CU there : Rein in die Lachzone
Diese Woche schreibe ich aus Berlin. Es ist arschkalt, Nieselregen und Novemberwind. In der Wohnung ist die Heizung ausgefallen; das Geräusch, das der Gasheizer von sich gibt, klingt nach bestem Noise-Konzert, und so flüchte ich aus dem kalten Altbau, von Café zu Café, von Bar zu Bar, Buchhandlung zu Buchhandlung, ins Restaurant, ins Kino.
Auf dem Kottbusser Damm spricht mich eine Frau an, «scheisskalt» sei es, und wenn sie mal zu Geld komme, dann würde sie sich einen Fahrer zulegen, ja, einen hotten Fahrer mit Benz und Sektglas im Fond. Aber wir sollten überhaupt froh sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, hier in Berlin. Ich erzähle von der kaputten Heizung, sie flucht, wünscht mir Glück, verschwindet Richtung Maybachufer.
Schliesslich kaufe ich resigniert im Bauhaus Neukölln einen Heizlüfter. Vor dem Einkaufszentrum steht eine sichtlich mit der Gesamtsituation unzufriedene Person und flucht, «die» sollen «alle nach Hause gehen», und ich möchte glauben, dass die Person damit auf das Wetter und nicht auf Friedrich Merz’ «Stadtbild»-Kommentar anspielt. Dieses Stadtbild-Debakel würde jetzt Stoff für zwölf+ Kolumnen bieten, aber ich möchte nicht. (Interessiert das in der Schweiz überhaupt irgendwen? Oder meinen wir schon wieder, dass uns das nicht betrifft?)
Ich möchte nicht, dass sich die Trauer schon wieder in meine Finger schleicht, wenn sie sich zur Tastatur bewegen. Sogar Bushido verspricht hier an jeder Litfasssäule: Alles wird gut!
Mit dem Heizstrahler unter dem Arm stemme ich mich gegen den stärker werdenden Klischeeregen und schlüpfe ins «She Said», queerfeministische Buchhandlung, Café und Pflichtprogramm auf jeder meiner Berlinreisen. Hier durfte mein Buch Premiere feiern, und hier finde ich jedes Mal Texte gegen (oder auch für) meine Trauer.
Um mich leises Stimmengewirr; konzentriertes Atmen; Finger, die über Buchrücken fahren. Buchhandlungen, Parks, Theater, Cafés, Gyms: sogenannte «dritte Orte», weder Zuhause noch Arbeit, Räume für «Erholung in der Öffentlichkeit», wie es im Wikipedia-Artikel dazu heisst. Begegnungszonen, nicht nur im städteplanerischen Sinne.
Ein umstrittenes Konzept (beispielsweise arbeite ich gerade an einem «dritten Ort», während ich diesen Text schreibe, hahahaha), aber es leuchtet mir in seiner Dringlichkeit sofort ein. Zu den zentralen Merkmalen gehören nämlich: Leichtigkeit, Witz, Spiel, «laughter is frequent». Lachen gegen die soziale Kälte; bewusst oder unwillkürlich, aufatmend, verbindend.
Ich nehme mir vor, zukünftig meine Räume der öffentlichen Erholung nach der Häufigkeit des Gelächters auszusuchen und mich selbst laut und schamlos an diesem Gelächter zu beteiligen. Sie hören von mir.
Schriftsteller:in Laura Leupi (29) streift in der Kolumne «CU there» (nicht nur) durch Begegnungszonen in Zürich und schreibt immer freitags über öffentlichen Raum, Zugänglichkeit und Verdrängung.