Gentech-Moratorium: Siegreiche Koalition

Nr. 48 –

Volk und Stände haben Ja gesagt. Ein seltener Fall, da Initiativen meistens scheitern. Hanspeter Kriesi, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, erklärt, weshalb die Gentech-Initiative angenommen wurde.

WOZ: Die Initiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» wurde am vergangenen Wochenende angenommen. Ist das für Sie ein überraschendes Ergebnis?
Hanspeter Kriesi: Ja, ich hätte das nicht gedacht. Vor allem nachdem die Genschutz-Initiative 1998 mit fast zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt wurde. Der Vorschlag zum Gentech-Moratorium dieses Mal war zwar viel gemässigter – aber da inzwischen auch die Gesetze angepasst wurden, hätte ich eher mit einem weiteren Scheitern gerechnet.

Was braucht es denn, damit eine Initiative angenommen wird? Seit 1891 war das nur gerade vierzehn Mal der Fall.
Eigentlich ist jede angenommene Initiative ein Spezialfall. Und doch kann man grundsätzlich sagen, dass mit einer breiten Mitte-links-Allianz der Erfolg näher ist. Im Fall des Gentech-Moratoriums waren Grüne und Linke gemeinsam mit den Wertkonservativen für die Initiative, und damit ist es ihnen gelungen, die bürgerliche Einheit zu sprengen.

Die Bauern und die Linke müssen also zusammenhalten?
Linke Initiativen, die mit Landschafts- und Umweltschutz kombiniert werden, haben sicher bessere Aussichten. Das war beispielsweise beim Atomkraftwerk-Moratorium, der Rothenthurm-Initiative und der Alpen-Initiative so. Manchmal klappt das auch knapp nicht – wie bei einem ersten Versuch der Atominitiative, die 1979 mit 51,2 Prozent abgelehnt wurde. Erst 1990 wurde das Moratorium mit 54,6 Prozent angenommen. Das war aber nur ein Teil einer Doppelinitiative, und der komplette Ausstieg aus der Atomenergie wurde nochmals knapp abgelehnt.

Wer hat denn diesmal noch mitgeholfen?
Im Fall des Gentech-Moratoriums darf man auch den Einfluss der katholischen Kirche und der Bauern nicht unterschätzen. Die älteren Wertkonservativen waren alle auf der Seite der Initianten – eine potenzielle, und in diesem Fall tatsächliche, Winning Coalition.

Bei den letzten zwei angenommenen Initiativen, dem Uno-Beitritt und der Verwahrungsinitiative, gab es den Zusammenschluss der Linken und Wertkonservativen aber nicht.
Das stimmt, aber bei der Verwahrung ist der Erfolg ohnehin kaum erklärbar. Der Uno-Beitritt hingegen war ein Vorschlag der politischen Elite und wurde vom Bundesrat unterstützt. Normalerweise kommen Initiativen ja eher aus der Linken oder von Aussenseitergruppen. Es sind meist progressive Vorschläge, die von der bürgerlichen Mehrheit nicht unterstützt werden. Deshalb sind sie auch oft erfolglos.

Und die Asylinitiative, die nur knapp abgelehnt wurde?
Die Asylinitiative kam von der Rechten, von Traditionalisten und Öffnungsverweigerern. Geschafft haben sie es trotzdem nicht. Im Übrigen lancieren diese Mitte-rechts-Koalitionen nur sehr selten Initiativen, sie konzentrieren ihre Kräfte vielmehr auf Referenden. Und da werden sie meist gut unterstützt.

Bei welchen zukünftigen Initiativen könnte denn dieser Zusammenschluss wieder funktionieren?
Bei der Initiative «für einen zeitgemässen Tierschutz». Das ist auch ein Thema, das der Linken, den Grünen genauso wie den Wertkonservativen am Herzen liegt. Und deswegen hat sie meiner Meinung nach Chancen auf Erfolg. Die Initiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse» hingegen wird nicht auf diese Koalition zählen können. Wenn sie erfolgreich wäre, dann hätte das mehr damit zu tun, dass Krankenkassen momentan ein sehr politisiertes Thema sind. Aber die bürgerliche Mitte wird wohl irgendwie den Rank finden, wie sie den Abstimmungskampf unter dem Label «Mehr Wettbewerb, weniger Staat» laufen lassen kann und sich damit die Unterstützung der Konservativen sichern.

Hanspeter Kriesi ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Zürich.