RUDOLF BAHRO: Glaube an das Veränderbare
Eine Biografie des streitbaren Gründungsmitglieds der deutschen Grünen beschreibt den widersprüchlichen Werdegang des linken Vordenkers.
Rudolf Bahro (1935-1997) gehört zu den markantesten und umstrittensten Personen der jüngeren deutschen Zeitgeschichte. «Ökofaschismus» schimpften seine GegnerInnen, und Bahro selbst wurde als «grüner Adolf» tituliert. Bahro, Gründungsmitglied der deutschen Grünen, trat für Selbstbestimmung, eine kommunitäre Subsistenzwirtschaft und eine ökologische Erneuerung ein. Ihn trieb die Frage um, warum der Mensch sich selbst und die Erde zerstört, und er thematisierte, wie persönliches Machtstreben das eigene Handeln korrumpiert.
Sein Einsatz für einen zivilgesellschaftlichen dritten Weg und seine Ausstrahlung trugen nicht nur in der ehemaligen DDR zum Aufbruch bei. Als Antwort auf den Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei (1968) veröffentlichte Bahro sein Buch «Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus» (1972), was zu einer längeren Gefängnisstrafe führte, gegen die Heinrich Böll, Rudi Dutschke und weitere in der ganzen Welt protestierten. Gregor Gysi verteidigte Bahro vor Gericht. Später aus der DDR ausgewiesen, gründete Bahro 1980 mit Petra Kelly und andern die Grünen, die er nach fünf Jahren wieder verliess. Zuvor habilitierte er an der Universität Hannover in Sozialphilosophie. Nach der Wende kehrte Bahro in die frühere DDR zurück. An der Berliner Humboldt-Universität, an der er einst studiert hatte, arbeitete er nun im Institut für Sozialökologie an der Theorie eines sozialökologischen Umbaus, die er auch in konkreten Ökogemeinschaften verwirklichen wollte. Seine Provokationen sorgten für viele Schlagzeilen und Anfeindungen. 1997 starb Bahro kurz nach dem Suizid seiner Gefährtin.
Tot und vergessen?
Am 18. November 2005 veranstalten das Rudolf-Bahro-Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, die Heinrich-Böll- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Symposium. Anlass ist der 70. Geburtstag von Rudolf Bahro. Laut Einladung geht es um «sozialökologische Innovationen für eine zukunftsfähige Lebensweise». Der Titel drückt aus, wofür er sich einsetzte. Guntolf Herzberg und Kurt Seifert dokumentieren sein Werk in ihrer eindrücklichen Biografie «Glaube an das Veränderbare», die neu als Taschenbuch vorliegt. Sie beschreiben den widersprüchlichen Werdegang Bahros, erhellen Privates und Politisches in faszinierender Weise - mit vielen Fakten, ansprechend, respektvoll und mit der nötigen Distanz. Die gebundene Ausgabe erschien bereits 2002 im Berliner Links-Verlag. Als ich kurz nach deren Herausgabe den Feuilletonchef einer Tageszeitung fragte, ob ihn das Buch interessiere, entgegnete er, Bahro sei doch schon tot und vergessen.
Bahro kam am 18. November 1935 als Sohn eines Landwirts im heute polnischen Bad Flinsberg zur Welt. Als Flüchtlingskind gelangte er während des Zweiten Weltkriegs nach dem Verlust seiner Mutter und seiner beiden Geschwister in die spätere DDR. Wie das Leben nun weitergehe, fragte sich der Jugendliche Rudolf 1953 mit Tränen in den Augen nach dem Tod Stalins. Er befand sich damals auf dem Weg zum strammen Mitglied der SED, mit der er später brach. Heute ruht Bahro auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof in Berlin neben Hegel, Fichte, Bertolt Brecht und Johannes R. Becher, über dessen Verhältnis zur Arbeiterklasse er 1959 seine Diplomarbeit verfasste.
Guntolf Herzberg und Kurt Seifert: Rudolf Bahro, Glaube an das Veränderbare. Eine Biographie. Aufbau Taschenbuchverlag, Berlin 2005. 661 Seiten, 23 Franken