Strafvollzug: Amnestie in den Gefängnissen!

Nr. 13 –

Gefängnisse und Coronavirus – das ist eine explosive Mischung. In den beengten Verhältnissen ist Social Distancing schwierig: unter den Gefangenen, aber auch zwischen dem Gefängnispersonal und den Inhaftierten. Dass dies die Spannungen erhöht, zeigt sich etwa in Italien, wo es Anfang März wegen der Massnahmen gegen die Pandemie im ganzen Land zu Gefängnisrevolten mit Toten und Verletzten kam. Das wäre auch in der Schweiz denkbar; aktuell gibt es zwei bestätigte Ansteckungsfälle.

Alles hängt vom Verhalten der Vollzugsbehörden ab, die in Absprache mit dem Bund Massnahmen ergreifen. Betroffen sind etwa 7000 Inhaftierte: Freigang, Ferien und Besuchsrecht sind bis mindestens Ende März ausgesetzt. Besonders gefährdet sind die etwa 1800 Untersuchungsgefangenen. Sie darben, meist schlecht betreut, in oft veralteten Gefängnissen. Die Organisation humanrights.ch fordert nun von den Justizbehörden, dass das Recht auf Gesundheit der Gefangenen höher zu gewichten sei als Sicherheitsinteressen.

«Damit das Distanzgebot überhaupt eingehalten werden kann, könnten die Behörden dafür geeignete Gefangene in den weniger stark belegten offenen Vollzug verlegen», sagt David Mühlemann, Leiter Fachstelle Freiheitsentzug von humanrights.ch. Einen Schritt weiter geht der Berner Strafrechtsprofessor Jonas Weber: «Würde der Staat allen Gefangenen zwei Monate ihrer Strafe erlassen, also eine generelle Amnestie verfügen, wäre das hilfreich.»

Die aktuellen Massnahmen der Vollzugsbehörden stimmen Weber eher zuversichtlich. «Die Polizei in den Kantonen Genf und Waadt konzentriert sich nun auf die wirklich schweren Fälle, um die Gefängnisse zu entlasten», sagt er. Gute Signale kommen auch aus dem Ostschweizer Strafvollzugskonkordat. Konkordatssekretär Joe Keel sagt: «Die Belegung in unseren Vollzugseinrichtungen ist vergleichsweise tief. Das hilft uns jetzt. Die optimale Nutzung der vorhandenen Plätze auch über die Kantonsgrenzen hinweg erfolgt bereits, auch mit dem Ziel, das Distanzgebot einzuhalten.» Und: «Der Vorschlag der ausserordentlichen Entlassung nach Verbüssung der Hälfte der Strafe kann in Einzelfällen durchaus möglich sein.»