Songs Über Ebola: Der Westen will berühren, aber in Afrika wissen sie es besser

Nr. 50 –

Band Aid belästigt die Welt abermals mit neokolonialem Wohltätigkeitsgesäusel. Dabei gibt es in Afrika längst schon unzählige Songs gegen Ebola: bessere Musik, die erst noch mehr bewirkt.

«Ebola ist nicht gut, Ebola tut weh, geh zum Arzt. Es gibt Hoffnung, Ebola zu stoppen.» Mit dem Reggae «Africa Stop Ebola» und vielen anderen Liedern versuchen westafrikanische MusikerInnen, die Menschen von Sierra Leone, Guinea und Liberia zu erreichen – und zugleich Geld für den Kampf gegen die Pandemie zu sammeln. Stars des westlichen Popmainstreams haben ähnliche Intentionen: An Weihnachten wollen sie «Frieden und Freude nach Westafrika bringen» – und so Ebola ausmerzen. Und zwar mit der neusten Version von Bob Geldofs Charity-Hit «Do They Know It’s Christmas». Denn in Westafrika, «wo ein liebevoller Kuss dich umbringen kann», liege in jeder Träne der Tod. Die Band-Aid-Edition 2014 ist nicht nur kitschig bis zur Schmerzgrenze, sie reproduziert auch das im Westen gängige Bild, dass ganz Afrika an Kriegen, Armut und Krankheiten zugrunde gehe. «Heute strecken wir unsere Hände nach euch aus und berühren euch», ist die gönnerhafte Losung.

Dem britischen Rapper Fuse ODG sträubten sich dabei die Haare. Als Geldof ihn fragte, ob er beim Wohltätigkeitsprojekt mitmachen wolle, lehnte der gebürtige Ghanaer ab. Der Text habe ihn schockiert, schreibt er in der Tageszeitung «The Guardian». Wenn solche Bilder über Afrika wieder und wieder verbreitet würden, dann sei es wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Westeuropäer monatlich zwei Pfund spende oder eine Charity-CD kaufe. «Das gibt ihm ein angenehmes, warmes Gefühl.» Aber es sei wenig wahrscheinlich, dass er in Afrika im Urlaub Geld ausgebe oder dort investiere.

Der vierte Aufguss

Vor dreissig Jahren schrieb Geldof Popgeschichte mit dem Projekt Band Aid, das er anlässlich der Hungerkatastrophe in Äthiopien initiiert hatte: Das banale Lied, gesungen von Stars wie Phil Collins, David Bowie, Paul McCartney und Sting, soll 250 Millionen US-Dollar eingespielt haben. Doch Band Aid schaffte es nicht, die Hilfsgüter an die Hungernden zu liefern: Die Gelder versickerten in den Taschen der Entourage des äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam, dessen Regime die Hungersnot mitverursacht hatte.

Mit dem Erlös der vierten Neuauflage soll nun Ebola in Westafrika bekämpft werden. So trommelte der irische Altrocker Geldof auch dieses Jahr wieder zusammen, was in der aktuellen westlichen Popmusik Rang oder zumindest Namen hat: von der Boygroup One Direction über die Kuschelrockband Coldplay bis zu Sinéad O’Connor und Seal. Und natürlich war auch Bono von U2 wieder dabei. An der französischen Version wirken unter anderem Carla Bruni, Johnny Hallyday und Daft Punk mit. Für die deutsche Fassung konnte Sir Bob Geldof unter anderem den Tote-Hosen-Sänger Campino, Jan Delay, Die Fantastischen Vier, 2raumwohnung und Udo Lindenberg gewinnen. Das Lied landete zwei Wochen nach Erscheinen an der Spitze der deutschen Hitparade.

Entmündigt

Ihnen allen soll der gute Willen nicht abgesprochen werden: Jede finanzielle Unterstützung kann im Kampf gegen Ebola helfen. Aber hätten die MusikerInnen nicht besser je ein paar Millionen gespendet? Allein Bob Geldofs Vermögen wird auf vierzig Millionen Euro geschätzt, Facebook-Aktionär Bono gilt mit einem geschätzten Vermögen von 1,2 Milliarden US-Dollar nach David Bowie als der zweitreichste Musiker der Welt. Wenn er wirklich wollte, könnte er also die Ausgaben von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in diesem Jahr in ganz Afrika berappen (2013 waren das 379 Millionen Euro).

Die Kritik am unreflektierten Helferansatz von Band Aid ist nicht neu. «Hinter dem Projekt steckt der paternalistische Irrglaube, die Hilfe der Reichen im Norden stärke die Armen im Süden», kommentiert etwa Claus Stäcker, Leiter der Hauptabteilung Afrika der Deutschen Welle. Als prominentester Kritiker spricht der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka sogar von einer «anderen Form von Rassismus»: «Leute wie Geldof und Bono scheinen zu glauben, dass wir uns nicht selbst helfen können, dass wir auf Menschen wie sie angewiesen sind.» Und die feministische Autorin Bim Adewunmi fragt im «Guardian», wie es sein könne, dass dreissig Jahre nach der ersten Version Stars wieder ein Lied singen, «das jene dehumanisiert, denen geholfen werden soll».

