Wasser: Die Schlacht um den Rest

Nr. 46 –

Die Eidgenössische Wasseranstalt EAWAG hat ein exquisites Buch über das Wasser herausgegeben, das klar gegen die Privatisierung antritt.

Es ist ein Bilderbuch über das Wasser. Ein wunderschönes und kluges Buch. Es kann auf dem Klo liegen oder vornehm im Büchergestell stehen - weil es anders gemacht ist als die meisten Bücher. Man muss es nicht von vorne nach hinten lesen. Man blättert einfach durch, bleibt bei einzelnen Bildern hängen, sieht zum Beispiel ein prächtiges, nacktes Felsmassiv, davor ein hübsches, bewässertes, knallgrünes Feld. Darunter die Legende: «Dank der Bewässerung wurde der Wüstenstaat Saudi-Arabien zu einem wichtigen Weizenexporteur. Man nutzt dazu fossiles Grundwasser, das sich kaum erneuert und in wenigen Jahren erschöpft sein wird.»

Schon steckt man mitten in der Bewässerungsgeschichte - ein leicht verständlicher und fundierter Text erzählt, wie in den letzten Jahren die Bewässerungsindustrie ausser Rand und Band geraten ist: In den trockensten Gebieten werden heute Nahrungs- und Futtermittel oder Baumwolle angebaut. Diese absurde Bewässerungseuphorie verbraucht heute zehnmal mehr Wasser als alle Haushalte zusammen. In einem Kilo Butter, das in Kalifornien produziert wird, stecken 18 000 Liter Wasser, in einem Kilo Rindfleisch 13 500 Liter und in einem Kilo Weizen immer noch 1160 Liter. Die Produktion ist günstig, doch der Preis dafür hoch: Die Grundwasserreserven werden in rasendem Tempo geleert, und die exzessive Bewässerung verschwendet nicht nur gigantische Mengen Wasser (ein Grossteil verdunstet, bevor es auf den Boden fällt), sie versalzt auch die Böden. Jährlich verliert die Landwirtschaft über eine Million Hektar, weil der Boden wegen der Bewässerung zu salzhaltig wurde.

Der Zürcher Journalist und frühere «Tages-Anzeiger»-Redaktor Christian Rentsch hat die meisten Beiträge im Buch «Wem gehört das Wasser?» verfasst. Herausgegeben wurde es von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) sowie dem Gestalter und Verleger Lars Müller. Das Buch hat das Zeug zum Standardwerk: Es deckt jedes Thema ab, das im Zusammenhang mit Wasser relevant ist. Infografiken veranschaulichen vermeintlich simple Fragen wie: Was ist eigentlich H2O, und wie viel gibt es davon? 99 Prozent des Wassers der Erde bekommt man nie zu Gesicht, da es irgendwo tief im Untergrund ruht und zum Teil seit Jahrmillionen nicht mehr an der Oberfläche war. Der winzige sichtbare Teil des Wassers hat sich vor allem in den Ozeanen gesammelt, nur 2,5 Prozent davon ist Süsswasser. Vom Süsswasser sind wiederum 65 Prozent im Eis gebunden. Um den kleinen flüssigen Rest, von dem das Leben aller abhängt, ist ein heftiger ökonomischer Kampf entbrannt.

Seit den neunziger Jahren forciert die Weltbank die Privatisierung der Wasserversorgung. Oder wie es Nestlé-Chef Peter Brabeck einmal formulierte: «Wasser ist ein Lebensmittel, und wie alle anderen Lebensmittel auch sollte es einen kommerziellen Wert haben.» Christian Rentsch zeichnet in seinen Beiträgen nach, wie sich dieses Geschäft in den letzten Jahren entwickelt hat, wie es kam, dass sich heute etwa ein Dutzend Grosskonzerne den privaten Wassermarkt weltweit aufteilen, und was es für die gewöhnlichen Leute bedeutet, wenn Wasser zu einem unerschwinglichen Gut wird.

Das Buch endet mit dem Appell «Wasser gehört uns allen» und wendet sich explizit gegen die Privatisierung. Toll und überraschend - denn es ist nicht nur ein klares Statement des Autors, sondern vor allem auch eine unmissverständliche politische Intervention der EAWAG. Die eidgenössische Wasseranstalt will offensichtlich, dass ihre Botschaft in die Welt hinausgetragen wird, ist doch das Buch nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch erhältlich.

Lars Müller, Klaus Lanz, Christian Rentsch und René Schwarzenbach: Wem gehört das Wasser?. Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung (EAWAG) und Lars Müller Verlag. Baden 2006. 536 Seiten. Fr. 69.90