Brian Burrell: Im Museum der Gehirne
Auf den letzten Seiten spricht Brian Burrell, Mathematiker in Massachusetts, endlich Klartext: Aus dem Gehirn eines Menschen lässt sich nichts über dessen Charakter und Intelligenz lesen, weder mit den älteren Seziermethoden noch mit den neueren «bildgebenden Verfahren». Bevor aber der Autor diesen Schluss zieht, lässt er die «brisante Frage» ungefähr 320 Seiten lang offen. Offen bleibt auch, ob sie ihm selbst so lange unklar war oder ob er - wahrscheinlicher - bloss den Leser mit einer belletristischen Technik bei der Stange halten wollte. Jedenfalls funktioniert der Trick auf die Dauer nicht. Dennoch lesen sich einige Kapitel in Burrells «Im Museum der Gehirne» ganz vergnüglich, besonders diejenigen zu Lenin und Einstein, deren Gehirne bereits mehrere Wissenschaftlerbiografien ausgefüllt haben.
Burrells für ein breites Publikum verfasstes, schlecht lektoriertes Buch bietet eine Geschichte der Neurologie, die sich an den Marksteinen der Elitehirnforschung orientiert (im englischen Original 2004 erschienen, überschneidet es sich inhaltlich mit den zeitgleich herausgekommenen «Genialen Gehirnen» des Zürcher Wissenschaftsforschers Michael Hagner). Es leistet zwar keine reflektierte Auseinandersetzung mit den Fantasien der Hirnforschung, liefert aber immerhin (oft unfreiwillig) abgrundtiefe Einblicke in den wiedererwachten Wahn, Genialität oder - zeitgeistig konformer - Individualität anatomisch festmachen zu wollen.
Brian Burrell: Im Museum der Gehirne. Die Suche nach Geist in den Köpfen der Menschen. Hoffmann und Campe. Hamburg 2005. 384 Seiten. Fr. 41.90