SPANISCHER BÜRGERKRIEG: Kicken für die Republik
SportlerInnen als KämpferInnen der Internationalen Brigaden, bombardierte Vereinshäuser, die «Internationale» im Stadion: Auch Sport war im Krieg zwischen DemokratInnen und FranquistInnen im Spanien der dreissiger Jahre ein Schlachtfeld.
«Der Startschuss, der den Beginn friedlichen Messens der Kräfte in den Stadien einleiten sollte, wurde von den Faschisten vorweggenommen und in das Rattern der Maschinengewehre, den Donner der Kanonen und die Explosionen der Fliegerbomben umgewandelt.» Mit diesen Worten erinnerte sich 1937 die Zeitschrift «Rundschau» an das Schicksal der Olimpiada Popular, die ein Jahr zuvor in Barcelona als Gegenveranstaltung zur von den Nazis vereinnahmten Olympiade in Berlin hätte stattfinden sollen. Die innerhalb dreier Monate organisierten Spiele, zu denen 6000 AthletInnen aus 23 Staaten und Kolonien erwartet wurden, hätten siebzehn Sportarten umfassen sollen, darunter auch Fussball und Rugby. Zwei Tage vor der Eröffnung, am 18. Juni 1936, begann aber der Putsch der in Spanisch-Marokko stationierten Armeeeinheiten unter General Franco gegen die demokratisch gewählte Volksfrontregierung, der den Bürgerkrieg auslöste. Am Eröffnungstag war Barcelona Schauplatz blutiger Strassenkämpfe zwischen aufständischen Armeeeinheiten und eilig aufgestellten ArbeiterInnenmilizen. Die Volksolympiade, geplant als Fest des Friedens und der Völkerverbrüderung, konnte nicht stattfinden. Zahlreiche ausländische AthletInnen blieben dennoch in Spanien und schlossen sich den antifaschistischen Internationalen Brigaden an.
Im August 1936 wurde der Präsident des FC Barcelona, Josep Suñol, von franquistischen Soldaten ermordet. Suñol war für die linksnationalistische Esquerra Republicana de Catalunya Parlamentsabgeordneter gewesen, und sein Verein war den Putschisten als Symbol katalanischer Selbständigkeitsbestrebungen ein Dorn im Auge; 1938 bombardierten sie das Vereinshaus. Trotz des Krieges wurde aber weiterhin gekickt. 1937 übersiedelte der Fussballverband von der bedrohten Hauptstadt ins sicherere Barcelona. Kurz darauf gründeten Franco-Anhänger einen zweiten Verband. Daraufhin anerkannte der Weltfussballverband Fifa auf italienisches Betreiben auch den franquistischen Verband, obwohl gemäss ihren Statuten nur ein Verband pro Land Fifa-Mitglied sein konnte. An eine gesamtspanische Fussballmeisterschaft war während des Bürgerkriegs nicht zu denken, in der republikanischen Zone fanden aber 1936/37 eine katalanische und eine «levantische» Meisterschaft statt. Die Spitzenteams dieser Meisterschaften spielten zudem in einer Liga del Mediterráneo, in der der FC Barcelona gewann. In der folgenden Saison war auch dies nicht mehr möglich. Nur in Katalonien konnte noch ein Spielbetrieb aufrechterhalten werden. Daneben gab es Demonstrationsspiele zur Unterhaltung beurlaubter Truppen.
Nicht nur im Innern spielte der Fussball während des Bürgerkriegs eine Rolle, sondern auch als Medium der internationalen Solidarisierung mit der Spanischen Republik. 1937 wollte eine britische Arbeiterfussballauswahl zu diesem Zweck eine Tournee durch die republikanische Zone unternehmen, was vom Foreign Office aber untersagt wurde. Während Nazideutschland und das faschistische Italien, die ebenfalls Mitglieder des Nichtinterventionsabkommens vom September 1936 waren, dieses grosszügig auslegten und den Putschisten in grosser Zahl Truppen und Kriegsmaterial zur Verfügung stellten, glaubte die britische Regierung, nicht einmal eine Solidaritätsgeste linker Fussballer erlauben zu dürfen.
Hingegen reisten verschiedentlich spanische Sportdelegationen ins Ausland. An der Arbeiterolympiade 1937 im belgischen Antwerpen waren die spanischen SportlerInnen die grossen HeldInnen. Bei ihrer Ankunft wurden sie von einer mehrtausendköpfigen Menge erwartet, die bei der Einfahrt des Zuges die «Internationale» anstimmte. Als die SpanierInnen mit erhobenen Fäusten dem Zug entstiegen und sich hinter der Fahne der Spanischen Republik einen Weg durch die Menge bahnten, brauste ihnen ein Chor von «¡No pasarán!»-Rufen entgegen. Auch an der Weltausstellung in Paris im selben Jahr, an der im spanischen Pavillon Picassos monumentales Antikriegsbild «Guernica» die Zerstörung der baskischen Stadt durch deutsche Bomber anklagte, war der spanische Sport vertreten. Eine Auswahl der republikanischen Zone besiegte dabei den schweizerischen Arbeiterfussballmeister Sportfreunde Basel mit 3:2.
