Muslimische Grabfelder: Stimmungsmache von rechts

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Dass es knapp war, ist ein schwacher Trost: Mit 131 Stimmen Unterschied hiess die Stimmbevölkerung der Thurgauer Kleinstadt Weinfelden am Sonntag ein Referendum gegen das neue Friedhofsreglement gut. Dieses hätte muslimische Grabfelder ermöglicht. Heisst: ein etwas längeres Grab, eine Ausrichtung nach Südosten und eine Bestattung ohne Sarg. Statt der ewigen Grabesruhe, die der Islam vorsieht, wären die Felder allerdings wie üblich nach 20 bis 25 Jahren ausgehoben worden, sie wären ausserdem nicht Muslim:innen vorbehalten gewesen, sondern hätten Menschen aller Glaubensrichtungen zur Verfügung gestanden, auch nichtreligiösen Personen.

Es wäre also ein kleiner, einfacher Schritt gewesen, den schon rund vierzig Gemeinden in der Schweiz problemlos hinter sich gebracht haben – einer, der dem verfassungsmässig garantierten Recht auf Religionsfreiheit nachgekommen und der Lebensrealität der 1200 Weinfelder:innen muslimischen Glaubens gerecht geworden wäre. Bis weit ins bürgerliche Lager fand das Reglement Unterstützung, das Stadtparlament stimmte der Änderung letztes Jahr mit 24 zu 4 Stimmen zu, darunter selbst die Mehrheit der SVP-Vertreter:innen.

Ungeachtet dessen formierte sich ein Komitee aus EDU- und SVP-Hardlinern (wie dem sogenannten «Asylchef» Pascal Schmid oder dem ehemaligen «Weltwoche»-Journalisten Markus Schär) und ergriff das Referendum. Das Komitee argumentierte im Abstimmungskampf mit der «säkularen Ordnung» – ausgerechnet. Finden sich unter den Gegner:innen der muslimischen Grabfelder doch viele christliche Fanatiker, die Gott über alles stellen: EDU-Kantonsrat und Komiteemitglied Peter Schenk beispielsweise sieht laut seiner Website Politik als Gelegenheit, «unserem Heiland die Ehre zu geben», beklagt, dass keine Kreuze mehr in Schulzimmern hängen, und meint, es stünden «zu wenige Christen an der Front». So viel zur Trennung von Kirche und Staat, die die Gegner:innen der muslimischen Grabfelder absurderweise ins Feld führten.

Dazu mischte das Egerkinger Komitee, die SVP-Spezialistenstelle für das Schüren antimuslimischen Hasses, den Wahlkampf mit Flyern auf (verantwortlich bisher für die Minarett- und Burka-Initiativen). Es machte etwa mit der Falschinformation Stimmung, die Gräber würden ewig bestehen bleiben. Und suggerierte, wo muslimische Gräber seien, sei auch die Scharia nicht weit. Nach Minaretten und Burkas hat sich das Komitee nun also die Grabesruhe als das nächste politische Kampffeld ausgesucht. Der Thurgauer SVP-Kantonsrat Manuel Strupler hat bereits von der «nationalen Strahlkraft» gesprochen, die die Abstimmung haben werde. Weinfelden als Test für die nächste Initiative der Egerkinger Eiferer: Immerhin, eben vielleicht doch, war es knapp. Was in Weinfelden gerade noch so funktioniert, hat hoffentlich sonst wenig Chancen.