Wasserprivatisierung: Gefährliche Wasserspiele

Nr. 10 –

Der Bund beteiligt sich seit 2003 an einem EU-Projekt zur Wasserprivatisierung und evaluiert mögliche Szenarien für die Schweiz.

Seit drei Jahren befasst sich die EU mit Szenarien der Wasserprivatisierung. Das Grossprojekt «Euromarket» wird mit Millionenbeträgen aus der EU-Kasse finanziert, also von der europäischen Bevölkerung, aber nicht ausschliesslich: Auch Privatfirmen beteiligen sich an «Euromarket».

Was aber hat dieses brisante EU-Projekt mit der Schweiz zu tun? Auf den ersten Blick nichts: Die Schweiz gehört weder zur EU noch zum Europäischen Wirtschaftsraum. Vor allem aber ist Wasserprivatisierung nicht nur kein Thema in der Schweiz, es steht auch auf keiner offiziellen politischen Agenda. So zumindest beantworten die Bundesbehörden immer wieder Anfragen aus dem Parlament. Das beruhigt.

Ganz und gar nicht beruhigend ist hingegen, dass sich die gleichen Behörden seit 2003 an «Euromarket» beteiligen und Möglichkeiten zur Wasserprivatisierung in der Schweiz untersuchen. Dies bestätigt Matthias Finger, Professor für das Management von Netzwerkindustrien an der ETH Lausanne und Verantwortlicher der Schweizer Untersuchungen. Diese werden vom Bund subventioniert werden und sollen bis Ende Jahr abgeschlossen werden.

Die Untersuchungen der ETH Lausanne zur Trinkwasserversorgung der Schweiz folgen demselben Muster wie das EU-Projekt «Euromarket». Bei Letzterem geht es um eine umfassende Analyse der europäischen Wasserversorgung. Weder die Gewerkschaften noch die VerteidigerInnen des Service public machen sich Illusionen über den Zweck der Studie: Es soll ein gesamteuropäischer Wassermarkt entstehen, der sich - nach französischem Muster - in den Händen von multinationalen Unternehmen befindet. Die französischen Firmen Suez, Saur-Bouygues und Veolia gehören zu den weltgrössten Wasserunternehmen.

«Euromarket» ist ein sehr umfassendes Projekt», sagt Finger. Er koordiniert nicht nur die Untersuchungen auf EU-Ebene, sondern zieht auch die Fäden bei der Schweizer Forschung. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Jeremy Allouche, mit dem er 2003 das Water Institutions and Management Competence Centre (WIMCC) in Lausanne gegründet hat. Das WIMCC gehört zur ETH Lausanne.

Welche Szenarien hat die ETH Lausanne seit 2003 ausgearbeitet? Laut Finger bestehen aufgrund der kantonalen Gesetze, des komplexen Wasserversorgungsnetzes, der wichtigen Rolle der Gemeinden und der Zerstückelung der Infrastruktur wenig Möglichkeiten für private Investitionen, sprich Privatisierungen. «Wir haben mit Veolia diskutiert (dem weltgrössten Wasserunternehmen). Die sind offen gesagt nicht begeistert. Entweder sind die einzelnen Wasserversorgungseinheiten zu klein - es gibt zum Beispiel wenig Grossstädte - oder dann handelt es sich um zusammengefasste Dienstleistungen (Gas-, Strom- und Wasserversorgung unter einem Dach)», sagt Finger. Eine Trennung der Sektoren Energie und Wasser könnte laut ETH-Studie eine Privatisierung erleichtern.

Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) befasst sich mit dem Thema Wasserprivatisierung: Als Patricia Luis-Manso von der ETH Lausanne 2004 die Studie «Wasserinstitutionen und -management in der Schweiz» verfasste, wurde sie unter anderem von Dieter Rothenberger beraten, er ist beim Seco zuständig für Infrastrukturfinanzierung. Die Studie sei jedoch «nur zum internen Gebrauch bestimmt», sagt Finger. Und: «Sie stellt die Zusammenfassung aller in diesem Bereich seit 2003 getätigten Untersuchungen dar», sagt Jeremy Allouche. «Aber es gibt andere und komplettere Studien zum Thema, die alle vom Bund finanziert wurden.» Leider sind jedoch die Resultate dieser Untersuchungen in verschiedene Verteilungskanäle gelangt und deshalb praktisch nicht zugänglich für die Öffentlichkeit.

Die Forscher kommen in ihren bisherigen Untersuchungen zum Schluss, dass das Schweizer Wasserpotenzial enorm sei: Die Schweiz besitzt sechs Prozent der gesamten Frischwasserreserven Europas. Das sind 262 Milliarden Kubikmeter Wasser aus den Seen (51 Prozent), Gletschern (25 Prozent) und Grundwasser (21 Prozent). Die Forscher erinnern daran, dass das Gats-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO, also das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen - auch auf die (Schweizer) Wasserversorgung ausgedehnt werden könnte.

Bereits heute erlauben elf Kantone (Zürich, Luzern, Schwyz, Nidwalden, Zug, Freiburg, Basel, Tessin, Waadt, St. Gallen und Neuenburg) Privatunternehmen, auf dem Gebiet der Wasserversorgung tätig zu sein. Dies gilt auch für den Aufbau und Unterhalt von Infrastrukturen in diesem Bereich.