Durch den Monat mit Fatima Moumouni (Teil 2): Was ist das Krasseste, das Ihnen je passiert ist?

Nr. 7 –

Fatima Moumouni nervt das Gefühl, sich wegen ihres Glaubens erklären zu müssen. Die Debatten über den Gegensatz zwischen Ost und West findet sie unheimlich.

Fatima Moumouni: «Es kann eine Inspiration sein zu wissen, dass Menschen, die nicht deutsch aussehen, angefeindet werden.»

WOZ: Frau Moumouni, Sie sind Muslima. Was bedeutet der Islam für Sie?
Fatima Moumouni: Der Islam ist ein Teil von mir. Und es nervt ein bisschen, immer das Gefühl zu haben, mich deswegen erklären zu müssen. 

Entschuldigen Sie.
Kein Problem, aber eigentlich habe ich keine Lust, hier über Religion zu sprechen. Ich finde es schwierig, in einer normalen Unterhaltung darüber zu reden. Oft fühle ich mich nicht ernst genommen.

Dann halt eine konkretere Frage. Wie praktizieren Sie Religion? 
Ich habe keine Lust, über meine eigenen religiösen Gefühle zu sprechen. Was ich aber sagen möchte, ist, dass Muslime keine Roboter sind, die naiv vor sich hin praktizieren. Viele sehen Religion als Philosophie und sind absolut autonom handelnde und denkende Menschen. Ich glaube, Religion ist etwas, was du ständig mit dir aushandeln musst.

In Deutschland haben in den letzten Wochen Tausende gegen die «Islamisierung des Abendlandes» demonstriert. Warum fürchten sich neuerdings so viele Menschen vor dem Islam?
Das klingt jetzt ein wenig nach Verschwörung, aber die Medien tragen viel dazu bei. Seit Jahren gibt es Berichte, die vom angeblichen «Kampf der Kulturen» sprechen. Ständig gibt es Titelbilder dazu – und Talkshows, die mit den immer selben Gästen über die Gefährlichkeit des Islam sprechen. Die Leute werden darauf geeicht, sich zu fürchten. 

Macht Ihnen das Angst?
Ja. Denn ich habe das Gefühl, dieser «Kampf» bricht irgendwann aus – wenn weiterhin behauptet wird, dass Welten aufeinanderkrachen. Die hasserfüllten Debatten, die zurzeit über den Gegensatz von Ost und West geführt werden, finde ich unheimlich. 

Vor diesem Hintergrund heisst das eigentlich, dass Sie als Muslima zum «Feindbild» gehören. Was machen Sie daraus? 
Als Privatperson lässt es mich kalt, ob ich als Feindbild gelte oder nicht. Aber es kann durchaus eine Inspiration sein zu wissen, dass Menschen, die nicht deutsch aussehen, angefeindet werden. Trotzdem würde ich hoffentlich auch über Bewegungen wie Pegida schreiben, wenn ich nicht selbst betroffen wäre. Das ist so oder so eine Herausforderung, denn diese Leute sind clever und kommen mit ihren Argumenten auch bei Leuten an, die sich politisch in der Mitte sehen.

Welches Gesicht hat denn Rassismus im Jahr 2015?
Heute hat jeder Angst davor, als Rassist bezeichnet zu werden – darum ist man darauf bedacht, nicht als solcher erkannt zu werden, wie bei Pegida eben. So ist ein salonfähiger Rassismus entstanden. Zudem ist der Umgang mit dem Begriff unreflektiert, wie man beispielsweise an den Debatten über Black Facing sehen kann. Ich persönlich stosse immer wieder auf Unverständnis, wenn ich versuche, mit meinen Texten darauf aufmerksam zu machen.

Das tönt jetzt alles recht subtil. 
Natürlich gibt es auch echte Angriffe. Ich habe Freundinnen, die tragen ein Kopftuch und werden deswegen angespuckt. 

Was ist das Krasseste, was Ihnen je passiert ist? 
Ich wurde noch nie zusammengeschlagen. Aber was ständig passiert, sind solche Sachen: Ich fahre Zug, und zwei Beamte kontrollieren ein arabisch aussehendes Paar im Abteil vor mir, und als einer der beiden Polizisten mich sieht, sagt er: «Aha!» Sie wollen meinen Pass sehen. Weil ich so wütend bin, schweige ich. Sie fragen: «Do you speak German?» Als sie sehen, dass mein Wohnsitz München ist, lassen sie mich gehen. Nach einigen Minuten folge ich ihnen und beschwere mich. Sie erklären, dass ich mich halt in einer Altersgruppe befände, in der es wahrscheinlicher sei, Marihuana dabeizuhaben als bei einer Oma. 

Als Slampoetin werden Sie auch immer wieder an Anti-Rassismus-Veranstaltungen eingeladen. Zum Beispiel zur Eröffnung einer Ausstellung über die Opfer der NSU-Morde in München.
Das war spannend, der Bürgermeister war auch da. Bei solchen Veranstaltungen habe ich den Vorsatz, dass ich nicht einfach die Leute darin bestätige, dass sie etwas Gutes machen, sondern zeige, dass der Hass gegen Ausländer nicht in der Vergangenheit liegt, nur weil es jetzt eine hübsche Ausstellung darüber gibt.

Den Eindruck hatte ich auch, als ich Ihren Auftritt bei «i,Slam» sah – einer Veranstaltungsreihe für muslimische Slampoetinnen und -poeten. Dort thematisieren Sie, dass diese «Integrationsveranstaltungen» immer so «super fröhlich und farbig» seien. 
Der «i,Slam» ist eine schöne Veranstaltung, aber generell gehe ich von diesen Antirassismustreffen frustriert nach Hause, weil man nichts diskutiert hat, was einen weiterbringen würde. Dabei sollte man gerade unter Gleichgesinnten über schwierige Fragen sprechen, beispielsweise über rassistische Tendenzen innerhalb der Linken. Es bringt nichts, sich gegenseitig zu bestätigen, dass Nazis dumm sind. 

Fatima Moumouni (22) hat in ihrer Jugend 
derart viel Eminem gehört, dass sie alle andere Musik vernachlässigt hat.