Schliessung der NZZ-Druckerei: Kampflos wird nicht zugemacht
Obwohl die Auftragsbücher so voll sind wie schon lange nicht mehr, will die NZZ ihre Druckerei in Schlieren im Sommer 2015 schliessen. 125 MitarbeiterInnen bangen um ihren Job.
Die Druckereibranche in der Schweiz steht unter anhaltendem Druck. Überkapazitäten, der rasante technologische Wandel, Preisdruck und wegbrechende Margen haben zur Folge, dass grosse Druckereien wie Dominosteine fallen. Aber es liegt nicht bloss am technologischen Wandel. Viele Schweizer Unternehmen lassen billig im Ausland drucken und entziehen der hiesigen Branche Aufträge. So etwa die Migros oder Denner, die sich auf der Hochpreisinsel an Schweizer KonsumentInnen mästen – und sich darüber beklagen, dass diese es ihnen gleichtun und billiger im nahen Ausland einkaufen.
Die Klagen der Druckereiunternehmen sind also durchaus berechtigt. Dennoch erscheint gerade die jüngste Hiobsbotschaft, die NZZ wolle ihre Druckerei im zürcherischen Schlieren schliessen, absurd. Denn die Auftragsbücher sind übervoll. Erst vor drei Monaten ergatterte die hochmoderne Druckerei einen Grossauftrag von Coop: Der Grossverteiler schloss einen Fünfjahresvertrag ab und investierte dafür drei Millionen in die Aufrüstung des Maschinenparks bei NZZ Print. So viel Arbeit habe es im Betrieb noch nie gegeben, sagt ein Mitarbeiter, der beinahe zwei Jahrzehnte überblickt. Man arbeite bei NZZ Print – auch die WOZ wird hier gedruckt – im Dreischichtbetrieb auf Hochtouren. Wie umsichtig und verantwortungsbewusst ist also das Investitionsgebaren der Konzernspitze?
Kampf um die Druckerei
Der Reihe nach: Vor gut einer Woche teilte die Unternehmensführung der NZZ mit, sie schliesse den Betrieb in Schlieren; ab Juni 2015 würden die hauseigenen Zeitungen bei Tamedia gedruckt. 125 von 184 MitarbeiterInnen droht die Kündigung, sofern im Konsultationsverfahren mit Betriebskommission und Gewerkschaften die Schliessung nicht abgewendet werden kann. NZZ-CEO Veit Dengler begründete den Entscheid mit anstehenden Investitionen im zweistelligen Millionenbereich, höheren Stückzahlenkosten wegen der sinkenden Zeitungsauflage und Margenerosion. Die konzerneigenen Druckereien in St. Gallen und Luzern kämen für den Druck der NZZ wegen zu hoher Transportkosten nicht infrage. Dort werden künftig Drittaufträge erledigt. Mit der Schliessung spart der Konzern rund zwölf Millionen Franken an Investitionen und fortlaufend Lohnkosten in unbekannter Höhe. Der vorgesehene Verkauf der Liegenschaft und des Maschinenparks füllt die Konzernkassen zusätzlich. Ein Teil der frei werdenden Mittel soll in die Weiterentwicklung des digitalen Bereichs gesteckt werden – der andere Teil maximiert den Gewinn der finanziell ohnehin kerngesunden NZZ-Gruppe.
Gerade wegen der vollen Auftragsbücher traf die Nachricht die MitarbeiterInnen in Schlieren völlig unvorbereitet. «Die Mitarbeiter stehen unter Schock», sagt Dominik Dietrich, der zuständige Regionalsekretär der Gewerkschaft Syndicom. Der Entscheid der Unternehmensspitze sei eine «Hauruckübung», die planlos wirke. «Einer der reichsten Medienkonzerne der Schweiz kann nicht so mit seinen Mitarbeitern umgehen und ohne wirtschaftlichen Druck Arbeitsplätze wegradieren. Wir kämpfen zusammen mit den Mitarbeitern für einen Erhalt der Druckerei.»
Die Belegschaft ist gewerkschaftlich gut organisiert, Syndicom habe gute und engagierte Vertrauensleute im Betrieb. Dietrich glaubt, dass die MitarbeiterInnen ihre Arbeitsplätze nicht kampflos aufgeben werden. «Sie identifizieren sich mit der Druckerei und sind stolz auf ihren Betrieb.» Das liege auch daran, dass die NZZ bisher die Sozialpartnerschaft ernst genommen habe, Dietrich bezeichnet sie sogar als absolut vorbildlich – gerade auch im Vergleich mit Ringier und Tamedia. «Aber sollten keine ernsthaften Angebote von der Gegenseite kommen», so Dietrich, «wird es zu Kampfmassnahmen kommen.»
Erste Verhandlungen
Nun läuft zunächst die Konsultationsfrist bis 9. Januar 2015. Die Zeit ist knapp. Denn wegen der Feiertage bleiben nicht viel mehr als drei Wochen für die Verhandlungen zwischen Betriebskommission, Gewerkschaft und der Konzernleitung. Am letzten Freitag fand deswegen bereits eine Betriebsversammlung statt. Wegen des Dreischichtbetriebs konnten allerdings bloss fünfzig MitarbeiterInnen teilnehmen. «Die Leute sind bedrückt, sie können es noch immer nicht fassen», sagt Dietrich. Aber das werde sich rasch ändern. Am Dienstag trafen sich die Gewerkschaften Syndicom und Syna zu einem Informationsgespräch mit der Unternehmensleitung. «Neues haben wir nicht erfahren. Klar ist jetzt aber, dass die Gewerkschaften mit am Verhandlungstisch sitzen werden. Das war unsere erste Forderung. Ausserdem haben wir kritisiert, dass wir von der Schliessung aus den Medien erfahren haben und nicht vorgängig konsultiert wurden.» Wahrscheinlich findet Ende dieser Woche die erste Verhandlungsrunde statt.
Bisherige Erfahrungen mit Konsultationsrunden lassen nichts Gutes erwarten. Weder bei der Schliessung der «BaZ»-Druckerei noch in St. Gallen bei Swissprinters konnte schliesslich das Ende der Druckereien verhindert werden. «Wir werden alles versuchen», sagt Dietrich. «Sollte eine Schliessung trotzdem nicht abgewendet werden können, geht es um gute Sozialpläne. Aber ich bin durchaus zuversichtlich. Selbst Veit Dengler hat in einem Radiointerview gesagt, dass der Erhalt der Druckerei nicht völlig ausgeschlossen sei.»
Weiterer Artikel zur Schliessung der NZZ Print Druckerei: Medientagebuch von Niklaus Dähler