Medientagebuch zur Schliessung der NZZ Print Druckerei: Verbindlichkeitserosion

Nr. 49 –

Gewerkschafter Niklaus Dähler über NZZ Print

Die «Neue Zürcher Zeitung» macht den Laden dicht. Nein, natürlich nicht ganz, sie zieht einen von Tamedia bereits vor vielen Jahren formulierten Slogan, «Content for People», nur konsequenter durch als diese selber. Im Managerjargon: «NZZ-Mediengruppe passt Druckkapazitäten an – Fokus verstärkt auf publizistischem Kerngeschäft». Oder zu gut Deutsch: «Wir wollen nichts mehr mit dem Druck zu tun haben, wir produzieren Inhalte.»

Das bis vor zwei Wochen Undenkbare ist geschehen, die NZZ wird beim ärgsten Feind aus alten Zeiten gedruckt. Aber hätte die NZZ-Mediengruppe denn Alternativen? Die Frage ist schwer zu beantworten. Bis zum aktuellen Zeitpunkt wurden keine verwertbaren Zahlen offengelegt, und es ist zu vermuten, dass auch keine kommen werden, die das Gegenteil beweisen. Nach verschiedenen Aussagen von Leuten aus dem NZZ-Druckzentrum in Schlieren war so viel Arbeit vorhanden wie schon lange nicht mehr. Zum Beispiel wurde ein Teil der «Coop-Zeitung» seit drei Monaten dort gedruckt (600 000 Exemplare pro Woche). Offensichtlich glaubte auch Coop noch an die Zukunft von NZZ Print, hatte der Grossverteiler doch neben dem Druckauftrag auch drei Millionen Franken in neue Maschinen investiert – für den Druck der Auflage in den nächsten fünf Jahren! Aus der Pressemitteilung der NZZ geht nun hervor, dass neben den sinkenden Auflagenzahlen die «Margenerosion» bei Drittaufträgen das Geschehen rechtfertige. Schwer zu verstehen bei solchen Aufträgen.

Banalbiologisch könnte man den Druckmarkt mit der Natur vergleichen, die unter der Klimaerwärmung leidet. Diese ist da, sie ist nicht wegzudiskutieren, es gibt viele Verlierer, aber man kann auch etwas dagegen tun. Aus gewerkschaftlicher Sicht, in diesem Fall aus Sicht von Syndicom, könnte zum Beispiel die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des Gesamtarbeitsvertrags der «Margenerosion» und dem gegenseitigen Dumping etwas Einhalt gebieten. Aber die Unternehmer und deren Verband Viscom stehen eher auf der Seite der KlimaleugnerInnen und weigern sich, die im aktuellen Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte Allgemeinverbindlichkeit der Arbeitsbedingungen beim Bundesrat zu beantragen.

In der Druckindustrie gibt es heute zwei Arten von Druckereien: Die einen wissen nicht mehr, was sie tun sollen, weil sie keine Aufträge finden, und die anderen können sich nicht vor Aufträgen retten. Zu hoffen ist, dass jene, die noch Arbeit haben, wenigstens richtige Preise dafür verlangen, sonst enden sie dort, wo auch die NZZ mit ihrer Druckerei jetzt steht. Und um die Frage nach Alternativen für die Schliessung nun doch halb zu beantworten: Fast das Wichtigste für eine Druckerei ist ihre Verlässlichkeit. Diese hat die NZZ mit dem Schliessungsentscheid – siehe das Beispiel von Coop – völlig infrage gestellt.

Dass es nach dem Konsultationsverfahren mit dem Druckzentrum weitergeht, ist leider zu bezweifeln. Für die bevorstehenden Sozialplanverhandlungen hat die NZZ aber vorgelegt: Das Ende des Zeitungsdrucks soll nämlich das operative Ergebnis der Gruppe (Ebit) «um jährlich einen hohen einstelligen Millionenbetrag verbessern». Und: Die Liegenschaft in Schlieren mit direktem Bahnanschluss wird verkauft. Da müssten für die 125 entlassenen Personen eigentlich locker zwanzig Millionen Abgangsentschädigung drinliegen – abgestuft nach Dienstalter, Lebensalter, familiären Verhältnissen und anderen Kriterien.

Niklaus Dähler arbeitet in einem familiären Druckbetrieb und ist Präsident der Branche Grafische Industrie und Verpackung in 
der Mediengewerkschaft Syndicom.
 Für ihn «ist und bleibt die Druckindustrie
 ein schönes Gewerbe. Ich liebe es, in dieser Branche zu arbeiten.»

Weiterer Artikel zur Schliessung der NZZ Print Druckerei: «Kampflos wird nicht zugemacht» von Andreas Fagetti