Rockwoche im «Ziegel oh Lac»: Dieses Jahr voll und ganz einheimisch

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Vor ungefähr zwei Jahrzehnten entstand die Tradition, dass in der zweiten Januarhälfte im Zürcher «Ziegel oh Lac» gerockt wird. Im Restaurant der Roten Fabrik hält das Jahr über die Ziischtigmusig unbeugsam das Fähnlein der weniger bis gar nicht bekannten Rockgruppen hoch. «Diesmal machen wir an der Rockwoche nur Schweizer Bands, weil wir im vergangenen Jahr in der Ziischtigmusig relativ wenige spielten und wir auch einen Rahmen für nicht so bekannte Bands aus der Schweiz bieten möchten», sagt Claudia Privitera, eines von drei Mitgliedern der Ziischtigmusig- und Rockwochen-Equipe.

Die Rockwoche bedient die Ohren also mit elf einheimischen Bands, darunter auch einem geheim gehaltenen Spezialgast für den Abschlussabend. Vor allem Rock und Punk werden im «Ziegel» zu hören sein: Speck aus Basel kündigen sich an als «brutal und schnell, aber auch aufrichtig und aberwitzig», das Zürcher Trio Krueger 23 erklärt sich zum «absoluten Muss für echte Metalheads», Fuzzy Index, The Body Snatchers aus Schaffhausen und die Zürcher Catchpole richten einen Punkabend aus, Navel aus dem Laufental vermengen allen Lärm der Welt mit Funk, Wake aus Zug sind nach zehn Jahren Rockens bei US-amerikanisch geprägten Tönen angekommen, und unter dem Namen Pendleton tritt der Sänger, Gitarrist und Songschreiber Greg Wicky auf, der die Lausanner Band Chewy mitbegründete.

Jenseits von Punk und Rock

Mit seinen vergleichsweise leisen Tönen und der gelegentlichen Country-Stimmung fällt Pendleton - neben Disco Doom - am ehesten aus dem Rahmen des Programms. Claudia Privitera: «Wir haben uns nicht vorgenommen, im Programm nur Punk und Rock zu präsentieren, aber das Angebot der Schweizer Bands geht sehr oft in diese Richtung.» Demos anderer Stile hätten sie dieses Jahr nicht überzeugt. Maximal 300 Personen finden übrigens Platz im «Ziegel», meistens kämen zu den Ziischtigmusig- und zu den Rockwoche-Konzerten 100 bis 200 Personen, so Claudia Privitera: «Es gibt natürlich Leute, die die Rockwoche seit Jahren kennen und einfach kommen, aber die Zuschauerzahlen haben auch während des Jahres angezogen», dies im Vergleich zu vor fünf, sechs Jahren. Die Eintrittspreise der Rockwoche - zwanzig Franken für zwei Gruppen - liegen weiterhin unzürcherisch tief.

Klanglandschaften

Mein persönlicher Favorit im Programm ist Disco Doom, das Zürcher Quartett mit Wurzeln in Solothurn, Baden und Winterthur. Sie servieren Gitarren und Synthesizer à gogo, und zwar in zwei sehr verschiedenen Formaten: Einerseits spielen sie «funktionierende Popsongs», wie die Gitarristin Anita Rufer es nennt, und andererseits arbeiten sie in «elegischen, langen, nicht an die Liedform gebundenen Strukturen», die den Beteiligten Raum lassen, ein Stück zu entwickeln, sodass die Klangbilder aus sich selbst herauszufliessen scheinen. Weniger als drei Minuten dauert das kürzeste, zwölf das längste der Stücke ihrer neuesten Platte «Binary Stars».

Disco Doom probieren gerne aus, sie pflegen das musikalische Experiment auf der Grundlage neuer und neuerer Formen von Rock und Elektronik wie Lo-Fi und Postrock. Sie haben den Mut zum Lärm, zur Dissonanz, zum Wohlklang und zu seiner Auflösung. Der Begriff hat sich durch häufigen Gebrauch mittlerweile abgenutzt, trotzdem trifft er zu: «Soundscapes», Klanglandschaften. Anita Rufer, Gabriele De Mario, Daniel Nievergelt und der zurückgekehrte Reto Vogler haben im vergangenen Herbst von der Stadt Zürich ein Werkjahr zugesprochen erhalten: 42 000 Franken «für ihre seit gut acht Jahren betriebene Forschung an Soundskulpturen, mit welchen sie Unerwartetes und bisher Ungewohntes kreierten», wie es die Jury formulierte. Die vier beabsichtigen, die Auszeichnung in eine neue Produktion umzusetzen, vielleicht «in einem Haus am Meer drei Wochen lang am Stück aufnehmen», sagt Anita Rufer. Spur um Spur spielen sie ihre Stücke ein. Gelegentlich glückt ihnen ein Song innert zehn Minuten, für andere haben sie hingegen wochenlang aufgenommen, sie haben Geprobtes, Improvisiertes hinzugefügt, gelöscht, ergänzt, verändert. Disco Doom leben ein Abenteuer namens Rock. Aber ist ihre Musik wirklich Rock?

Rockwoche in:

Zürich, Rote Fabrik, «Ziegel oh Lac», Fr, 21. Jan, Speck, Krueger 23; Sa, 22. Jan, Disco Doom, Demolition Blues; Di, 25. Jan, Fuzzy Index, Body Snatchers, Catchpole; Fr, 28. Jan, Wake, Navel; Sa, 29. Jan, Pendleton, Spezialgast, jeweils 22 h. Infos: www.ziischtigmusig.ch