Was für ein Jahr: Alles Show, alles Spektakel, alles Deal

Nr. 51 –

2025 stand im Zeichen des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Dauerlärm dröhnte auch hier in allen Köpfen.

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Gips-Kopf eines Clown, welcher am Boden liegt
Foto: iStock

Ja, wahrscheinlich war es auch schon erheiternder, auf ein Jahr zurückzublicken: In seiner Amtsantrittsrede im Januar sprach Donald Trump vom «Tag der Befreiung», bald unterschrieb er zahlreiche Dekrete, etwa zur Aushöhlung des Asylrechts oder zur Begnadigung der Kapitol-Stürmer:innen. An der Inaugurationsparty riss Elon Musk, mutmasslich zugedröhnt, den rechten Arm zum Nazigruss hoch. Was begann da gerade?

Im März hätte eigentlich ein Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine verhandelt werden sollen. Doch beim Treffen im Weissen Haus demütigte Trump öffentlich den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski und sagte: «Das wird ein TV-Hit!».

Es wirkte wie eine Ankündigung, eine Drohung, ein böses Versprechen, das sich durch das Jahr ziehen würde: Alles Show, alles Spektakel. Die Politik sei pervers und obszön geworden, sagte die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen kürzlich an der Konferenz «Zur Macht des Unbewussten in Politik und Subjekt» im Zürcher Volkshaus.

In grellem Scheinwerferlicht griff Trump demokratische Institutionen an, verfügte später die Jagd auf Menschen durch die Einwanderungsbehörde ICE.

Spektakel, nicht nur in den USA: In einem grotesken Gespräch mit Musk, dessen Einfluss den autoritären Drall in der US- und europäischen Rechten noch verstärkte und deren Vernetzungen sichtbar machte, bezeichnete Alice Weidel Hitler als Kommunisten. Im Eiltempo wurde in Deutschland die «Brandmauer» zur rechtsextremen Partei zu Schutthaufen zusammengekehrt: Während Weidel im Januar angekündigt hatte, Grenzen dichtzumachen und Menschen «im gros­sen Stil» auszuschaffen, sobald die AfD an der Macht sei, reichte Kanzler Friedrich Merz im selben Monat einen migrationspolitischen Antrag ein, den er nur mithilfe der AfD gewann, und präsentierte später einen «Migrationsplan» fast ganz in deren Sinn. Innenminister Alexander Dobrindt beschloss dieses Jahr die weitere Entrechtung von Asylsuchenden, auf der Website des Innenministeriums heisst es derweil euphemistisch, sein Motto sei «Humanität und Ordnung».

«‹Leute müssen weg› – das ist das deutsche Vernichtungswesen», sagte der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit an der Konferenz «Gegen/Moderne. Kulturkämpfe um die Gegenwart» der Universität Basel im Oktober knapp und benannte damit das, was da zu beobachten war. Wahrscheinlich nicht nur das deutsche Wesen: Der EU-Rat befand soeben, dass Geflüchtete in Drittstaaten ausgeschafft werden können, zu denen sie keinerlei Bezug haben. Selbst SP-Bundesrat Beat Jans begrüsste diese «Rückführungsverordnung» (siehe WOZ Nr. 50/25).

Tendenzen zu Trump

Überhaupt die Schweiz, das ganze Jahr mittendrin und voll dabei: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bezeichnete US-Vizepräsident J. D. Vances Abrechnung mit Europa an der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar als liberal, «in gewisser Hinsicht sehr schweizerisch». Vance hatte unter anderem behauptet, die EU-Staaten würden die Meinungsfreiheit einschränken – während es primär die US-Regierung ist, die Presse und Universitäten angreift und die Repressionsschraube gegenüber politischen Gegner:innen anzieht.

Um Trump nicht zu missfallen, sistierte der Bundesrat eine längst angekündigte Vorlage zur Regulierung von Onlineplattformen und missachtete so kurzerhand demokratische Prozesse. Anfang November dann reisten Konzernchefs wie Mercuria-Gründer Daniel Jaeggi und Alfred Gantner von der Partners Group nach Washington. Eine Machtausübung ohne Mandat – später verkündete Bundesrat Guy Parmelin den hohen Preis für eine Einigung im Zollstreit, unter anderem versenkte er besagte Plattformregulierung endgültig. Demokratiepolitisch war das alles mindestens fragwürdig, doch der künftige Bundespräsident des kommenden Jahres sprach punkto Zollverhandlungen bloss begeistert vom «Team Switzerland», als sei man an einen Sportanlass geflogen. Die Wirtschaftsbosse hatten Goldbarren und eine Rolex dargebracht. Alles Wettkampf, alles Show, alles «Deals».

