der Uhrenfirma Rolex, und Marwan Shakarchi, Chef der Goldraffinerie MKS. Nicht auf dem Foto zu sehen, aber Mitunterzeichner der Stellungnahme ist auch der Reeder Diego Aponte, dessen Familie bis zu 21 Milliarden horten soll. Rupert und Aponte, die beiden Reichsten der Gruppe, besitzen übrigens gemeinsam die Spitalgruppe Mediclinic, zu der in der Schweiz auch die Hirslanden-Kliniken gehören. Womit man heute halt so sein Geld verdient.
Dass es ihnen bei ihrem Besuch selbstverständlich nicht um die eigenen Geschäfte gehe, betonen die sechs in ihrer persönlich unterzeichneten Stellungnahme. «Wir Schweizerinnen und Schweizer haben uns immer dann geeint, wenn es die Situation erforderte.» Fast klingt dabei der Rütlischwur nach Friedrich Schiller an: «Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.»
Die Tür ins Oval Office, berichten verschiedene Medien, soll ihnen der Lobbyist Carlos Trujillo geöffnet haben, der neben Shakarchi sitzt. Von US-Seite im Raum sind der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer und Stabschefin Susie Wiles. Von hinten, mit gefalteten Händen, kontrollieren Trumps Sohn Eric und dessen Gattin Lara die Szenerie. Oligarchie war und ist schon immer Familybusiness.
Und Business bedingt in dieser Spielart auch immer: genügend Schmierstoff. Die Milliardäre kamen nicht mit salbungsvollen Worten allein ins Weisse Haus. So liessen vermutlich sie den «SonntagsBlick» wissen, dass sie Trump einen mit Widmung versehenen Goldbarren überreichten und eine Rolex-Tischuhr schenkten. Noch von weiteren Präsenten ist die Rede im «Protokoll aus Washington», doch welche damit gemeint sind, will die Reiseleitung von Partners Group auf Nachfrage nicht sagen. Zumindest die Rolex scheint aber ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Wenige Tage nach dem Termin mit den Schweizern taucht sie bei einem anderen Treffen erstmals auf, wo ein Bild eine neue, klobige Extravaganz auf Trumps Schreibtisch zeigt. Fachmedien identifizierten sie als teure Sonderanfertigung, geschätzter Wert: mehrere Zehntausend Franken.
Die Geschenke sind ein Manifest der ethischen Verwahrlosung: dem Herrscher das Gold, der Öffentlichkeit Richtlinien und Gesetze. Dabei verspricht der «Code of Conduct» von Rolex eine «Nulltoleranz bei Korruption» und verweist aufs Schweizer Strafgesetzbuch, wo Artikel 322septies die «Bestechung fremder Amtsträger» regelt und unter Strafe stellt. Hält sich der Rolex-CEO ans Gesetz und an die internen Bestimmungen? Rolex sagt dazu: Kein Kommentar. Für Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone stellt sich zumindest die Frage, «ob hier nicht ein Fall von Bestechung vorliegt», wie sie gegenüber der WOZ sagt. Im «Tages-Anzeiger» äussert der Schweiz-Chef von Transparency International, Urs Thalmann, ähnliche Bedenken.
«Im Zollstreit ist die politische Schamgrenze gefallen», sagt Mazzone. Die Aufnahme aus Washington zeigt eine Machtausübung ohne Mandat. Lässig lächelt Gantner in Richtung Trump, neben ihm versinkt Rupert bedeutungsvoll im schweren Holzsessel, während Dufour auf Trump einredet und ihm nicht nur eine neue Uhr zu versprechen scheint. Die Milliardäre haben die Aussenpolitik übernommen.
Die prominenten Abwesenden
Trump teilte nach dem Treffen auf seinem Verlautbarungskanal Truth Social mit, das Treffen mit den «high level Representatives of Switzerland» sei ihm eine grosse Ehre gewesen. Was eine für Autokraten typische Verkehrung der Wahrheit ins Gegenteil ist, sind die prominenten Abwesenden auf dem Bild doch gerade die höchsten Repräsentant:innen der Schweiz: Als Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin im August kurzfristig in die USA jetteten, um den hohen Zollsatz doch abzuwenden, warteten sie vergeblich auf Einlass ins Oval Office. Stattdessen mussten sie mit US-Aussenminister Marco Rubio vorliebnehmen. In der zweiten Amtszeit gab es bisher kein Treffen von Trump mit einem Mitglied der Schweizer Regierung, bloss Telefonate.
In ihrem Statement versichern die sechs Wirtschaftsgrössen, sie hätten an keinerlei Verhandlungen teilgenommen, lediglich die Stärke der privatwirtschaftlichen Partnerschaften betont. «Unsere gesamte Initiative erfolgte im Geist der schweizerischen Einigkeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor.» Bereits am Freitag durfte sich Wirtschaftsminister Guy Parmelin mit dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer unterhalten. Parmelin jubelte danach auf X über eine «grossartige neue Dynamik».
Was kommt nach der Rolex?
Ein Deal könnte bald Tatsache werden, heisst es schliesslich Anfang Woche aus US-Regierungskreisen, und Trump meinte in einem Interview: «Wir haben die Schweiz hart getroffen. Wir wollen, dass die Schweiz erfolgreich bleibt.» Was auf den Goldbarren und die Rolex folgen soll, darüber jagen sich die Gerüchte: die Schweizer Unterstützung der USA bei Sanktionen und Exportkontrollen, Investitionen in die Pharmaindustrie, die Verlagerung von Goldraffinerien, amerikanische Flugzeuge für die Swiss, der Import von Chlorhühnern? Oder alles zusammen?
Vom Gespräch des Schweizer Wirtschaftsministers mit seinem US-Kollegen gibt es auch ein Bild. Es zeigt Parmelin, wie er von Bern aus in seinen Computerbildschirm spricht. Er wirkt wie ein subalterner Beamter. So weit die Rangordnung zwischen privatem und öffentlichem Sektor in der Schweiz Ende 2025.