Drogenfilm: Kinder an die Macht

Nr. 35 –

Das Genre des Mafiafilms erfreut sich anhaltender Beliebtheit. In der Verfilmung von Roberto Savianos Roman «La paranza dei bambini» («Der Clan der Kinder», siehe WOZ Nr. 9/2018 ) ist allerdings manches etwas anders: Auch hier wird geschossen, aber die Protagonisten sind Kinder, die ihr Viertel im Zentrum von Neapel beherrschen und auf diesem Weg zu viel Geld kommen wollen – und das auch schaffen.

Anführer der «Paranza», der Gang, ist der fünfzehnjährige Nicola, ein Stratege, der die richtigen Bündnisse zu schmieden weiss. Das erste Geld macht die Paranza mit dem Verkauf von Marihuana. Als mehrere Bosse von der Polizei verhaftet werden, ist der Weg zur Macht im Viertel frei; der Handel mit Kokain bringt fette Gewinne. Als guter Sohn einer hart arbeitenden Mutter sorgt Nicola nicht nur dafür, dass sie kein Schutzgeld mehr zahlen muss. Macht und Reichtum helfen ihm auch bei der Eroberung der Quartierschönheit Letizia. So könnten sie inmitten neu gekaufter Rokokomöbel glücklich vor sich hin leben – aber die Machtverhältnisse sind instabil, die vorübergehend ausgebootete Konkurrenz schläft nicht.

Das alles ist Fiktion, aber doch dem Alltag unter dem Vesuv abgeschaut, versichert Saviano. Einige Aspekte, die den Roman lesenswert machen, fehlen in der Verfilmung von Claudio Giovannesi: Nicolas machiavellistische Rechtfertigungsideologie, sein offenes Bekenntnis, ein Regime der Angst errichten zu wollen. Savianos politische Anliegen werden allenfalls in Andeutungen sichtbar – seine Kapitalismuskritik ebenso wie die pädagogische Message: «Ich will Eltern dazu anregen, ihren Kindern beizubringen, dass es in Ordnung ist zu scheitern», sagte er jüngst in einem Interview in der «Süddeutschen Zeitung». Das ist schwer nachzuvollziehen anhand von Figuren, die in kurzer Zeit extrem erfolgreich sind. Sehenswert ist der Film dennoch. Regisseur Giovannesi, den Saviano selbst ausgesucht hat, hat die jugendlichen LaiendarstellerInnen zu Höchstleistungen geführt. 

La paranza dei bambini. Regie: Claudio Giovannesi. Italien 2019