Auf allen Kanälen: Massenhaft Lügen

Nr. 9 –

Eine BBC-Dokumentation zeigt den weltweiten Schaden – Blair, Irakkrieg, Brexit, Trump –, den Rupert Murdochs Medienimperium mitverursacht hat.

Es gibt unappetitliche Dinge aus der Vergangenheit, die man lieber verdrängt. Zum Beispiel Tony Blair. Gut, dass uns die neue dreiteilige BBC-Dokumentation «Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie» Blair und sein Politikverständnis nachdrücklich in Erinnerung ruft. Wir sind im Jahr 1995, und der Labour-Oppositionsführer jettet gerade von London ans andere Ende der Welt, um auf einer australischen Privatinsel mit Medienmogul Rupert Murdoch und dessen Hofstaat mögliche Kooperationen und die künftige britische Politik zu diskutieren.

Sprachrohr für Trump

Murdoch hat ein klares Ziel: Der ungeliebte, da unbeeinflussbare Thatcher-Nachfolger John Major muss weg. Und um das zu erreichen, ist der erzkonservative Multimilliardär bereit, ausgerechnet den Labour-Vorsitzenden an die Downing Street zu befördern. Dieser wiederum sieht kein Problem darin, sich von einem Medienimperium helfen zu lassen, das, unterstützt von der ultrarechten Dereguliererin Margaret Thatcher, eine widerrechtliche Marktmacht angehäuft hat. Ein Medienimperium auch, dem allein in Grossbritannien nicht nur die «Times» angehört, sondern auch Schundblätter wie «The Sun» und «News of the World», denen für eine Titelstory jedes Mittel recht ist.

Diese Boulevardzeitungen mit Millionenauflage machen sich nun auf Murdochs direkten Befehl daran, Blairs Tory-Gegner mit Rufmordkampagnen aus dem Feld zu räumen. 1997 wird Blair zum Premierminister gewählt – und zeigt sich in der Folge dankbar verbunden mit Murdoch. Der damalige «Sun»-Chefredaktor David Yelland erzählt im Dokfilm, wie er sich mit Blair zu regelmässigen Strategietreffen zusammenfand, Regierungsprogramme und Leitartikel flossen ununterscheidbar ineinander. Gemeinsam bereitete man mit konzertierten Propagandalügen den Irakkrieg vor – und legte die Saat für den Brexit, wie der geschwätzige Nigel Farage im Film plausibel ausführt.

Als Murdoch und seine Vasallen 2012 wegen illegaler Telefonabhörmethoden bei «News of the World» von einem Untersuchungsausschuss verhört werden, muss auch Blair antraben – und verteidigt seine «strategische Entscheidung» unbeirrt: «Es ist völlig natürlich, dass zwischen ranghohen Medienvertretern und ranghohen Politikern enge Beziehungen entstehen.» Der aufsehenerregende Abhörskandal und die JournalistInnen, die ihn gemeinsam mit direkt betroffenen Prominenten aufgedeckt haben, sind das Thema des zweiten Teils der Dokumentation. Im dritten Kapitel geht es um die USA, wo Murdoch mit seinem Privatsender Fox News zum Königsmacher und Sprachrohr der Trump-Präsidentschaft wurde.

Es ist die Stärke des konventionell gemachten Dreiteilers, dass er neben den politischen Recherchen die zwischenmenschlichen Dramen nicht ausblendet. Die Murdoch-Saga schwankt da zwischen Shakespeare – der alte Murdoch als luzider King Lear, der sich zwischen drei unterschiedlich ungeeigneten Nachkommen entscheiden muss – und billigem Boulevard, wenn etwa Murdochs dritte Exfrau Wendi Deng in geleakten Tagebüchern von Tony Blairs tollem Körper schwärmt. Staunend erfährt man überdies, dass Blair auch Taufpate von Dengs und Murdochs erster Tochter war. Offensichtlich gab es auf allen Ebenen sehr viel Nähe.

Schaurige Innenschau

Und heute? Die Nachfolge scheint geregelt, der älteste Sohn Lachlan ist der Auserwählte, nachdem sich die Tochter Elisabeth immer weiter vom Geschäft entfremdet hat. Der jüngere Sohn James – neuer Grossaktionär der Art Basel – ist mit einer Klimaaktivistin liiert, was seinem Vater nicht passt. Mehrfach schwenkt die Doku zum Anfang von Murdochs Karriere, als er – ganz australischer «Citizen Kane» – eine Regionalzeitung, die er von seinem Vater geerbt hatte, zu einem landesweiten Medienimperium ausbaute, bevor er nach Grossbritannien expandierte und dann weiter in die USA.

Wer noch nicht genug hat, schaut die beiden Staffeln der HBO-Serie «Succession», ein unzweideutig auf den Murdochs basierendes, fiktionales Porträt eines Medienclans. «Succession» liefert die privaten Psychogramme und die familiäre Selbstzerfleischung, die sich via Dokfilm nur erahnen lassen, und erweitert so die Aussensicht von «Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie» um eine schaurige Innenschau.

«Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie» ist noch bis am 17. März 2021 in der Arte-Mediathek abrufbar.