Damals wie heute wird die simplifizierende Kampagne kritisiert – etwa auf Twitter bei Al Jazeera. Äthiopien habe noch immer Mühe, sein Image als Land mit den verhungernden Kindern loszuwerden, bemerkt dort eine Userin: «Afrikas einzige Hoffnung, der Armut zu entkommen, liegt in einer gerechten Wirtschaftsordnung.» Die Idee, dass Afrika gerettet werden muss, zeuge von einem nie enden wollenden Messiaskomplex des Westens, twittert ein User. Ein Hohn sei das, zumal der grösste Teil der Spendengelder für den Kontinent von im Westen lebenden AfrikanerInnen stamme. Und afrikanische Ebolalieder gäbe es ja schon zuhauf – und erst noch bessere.

Hoffnungsvoll

Bereits im Mai haben die liberianischen Musiker Samuel «Shadow» Morgan und Edwin «D-12» Tweh mit «Ebola in Town» ein Lied mit informativen Texten veröffentlicht, das sofort ein Publikumserfolg wurde. Wenig später wurde der Song «Africa Stop Ebola» zum Kassenschlager. Der Unterschied zu Band Aid: Das Lied zeichnet ein anderes Afrikabild und hat die Unterstützung der AfrikanerInnen. Der Erlös geht an die Hilfsorganisation MSF, die in Sierra Leone, Liberia und Guinea bislang über 6500 EbolapatientInnen aufgenommen hat und mit 3400 nationalen und internationalen MitarbeiterInnen im Einsatz ist.

Die Liste der SängerInnen von «Africa Stop Ebola» liest sich wie das Who’s who der westafrikanischen Musikszene: Tiken Jah Fakoly, Initiator des Projekts und Reggaestar aus Côte d’Ivoire, der senegalesische Rapper Didier Awadi, die malischen MusikerInnen Salif Keita, Oumou Sangaré, Kandia Kouyaté und das Duo Amadou & Mariam, aus Guinea Mory Kante und Sia Tolno. «Ebola – unsichtbarer Feind» singen sie auf Französisch und in den westafrikanischen Sprachen Malinké, Sousou, Kisi und Lingala.

Im Unterschied zu Geldof sammeln die afrikanischen MusikerInnen nicht nur Geld. Die Lieder trügen die Botschaft, welche Präventionsmassnahmen getroffen werden müssen, um die Pandemie einzudämmen, in alle Dörfer, sagt Tiken Jah Fakoly im Interview mit der Deutschen Welle. «Musik spielt eine wichtige Rolle bei uns, sie ist der kürzeste Weg, Informationen zu vermitteln», pflichtet Mory Kante bei. Das Lied spricht von Solidarität und Hoffnung. Und es gibt praktische Verhaltensregeln: Die Kranken sollen nicht berührt werden, auch die Toten nicht. «Hör zu, und schütze dich.»

Ebolahits als Handyklingelton

Viele westafrikanische Ebolalieder rufen Gott an, geben aber auch konkrete Instruktionen. «Die Songs sind gut. Sie steigern das Bewusstsein für Ebola», schreibt der Journalist Calvin Brooks von der Liberia News Agency. Die Menschen hören sie zu Hause, im Laden und beim Coiffeur. Die Songs werden als Handyklingeltöne verbreitet, Kinder singen sie in den Strassen. Das haben auch die Hilfsorganisationen realisiert: Unterstützt von der Unicef, wurden der Gospel «Ebola Is Real» und ein weiteres Ebolalied mit traditioneller Musik aufgenommen. Die Songs laufen auf den westafrikanischen Radiosendern rauf und runter.

Dabei gibt es auch unter den afrikanischen Liedern über Ebola viele, die ähnlich paternalistisch sind wie Geldofs Weihnachtssong. So liest etwa der liberianische Exfussballstar George Weah im Video zu einem Lied, das er zusammen mit dem ghanaischen Musiker Sidney aufgenommen hat, Verhaltensregeln vom Blatt. Aber dieser Paternalismus gilt immerhin den betroffenen Menschen – jener von Band Aid richtet sich an uns, die wir betroffen die Betroffenen retten sollen.

«Heilet die Welt, lasst sie wissen, dass wieder Weihnachten ist», tönt es dieser Tage im reichen Norden aus dem Radio. Weihnachten? Den zehn Millionen MuslimInnen in Guinea ist das egal. Sie haben andere Sorgen.