Für Furore sorgte eine baskische Auswahl, die zugunsten republikanischer Flüchtlinge durch Europa und Lateinamerika tourte. Das Team mit dem Namen Republik Euskadi bestand aus Spitzenspielern namentlich vom Athletic Club Bilbao, dem Meister der Jahre 1930, 1931, 1934 und 1936. Der Verein hatte sich unter dem Einfluss des erstarkenden baskischen Nationalismus seit 1919 ausschliesslich auf baskische Spieler gestützt und galt als Symbol für die Eigenständigkeit des Baskenlandes. 1937/38 trug das Euskadi-Team zahlreiche Spiele in Frankreich, der Tschechoslowakei, Polen, der Sowjetunion, Norwegen, Dänemark, Mexiko, Kuba und Chile aus. In der Sowjetunion, die aufgrund der Passivität der westlichen Demokratien immer grösseren Einfluss auf die republikanische Seite erlangte, spielten die Basken innert sechs Wochen neun Partien in Moskau, Kiew, Tiflis und Minsk vor teilweise über 90 000 ZuschauerInnen. Nachdem sie die ersten vier Partien in Moskau unbesiegt geblieben waren, wurden sie im letzten Spiel gegen Spartak Moskau vom Schiedsrichter klar benachteiligt und verloren mit 2:6. Der Ref durfte in der Folge nie mehr eine Partie pfeifen - nicht etwa, weil er das sowjetische Team bevorzugt hatte, sondern weil einflussreiche Kreise um Geheimdienstchef Lawrentij Berija es nicht verwinden konnten, dass die Ehre des sowjetischen Fussballs von Spartak gerettet worden war und nicht von dem von ihnen unterstützten Dynamo Moskau.
Nach dem Ende des Bürgerkriegs flohen zahlreiche RepublikanerInnen nach Mexiko, das neben der Sowjetunion als einziges Land die Spanische Republik direkt unterstützt hatte, darunter auch eine stattliche Anzahl von Fussballern. Einige davon schlossen sich dem von Spaniern gegründeten Spitzenverein Asturias Club an. Auch die baskische Auswahl blieb in Mexiko und nahm 1939 an der mexikanischen Meisterschaft teil. Einige Spieler wechselten in der Folge zu argentinischen Profivereinen, andere blieben in Mexiko. Vom FC Barcelona suchte etwa die Hälfte der Spieler Asyl in Mexiko oder in Frankreich.
In Spanien selbst bemühten sich die neuen Machthaber um eine rasche Wiederaufnahme des Spielbetriebs, der den Übergang zur Normalität verdeutlichen sollte. Noch 1939 wurde eine «Copa del Generalísimo» veranstaltet, in deren Endspiel der Verein aus des Generalísimos galicischer Heimatstadt Ferrol gegen Sevilla mit 2:6 verlor. 1939/40 nahm auch die Profiliga ihren Betrieb wieder auf. Gewinner der beiden ersten Nachkriegsmeisterschaften wurde der vom Militär favorisierte neue Verein Atlético Aviación, der in einer Fusion aus Atlético Madrid und dem Luftwaffenklub Aviación Nacional gebildet worden war. 1940 setzten die Behörden mit Enrique Piñeyro y de Queralt einen francotreuen Aristokraten als Präsidenten von Barcelona ein. Der Verein hispanisierte seinen Namen von Futbol Club in Club de Fútbol und entfernte die katalanischen Nationalfarben aus dem Vereinswappen. 1941 verbot das Regime nichtspanische Namen, sodass sich auch der Verein der baskischen Metropole in Atlético de Bilbao umbenennen musste.
Der Länderspielbetrieb wurde 1941 wieder aufgenommen. Im Frühjahr trug Spanien zwei Partien gegen das ideologisch verwandte Portugal aus. Zum Jahreswechsel 1941/42 reiste dann die Schweizer Nationalmannschaft für zwei Freundschaftsspiele auf die iberische Halbinsel. Am 28. Dezember verloren die Rotjacken in Valencia gegen Spanien 2:3. Unter den 30 000 ZuschauerInnen befanden sich auch mehrere Würdenträger des Franco-Regimes. Am Neujahrstag folgte nach dreissigstündiger Bahnfahrt in Lissabon ein 0:3 gegen Portugal. Damit leistete die Schweiz, die die Franco-Regierung schon im Februar 1939, einen Monat vor dem Fall Madrids, offiziell anerkannt hatte, nun auch im sportlichen Bereich Pionierarbeit für die internationale Akzeptanz des neuen Regimes.