Alternative Medizin: Couchepins Luftröhre

Nr. 23 –

Gesundheitsminister Pascal Couchepin hielt seinen Rücken gerade, als er den Menschen im Fernsehen erklärte, weshalb er soeben fünf Methoden der Komplementärmedizin aus der Grundversicherung gestrichen habe. Ein einsamer Schweisstropfen rollte vielleicht den Hals hinunter, sonst deutete nichts darauf hin, dass ihm unwohl gewesen wäre.

Aber Couchepin muss gewusst haben, dass er zerfetzt werden würde. Und vor allem: Er wusste, warum.

Kein Mensch würde seine Zurechtbiegereien bei einem so unpopulären Entscheid durchgehen lassen. Couchepins offizielle Begründungen für den Entscheid lauteten:

• Die vom Bundesrat in Auftrag gegebene Studie habe bei allen fünf untersuchten alternativen Behandlungsmethoden Vorbehalte angebracht. (Die AutorInnen der Studie kamen laut «Tages-Anzeiger» jedoch zum Schluss, dass einige der Methoden «weitgehend positiv zu bewerten» seien. Das stand im Zwischenbericht vom März, der auf die Veröffentlichung hin noch frisiert wurde.)

• Die untersuchte Komplementärmedizin sei «im Sinne des Gesetzes nicht als wirksam und zweckmässig» zu betrachten. (Das ist Paragrafenversteckspiel. Die Kriterien - was gilt als wirksam und was nicht - sind nicht im Gesetz verankert. Es sind Couchepins Kriterien. Zudem würde es den kranken Menschen wenig interessieren, was Gesetze über die Wirksamkeit von Therapien sagen.)

Wer solche Ungereimtheiten allen Ernstes vertreten muss, dem staut sich das Unausgesprochene in der Luftröhre. Das Gute an Couchepin ist: Angestautes entlädt sich bei ihm immer. «Wie will ich in einigen Monaten die Streichung von Medikamenten rechtfertigen, wenn ich mich jetzt für den Verbleib der Komplementärmedizin entschieden hätte? Dann könnte ich nie mehr etwas streichen», sagte er etwas später, abseits der Kameras.

Couchepin könnte dann verkünden: «Schaut, die Krankenkassenprämien sinken.» Wer dann allerdings gegen Krankheit gleich gewappnet sein möchte wie heute, müsste Zusatzversicherungen abschliessen. Ein Interesse daran haben die meisten Krankenkassen. Gewinne dürfen sie nur mit den Zusatzversicherungen anpeilen, nicht aber mit dem Geschäft der Grundversicherung. Und auch die Privatspitäler sind daran interessiert. Für zusatzversicherte PatientInnen erhalten sie mehr Geld als für grundversicherte.

Als Nächstes will das Bundesamt für Gesundheit die Psychotherapie zurechtstutzen. Jene Disziplin also, die sich unter anderem für Menschen interessiert, bei denen chronisch nicht übereinstimmt, was sie denken und was sie sagen.