Nach «Hause» deportiert: Farewell, Buddy – auf Nimmerwiedersehen
Eine halbe Million EinwanderInnen schoben die USA in den letzten neun Jahren ab – davon auch über 600 auf die Azoren. Sie kommen in eine Heimat, die sie nicht kennen.
Als Nelson Resendes in der Woche vor Pfingsten auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen in New York die Pass- und Gepäckkontrollen passierte, beobachteten vier Augen sein Tun. Es waren nicht die seiner Mutter oder Brüder, sondern diejenigen von Sicherheitsbeamten der US-Homeland Security. Nelson, 24 Jahre alt, verliess soeben das Land, das «seines» war: die USA. Das Land, in dem er, abgesehen von den ersten drei Jahren, sein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte, das einzige Land, das er kannte. Sein Reiseziel: São Miguel, jene der neun Azoreninseln, von der seine Mutter herstammt.
Die Azoren (vgl. «Deportationen aus den USA» im Anschluss an diesen Text) sind eine autonome Region Portugals. Neun vulkanische Inseln mitten im Atlantik. Die am östlichsten gelegenen, Santa Maria und São Miguel, liegen rund 1500 Kilometer vor Portugal; von der westlichsten, Flores, sind es noch 3600 Kilometer bis zur Küste der USA. São Miguel ist mit 62 Kilometern Länge und rund 15 Kilometern Breite die grösste. 131 500 EinwohnerInnen leben auf ihr, knapp doppelt so viele sind es insgesamt auf den neun Inseln. Es waren auch schon mehr: Heute leben mehr AzorerInnen in den USA oder in Kanada als auf den Inseln selbst. Viele gingen während der portugiesischen Diktatur, aber auch nach der Nelkenrevolution. 1974 haben Armut und fehlende Perspektiven tausende von Inselfamilien den Atlantik in westlicher Richtung überqueren lassen. Seit 1996 kamen hunderte wieder retour – und sie werden nicht die Einzigen bleiben. Sie sind vorwiegend männlichen Geschlechts, sprechen kein Wort Portugiesisch und würden ein Leben auf diesen Inseln dem in den USA oder Kanada niemals vorziehen. Aber sie haben keine Wahl. Denn sie wurden deportiert. Nelson Resendes ist einer von ihnen.
«Ich verstehe nichts»
Wenn Nelsons Mutter gewusst hätte, dass ihr Sohn eines Tages in ihre Heimat zurückverfrachtet würde, hätte sie sicher Portugiesisch mit ihm gesprochen. Aber wer konnte das schon ahnen? Jetzt ist er hier an einem Ort, an den er nur noch vage Kindheitserinnerungen hat. Er lacht, als er in breitem amerikanischem Akzent «não entendo nada» sagt, «ich verstehe nichts». Dann wird er wieder ernsthaft. Er weiss, dass er kaum Aussichten hat, jemals legal in die USA zurückzukehren.
Nelson hatte zuhause in Ocala, Florida, das getan, wovor sich in den USA Lebende ohne Staatsbürgerschaft dieser Tage hüten sollten: Er hat gegen das Gesetz verstossen – und liess sich dabei erwischen. «Ich habe in meinem Umfeld Ecstasy verkauft», sagt er mit reuevollem Gesicht. «Eines Nachts rief mich ein junges Mädchen an. Sie war verkabelt. Das wars dann, ich kam in den Knast.» Wegen Drogenhandel, -verkauf oder sogar -konsum in die Hände der Polizei zu geraten, ist in den USA bereits Grund genug für eine Ausschaffung. Sich beim Autofahren in angetrunkenem Zustand oder beim Klau eines Donuts erwischen zu lassen ebenfalls. Denn seit dem Bombenanschlag in Oklahoma 1995 und erst recht seit dem 11. September 2001 sind in den Vereinigten Staaten Gesetze in Kraft, nach denen der lebenslange Landesverweis von ImmigrantInnen ein Leichtes ist: Die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder mehr genügt, bedingt oder unbedingt, und die Ausschaffung gilt mit rückwirkender Kraft.
