Pop: Moorleichen und andere Funfacts

Nr. 19 –

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Albumcover «Viagr Aboys» von Viagra Boys
Viagra Boys: «Viagr Aboys». Shrimptech Enterprises. 2025.

Sebastian Murphy ist nicht nur ein erstklassiges Rolemodel für nicht mehr ganz so junge Männer: eine Kunst für sich, den von der Zeit und suboptimaler Diät deformierten Oberkörper mit der Würde, die der gebürtige Kalifornier etwa im Video «Punk Rock Loser» an den Tag legt, über die Erdoberfläche zu bewegen. Überdies ist Murphy auch ein hervorragender Texter: Der Sänger der Viagra Boys hat ein ausgeprägtes Gespür für die Absurditäten der Gegenwart und die Schrullen der dieser beiwohnenden Menschen.

Das tolle vierte Album der schwedischen Post-Punk-Band unterstreicht das nur. Dieses ist kreativ mit «Viagr Aboys» betitelt, stilistisch facettenreich und sehr oft sehr komisch. Gleich die ersten vier Songs sind allesamt Hits. Im Opener «Man Made of Meat» wummert in der Strophe die Bassline stimulierend aus dem Subwoofer, während Murphy Impressionen von einer USA-Reise in Verse über «übergewichtige Freaks» verdichtet, die in Rollstühlen herumfahren, die von längst in Fabriken in Übersee produzierten Elektromotoren betrieben werden. Wobei «factory» kaum zu verstehen ist, weil der Sänger – womöglich gar unwillkürlich – dumpf darüberrülpst: wundervoll.

Im ebenfalls vorwärtstreibenden Song «The Bog Body» geht es dann vordergründig um eine Moorleiche, vor allem aber um die destruktive Wirkung von Eifersucht. Das zurückgelehntere «Uno II» wiederum thematisiert aus Hundeperspektive Tierarztbesuche, während die Countrynummer «Pyramid of Health» die Selbstoptimierungs- und Selbsterfahrungsindustrie aufs Korn nimmt.

Danach fällt das Niveau ein klein wenig, es bleibt aber immer überraschend und lustig. So erzählt der Song «You N33d Me» von Leuten, die ungefragt mit Spezialwissen aufwarten: etwa, dass sich der letzte japanische Weltkriegssoldat erst 1998 ergeben hat. Was ja tatsächlich nicht uninteressant ist.

Live in: Zürich X-TRA, So, 11. Mai 2025, 19 Uhr.