Derweil verkündete Albert Rösti, die Autobahnen doch noch auszubauen, und behauptete, der politische Prozess dazu habe nun begonnen – obwohl ihn die Stimmbevölkerung mit einem Nein zum Autobahnausbau im Jahr davor eigentlich beendet hatte. Der SVP-Bundesrat, der ja schon vor dessen Wahl «zu Trump tendiert» hatte, machte regen Gebrauch von der Verordnung, quasi das Dekret unter den Schweizer Regierungsmitteln: Im Alleingang schwächte er die SRG mit Gebührensenkungen, schränkte die Einführung von Tempo 30 ein. Überhaupt scheute die bürgerliche Mehrheit in Parlament und Bundesrat Abstimmungen, wo Niederlagen drohten: Milliardenschwere Ausgaben in der Aufrüstung wurden an der Stimmbevölkerung vorbei beschlossen; der F-35 – ein Debakel.

Stärke und Nation

Die Historikerin Suzanne Schneider beschrieb die USA im Herbst in der «New York Review of Books» als «vollständig militarisierten Staat»: Nicht die Disziplin der Märkte allein, sondern auch die blanke Staatsgewalt setze die «natürlichen» Hierarchien durch, die «die neuen Fusionisten» – sie meinte die mit Autoritären verbrüderten Libertären – faszinierend finden würden. Die Märkte «sollen nun der Nation dienen und nicht umgekehrt». Stärke und Nation als Ordnungsprinzipien.

Dieses Denken sickerte auch in die Köpfe kritischer Geister ein. In einem «Republik»-Podcast hiess es etwa über die politische Einflussnahme von Gantner und Co.: «Es gibt Leute, die agieren, und die Schweiz, die reagiert.» Angestrengt provokativ bezeichnete Theatermacher Milo Rau «die Schweiz» in einem Essay im «Tages-Anzeiger» als Sexarbeiterin, die sich für jedes Geld kaufen lasse. Statt Machtanalysen Psychologisierungen ohne Differenzierung zwischen Land, Nationalstaat, Bevölkerung, Regierung und Wirtschaftselite. Geradezu sehnsüchtig nach ebenjener sadistischen Härte verlangend, die die US-Politik ausmacht, sich noch mehr mit ihr gemein machend, kommentierte NZZ-Chefredaktor Eric Guyer vergangenen Samstag auf der Titelseite: «Kontinent der Heulsusen», Europa mangle es an Selbstbewusstsein gegenüber Trump.

Auch ein Jahr der Gegenstrategien

Patriarchale Rhetorik und Trumps Männerfantasien überall: Wehrfähigkeit, Stärke, Kälte, Handlungswille stehen der Passivität einer blossen Reaktion gegenüber, der Unterwürfigkeit einer Frau namens «Helvetia» (Rau), der Schwäche von Heulsusen. Nationalismus, schrieb die US-amerikanische Theoretikerin Cynthia Enloe einst, entspringe typischerweise maskulinisierter Erinnerung, Demütigung und Hoffnung.

So frostig der Rück- und Ausblick: Krisen sind immer auch Konstruktionen ihrer Beobachter:innen. Man kann das scheidende Jahr auch ganz anders lesen (vgl. Seiten 4/5), als Jahr der linken Gegenstrategien, des Widerstands etwa, und jede Beschreibung des Unheils, auch in diesem Text, läuft Gefahr, Gefallen an diesem zu finden, sich davon ablenken zu lassen, den Trump im eigenen Kopf zu übersehen. Was für gewichtige Verschiebungen vollzogen sich ausserhalb des Scheinwerferlichts? Wo sind die Fantasien, die keine Männerfantasien sind? Defätismus jedenfalls ist nicht angebracht. Es gelte, den Zwischenraum zwischen Macht und Ohnmacht zu suchen, sagte der Soziologe Ulrich Bröckling an der Basler Konferenz. Und die Zukunft als politischen Raum offenzuhalten.