Sie sind ein Problem
Dienstag, 17. Mai, ein Tag nach Pfingsten. Auf São Miguel sind die religiösen Feierlichkeiten zu Ende. «Wird auch langsam Zeit», sagt João, ein dickbauchiger Mittfünfziger mit langem, grauem Haar. Er sitzt, wie jeden Tag, an einem Trottoirtisch seines Lieblingscafés im Zentrum von Ponta Delgada, der Hauptstadt São Miguels. Die Ortschaft ist mit ihren 20 000 EinwohnerInnen nicht nur die grösste São Miguels, sondern überhaupt der ganzen Azoren. João ist Dichter und nach eigener Aussage einer der wenigen Atheisten auf der Insel. «Hier ist die Kirche gesellschaftlich noch bestimmender als auf dem Festland», sagt er, bevor er sich über seinen dritten Galão, die portugiesische Variante des Milchkaffees, beugt und seinen Kopf wieder hinter der Zeitung versteckt. Auf die vielen Deportierten auf der Insel angesprochen, grunzt er ein «Ja, die sind ein Problem». Alkoholiker, die eine Menge Lärm veranstalten würden, fügt er an, dann ist das Thema für ihn erledigt.
Tatsächlich muss man in Ponta Delgada schon genauer hinsehen, um zwischen den schmucken weissen Hausfassaden und den äusserst liebenswerten Menschen auffallende Gestalten auszumachen. Zwar kauern für eine Stadt dieser Putzigkeit überraschend viele Obdachlose in vom Wind geschützten Ecken und Hauseingängen, und die Polizei ist auch in jeder Gasse anzutreffen, aber Englisch sprechen nur TouristInnen – oder ExilazorerInnen. Letztere waren hergekommen, um anlässlich des wichtigsten religiösen Festes der Insel, der Festa do Senhor Santo Cristo dos Milagres, ihre nicht ausgewanderten Verwandten zu besuchen. Von überall würden die Emigrierten zu dieser Zeit, jeweils fünf Wochen nach Ostern, herreisen, heisst es, insbesondere die Direktflüge aus den USA und Kanada seien dann bis auf den letzten Platz besetzt.
Für Nelson war noch ein Platz frei. Aber anders als die Heimwehgläubigen, die am Flughafen von Ponta Delgada von freudigen Familienmitgliedern in Empfang genommen wurden, konnte er nur darauf hoffen, dass die Frau vom Obdachlosenheim auch wirklich dort stehen würde, wie ihm versprochen wurde. Denn Geld hatte er fast keines mehr, nur noch das, das ihm seine Mutter – nebst den neuen Turnschuhen der Marke Nike und den Bluejeans – noch mit auf den Weg gegeben hatte.
Zwar hat Nelson auch Verwandte auf den Azoren, eine Tante und einen Onkel. Die hatten sich anfänglich sogar begeistert gezeigt, als sie hörten, er komme auf die Insel, berichtet Nelson, drei Tage nach seiner Ankunft auf einer Steintreppe mit Blick aufs Meer sitzend. «Aber als sie dann erfuhren, dass ich nicht aus freien Stücken herkomme, sondern als «Deportierter», verflog die Freude.» Sie hätten gefragt: «Du willst bei uns wohnen?» Nein, nein, das gehe nicht! Für Deportierte sei extra ein Heim eingerichtet worden, da solle er hin. Da würden sie gut für ihn sorgen, habe dann die Tante der Mutter von Nelson von Telefon zu Telefon gesagt.
