Sparmassnahmen: Rote, gelbe, teure Lappen

Nr. 44 –

Zwanzig Büros, fünf Korridore, fünf Treppen und zehn Toilettenanlagen in drei Stunden sauber: Ein neues Putzkonzept soll dem Bund beim Sparen helfen - und setzt das Personal unter Druck.

«Die da oben haben wohl zu viel Zeit, dass sie sich so einen Blödsinn ausdenken», sagt die 45-jährige Putzfrau Irina Petrov (Name geändert) entrüstet. Sie arbeite nun schon seit fünfzehn Jahren beim Bund, doch so etwas habe sie noch nie erlebt. Seit der Bund im Rahmen des neuen Gebäudereinigungskonzepts GERE 05 Anfang Oktober die meisten Verträge mit privaten Putzfirmen und Temporärbüros gekündigt hat, muss Petrov Unmögliches leisten: In ihr «Revier» fallen zwanzig Büros, fünf Korridore, fünf Treppen und zehn Toilettenanlagen (für Letztere macht sie teilweise die Kontrollreinigung, wobei insbesondere bei den WCs die Kontrolle einer Vollreinigung gleichkommt). Die dafür vorgesehene Putzzeit: drei Stunden - eine Pause gibt es nicht. Das reduzierte Reinigungspersonal hat vom zuständigen Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) die Weisung erhalten, Prioritäten zu setzen und an den Ordnungswillen der Büroangestellten zu appellieren: In den Büros dürfen gebrauchte Tassen und Gläser nicht mehr vom Reinigungspersonal weggeräumt, PET-Flaschen nicht mehr entsorgt und volle Aschenbecher nicht mehr geleert werden. Auch Bananenschalen oder Apfelreste, die - statt in den neu dafür vorgesehenen Eimern in den Toiletten - im Abfallbehälter neben dem Schreibtisch gelandet sind, müssen liegen gelassen werden. Reklamationen seitens der Büroleute sind vorprogrammiert. «Dieses Konzept funktioniert einfach nicht», so Petrov, «es wurde von irgendwelchen Theoretikern entwickelt, die keine Ahnung vom Putzen haben.»

Insbesondere die US-amerikanische Firma Johnson Diversey lieferte ein paar Ideen für das umstrittene Reinigungskonzept, mit dem der Bund jährlich rund 1,5 Millionen Franken sparen will. Johnson Diversey ist nicht nur weltweiter Anbieter von «ganzheitlichen Hygienekonzepten», sondern auch von Reinigungsprodukten (Marke Taski): So verkaufte Johnson den rund 35 ReinigungsleiterInnen beim Bund letztes Jahr in einem Seminar neben Tipps fürs effiziente Putzen denn auch gleich die entsprechende Putzausstattung (der Bund ist ein grosser Abnehmer von Johnson-Artikeln). Beispielsweise die Reinigungswagen mit - entsprechend dem neu entwickelten Farbsystem - rotem (WC und Pissoir), gelbem (der übrige Sanitärbereich), blauem (allgemeine Oberflächen und Mobiliar) und grünem (Bodenbeläge) Wassereimer. Auch die Mikrofasertücher tragen entsprechende Farben: Diese Tücher haben, wie die 600 Putzprofis des Bundes im Rahmen der intern durchgeführten Theorie- und Praxiskurse erfuhren - wo sie insbesondere in die Wissenschaft der Mikroorganismen und in die «Kunst der Lappenfaltung» eingeführt wurden -, nur einen Nachteil: «Gute Mikrofasertücher sind teuer.» Würde man nicht besser weniger Geld für Putzseminare und Putzmaterialien ausgeben, statt beim Reinigungspersonal zu sparen? «Das Billigste ist nicht immer das Beste», sagt Danila Feldmann, Kommunikationsverantwortliche des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL), die über die Ausgaben für Produkte oder Dienstleistungen von Johnson keine Auskunft geben will. «Die Schulungen dienen der Vermittlung einer effizienteren Arbeitstechnik, für die genau abgestimmte Putzmaterialien erforderlich sind, die unseren ökologischen Anforderungen entsprechen.» So wurde der Allzweckschaumspray Sprint Multi Professional von Johnson, der jahrelang verwendet wurde, plötzlich eingesammelt und ins Lager verbannt - er ist ziemlich unökologisch und gehört in die Giftklasse 5.

Angesprochen auf den Deobefehl für das Putzpersonal (es wurde von Bundesrat Hans-Rudolf Merz angewiesen, parfümfreie Deos zu benutzen und regelmässig zu duschen), gab Merz-Pressesprecher Dieter Leutwyler der Gewerkschaftszeitung «work» im Oktober zur Antwort, verschiedene Bundesangestellte hätten sich beschwert, «dass es nach dem Einsatz des Putzpersonals jeweils noch längere Zeit in ihren Büros nach deren penetranten Deos rieche». Ob es nicht eher die Putzmittel waren?

«Kennen Sie die Gefahren der Produkte?», steht im Suva-Prospekt, der dem Putzpersonal ausgehändigt wurde. «Darüber wurden wir kaum informiert», sagt Petrov, die auf verschiedene Reinigungsmittel allergisch regiert. Die Reinigungsangestellten haben zwar gewisse Produkteinformationen erhalten, doch die jeweiligen Gefahrenhinweise sind ungenau. Das im «Sicherheitsdatenblatt» der Johnson als ätzend deklarierte Putzmittel Caletin (für Toiletten und Pissoirs) wird etwa in den Unterlagen des Bundes bloss als reizend bezeichnet, das als reizend geltende Taski 300 enthält keinerlei solchen Vermerk. Dafür wird dem Reinigungspersonal auf einem separaten Merkblatt geraten: «Um eine Keimverschleppung über die Hände zu verhindern, waschen Sie die Hände vor und nach der Arbeit, vor und nach Pausen, nach jedem Toilettenbesuch, nach dem Ausziehen der Handschuhe, bei jeder sichtbaren Verschmutzung.»

«Frau Petrov, Sie haben zu wenig Wasser in Ihrem Eimer», sagt die vorbeigehende Objektchefin. Denn darüber, dass das Reinigungspersonal die im Putzseminar vermittelten Theorien genau anwendet, wacht ein ganzes Heer von Führungsleuten: Da sind 23 Objektchefs, fünf Reinigungsinspektoren, fünf Reinigungscenterleiter, ein Reinigungsleiter und eine Ressortleiterin (dazu kommen noch zwei Reinigungspersonalverantwortliche). Ist dieser ganze Kontrollapparat notwendig? «Wir wissen auch nicht, was die alle machen», so Irina Petrov. «Wir wissen nur, dass wir nichts mehr zu sagen haben.»

Sogar mit den Büroangestellten zu sprechen, sei ihnen neuerdings verboten. «Das ist die reinste Diktatur.» Petrov betrachtet nachdenklich den fein säuberlich ausgearbeiteten Grundrissplan ihres «Reviers»: «Es heisst, durch die neuen Massnahmen würden unsere Arbeitsplätze gesichert, aber ich glaube, die wollen uns einfach nur loswerden.»