Fast nur Männer
In besagtem Heim, dem Centro de Suporte Social à Mobilidade Humana, lebt Nelson nun. Aber nur vorübergehend. Die Institution, ein zweistöckiges Haus am westlichen Rand von Ponta Delgada, unweit des kleinen, aber modernen Flughafens, hat weder räumlich noch personell genügend Kapazitäten, um alle Rückgeschafften über längere Zeit zu beherbergen und zu betreuen. 36 waren es 2003, bereits 49 letztes Jahr, berichtet Telma Silva. Die meisten seien Männer, nur jede zehnte eine Frau. Telma hat die Entwicklungen in den USA mitverfolgt – die Konsequenzen der dortigen Politik spürt sie hier auf São Miguel deutlich: «1982 wurde erstmals ein Mann aus den USA auf die Azoren deportiert. In den darauffolgenden Jahren kamen weitere dazu, aber nur wenige. Ab 1996, nach dem Anschlag in Oklahoma und der Inkraftsetzung des Antiterrorism Act, hat die Zahl der Deportierten plötzlich massiv zugenommen. Und seit dem Patriot Act, also seit drei Jahren, ist es noch einmal schlimmer geworden.» Das Center für die Obdachlosen und Deportierten wurde 1998 eröffnet. Die 29-jährige Telma begann während ihrer Studienzeit als Praktikantin hier zu arbeiten, mittlerweile ist sie die Leiterin des Hauses. In ihrem Büro hängt eine riesige Karte der USA, Englisch spricht sie wie viele hier ohne Schwierigkeit. «Jeder, der aus den USA deportiert wird und azorischer Abstimmung ist, wird auf genau die Insel zurückgeschickt, von der seine Familie herkommt. Bevor einer nach São Miguel deportiert wird, werden wir vom portugiesischen Konsulat benachrichtigt. Wir klären dann zuerst ab, ob es Verwandte gibt, die ihn aufnehmen. Viele haben zwar Tante, Onkel oder Grosseltern, aber die wollen in der Regel nichts von ihnen wissen. Also kommen sie hierher ins Heim. Wir kümmern uns dann um ihre Integration in die Gesellschaft – was sehr schwierig ist.»
Die meisten Deportierten hätten etwas mit Drogen zu tun gehabt. Zwar seien alle clean, wenn sie auf São Miguel ankommen, aber in den Augen der Einheimischen seien sie Kriminelle, Verbrecher. «Zu Beginn war es sehr hart», sagt Telma, «es gab keine Institution wie die unsere, ja überhaupt keine Hilfe. Diese Menschen landeten auf der Strasse und sorgten vom ersten Tag ihrer Ankunft an für Probleme. Kein Wunder, dass es dann, wenn irgendwo ein Laden ausgeraubt wurde, hiess: Ein Deportierter wars! Aber das ändert sich nun langsam. Zwar gibt es immer noch die fünf Prozent Alkoholiker, die in den Augen der Leute repräsentativ sind für alle Deportierten, aber man nimmt langsam auch die andern wahr.»
Rund zwei Dritteln der Heimbesucher hätten sie Arbeit vermitteln können, manche hätten sogar geheiratet, eine Familie gegründet. Das restliche Drittel landete im Gefängnis. Ein Dazwischen scheint es nicht zu geben. Telma sagt, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft zunehme, und hofft, dass sich die Deportierten einfacher und schneller eine Zukunft auf dieser Insel vorstellen können.
Eigentlich, denkt sich jede Kurzbesucherin der Azoren, müssten diese Menschen mit ihrem Hang zum religiösen Pathos und Kitsch ihre verlorenen Neffen, Nichten und Enkelkinder doch mit ausgestreckten Engelsflügeln auffangen. Aber so scheint der konservativ-katholische Glaube hier nicht zu funktionieren.
Vielleicht sind die Natur, die Vulkane, die immer wieder auftretenden Erdbeben, das Meer, der Wind eine ständige Bedrohung, vielleicht ist es auch die Abgeschiedenheit, die die Leute zwar gläubig und scheinbar grossherzig macht, aber auch ängstlich.
Positive Veränderungen
Letzteres trifft ganz bestimmt nicht auf Telma zu. Mit beneidenswerter Zuversicht schildert sie kleine, positive Veränderungen in der Gesellschaft: dass Homosexualität nicht mehr so verpönt sei, dass viele Jüngere sich tätowieren liessen – etwas, das bislang als Erkennungsmerkmal der Deportierten galt. Aber es gäbe noch viel zu tun, sagt Telma: «Die Einheimischen sehen nicht, von welcher Tragik diese Schicksale sind. Das Bewusstsein dafür muss erst noch wachsen.»
Dass Nelson erst 24 Jahre alt, ledig und kinderlos ist, dass er nie ein Gewaltverbrecher war, zuversichtlich einer Zukunft ohne Drogenkonsum entgegenblickt, dass er die Deportation als zweite Chance im Leben betrachtet und Lust hat, noch einen Beruf zu lernen – all das macht aus ihm einen vergleichsweise «harmlosen» Fall. «Es gibt Deportierte», sagt Telma, «die hinterlassen in den USA eine Frau, die nie einen Beruf gelernt hat, weil es selbstverständlich war, dass eine Frau als Erstes Hausfrau, als Zweites Mutter und schliesslich noch Ehefrau ist. Mehr nicht.» Diese Frauen, von einem Tag auf den andern auf sich alleine gestellt, müssen nicht nur ihrem Umfeld erklären, wo der Mann geblieben ist, sondern dazu auch noch plötzlich ihr eigenes Geld verdienen – ohne Ausbildung, ohne Erfahrung, ohne Kontaktnetz. Nur in wenigen Fällen würden Frauen und Kinder auf die Azoren nachkommen, sagt Telma, «Unsicherheit und Angst sind gross». Ausserdem kämen die Deportierten oft aus schwierigen familiären Verhältnissen: zerrüttete Ehen, häusliche Gewalt.
Aus solchen Verhältnissen kämen auch die meisten Frauen, die aus den USA zurückgesandt werden, sagt Telma: «Viele wurden von ihren Vätern oder Männern misshandelt. Wenn sie dann letztlich hier ankommen, fehlt ihnen jegliches Selbstwertgefühl.» Erklärungsversuche, wie es in Beziehungen und Familien so weit kommen kann, gibt es zuhauf. Bei Emigrantenfamilien von den Azoren, so glaubt Telma, trügen zweierlei Faktoren dazu bei: Erstens würde hier, wo Bauern ihre eigenen Reben pflegten, den Söhnen schon im Kindesalter während der Arbeitspausen auf dem Feld Wein eingeschenkt, der Alkoholkonsum sei immer schon ein Problem gewesen. Zweitens hätten es neu zugezogene ImmigrantInnen in den USA schwer gehabt: harte Arbeitsbedingungen, wenig soziale Kontakte, eine fremde Kultur und die entsprechenden Anpassungsschwierigkeiten.
In den USA laufen mittlerweile Anstrengungen, die ImmigrantInnen besser über Rechte und Gefahren zu informieren. Zum Beispiel in New Bedford, Massachusetts, einer Ortschaft südlich von Boston. Hier – wie auch in Fall River, ebenfalls im US-Bundesstaat Massachusetts – stammen rund siebzig Prozent der EinwohnerInnen ursprünglich von den Azoren. Im Immigrants' Assistance Center ist man alarmiert über die Beschneidungen der Grundrechte von ImmigrantInnen seit Inkrafttreten der Antiterrorgesetze – und aktiv daran, noch nicht Eingebürgerte dazu zu bewegen, die US-Staatsbürgerschaft zu beantragen. Denn «erst wer eingebürgert ist, kann nicht mehr ruck, zuck deportiert werden», sagt Telma. Und erklärt den Umstand, dass im Vergleich zu ImmigrantInnen anderer Herkunft überdurchschnittlich viele AzorerInnen noch immer mit einem Ausländerstatus in den USA leben, so: «Viele dieser Leute siedelten zu Zeiten der Diktatur über. Sie haben nie die Erfahrung gemacht, dass man als Individuum Rechte hat – und diese einfordern kann.»
Zurück nach Kanada?
Nelson sagt, dass auch sein älterer Bruder bislang keine Dringlichkeit sah, sich um die Papiere zu bemühen. «Meine Deportation ist ihm hoffentlich eine Lehre», sagt er und tut so gut gelaunt, als ob er noch am selben Abend an der fettesten Party in Ocala, Florida, abtanzen würde. Ist er so optimistisch, wie es den Anschein macht? Nelson blickt aufs Meer hinaus, schweigt eine Weile und sagt dann: «Ja.» Kann er sich vorstellen, hier auf São Miguel zu blieben? «Hier? No way! Ich werde versuchen, nach Kanada reinzukommen. Da sind sie nicht so tough wie bei uns.» Dass dieses Vorhaben scheitern könnte, hat ihm vermutlich noch niemand zu sagen gewagt. Kanada, das von hier aus gesehen ein paar tausend Kilometer in nordwestlicher Richtung liegt, verfügt über ähnliche Gesetze wie die USA und deportiert ebenfalls fleissig ImmigrantInnen, wenn auch niemals so viele wie die Vereinigten Staaten: Rund zwanzig Prozent der auf São Miguel Gelandeten kämen aus Kanada, berichtete Telma zuvor in ihrem Büro, und: «Die Kanadier sind humaner.» Nelson könnte sich auch vorstellen, nach Frankreich zu ziehen, dort verdiene man wenigstens ein bisschen besser als hier auf diesen Inseln. Die Heimleiterin Telma muss schmunzeln. «Jaja, schon, aber dafür kostet alles auch ein bisschen mehr», sagt sie, und dann noch: «Komm erst mal an, du bist ja erst seit drei Tagen hier.»
Deportationen aus den USA
Der 1996 nach dem Bombenanschlag von Oklahoma in Kraft gesetzte Antiterrorism Act erleichtert und beschleunigt die Festnahme und Abschiebung von Nicht-US-BürgerInnen: NichtstaatsbürgerInnen, die zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt werden, können für immer des Landes verwiesen werden, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Zur Deportation können auch geringe Delikte wie Ladendiebstahl oder Fahren in angetrunkenem Zustand führen. Berufung ist praktisch nicht mehr möglich. Da das Gesetz sogar rückwirkend gilt, können ImmigrantInnen auch für Delikte, die noch vor Inkrafttreten des Antiterrorism Act begangen wurden, deportiert werden. So wurden in den letzten neun Jahren mehr als 500000 ImmigrantInnen aus den USA abgeschoben.
Davon sind auch in den USA Lebende mit Schweizer Pass betroffen: Ungefähr zwanzig Personen wurden gemäss EDA im Jahr 2004 in die Schweiz deportiert. Als Gründe werden unter anderem Einbrüche, Verstoss gegen das Immigrationsgesetz und Sex mit Minderjährigen genannt. Die Betroffenen wurden in der Zeit ihrer Inhaftierung in den USA von VertreterInnen der Schweizer Konsulate betreut. Eine Zunahme im Zusammenhang mit den gesetzlichen Verschärfungen durch den Patriot Act gab es gemäss EDA nicht. Auch hätten die Deportationen nicht zu Missstimmungen auf diplomatischer Ebene geführt.
Anders sieht es in Staaten Lateinamerikas aus, die stärker von den Ausschaffungen betroffen sind. Das Ausmass der Konsequenzen dieser Gesetzesverschärfungen in den USA recherchierte der «Associated Press»-Journalist Randall Richard in mehreren betroffenen Ländern, darunter Honduras, Jamaika und auch auf den Azoren. Der Bericht kommt zu einem ungemütlichen Resultat: Mit den Deportationen, von denen in grossem Ausmass auch Mitglieder krimineller Gangs betroffen sind, «exportieren» die USA Probleme in Länder, die diese Herausforderung kaum bewältigen können. Nach Guyana beispielsweise, dem gerade mal 765 000 EinwohnerInnen zählenden Kleinstaat in Südamerika, schickten die USA bereits über 600 Menschen.
Waren dort Banküberfälle, Entführungen und Drive-by-Shootings zuvor relativ unbekannt, gehörten sie mittlerweile zum Alltag, schreibt Richard. Auch in Honduras habe die Kriminalität stark zugenommen. In dem Land, in das zwischen 1996 und 2003 rund 7000 Menschen aus den USA deportiert wurden, hätten die Morde innerhalb von nur drei Jahren beinahe um ein Sechsfaches zugenommen.