Antwort der Woche: Wef – Das Netz der Mächtigen

Nr. 4 –

Am Mittwoch hat in Davos das Weltwirtschaftsforum begonnen. Weshalb wird Jahr für Jahr dagegen protestiert?

Immer Ende Januar passiert es – aus dem langweiligen Bündner Touristendorf Davos wird für fünf Tage ein Treffpunkt für die Mächtigen und Möchtegernmächtigen der Welt. Am diesjährigen Weltwirtschaftsforum (Wef) versammeln sich 735 Firmenbosse, 14 Staats- oder Regierungschefs, 60 MinisterInnen, 65 SpitzenvertreterInnen von internationalen Organisationen, 23 religiöse FührerInnen und 15 Gewerkschaftsvorsitzende. Dazu kommen viele weitere Manager von international tätigen Konzernen, Grössen aus Kultur und Unterhaltung sowie Medienleute. Insgesamt sind es dieses Jahr 2400 Menschen. Um die Wef-TeilnehmerInnen zu schützen, werden neben hunderten von PolizistInnen und MitarbeiterInnen von privaten Sicherheitsdiensten auch 5500 Armeeangehörige aufgeboten. Davos gleicht einer Festung. Alle Wef-TeilnehmerInnen und deren Bediensteten tragen eine Plastikkarte mit sich, die es ihnen ermöglicht, die Polizeisperren zu passieren. Ohne Plastikkarte kein Durchgang.

Woher rührt diese Angst der Behörden, dass sie zum Schutz des Wef so grosse Sicherheitsmassnahmen treffen? Weshalb protestieren auch dieses Jahr wieder tausende gegen das Wef? Und warum gibt es seit 2001 mit den Weltsozialforen gar weltweite Gegenveranstaltungen?

Der deutsche Professor Klaus Schwab hatte 1971 das erste Wirtschaftstreffen in Davos organisiert. Damals hiess es noch Europäische Manager-Konferenz. Das öffentliche Interesse für die dort auftauchenden ManagerInnen war lange Zeit gering. Das änderte sich, als Schwab immer mehr PolitikerInnen einlud. Das verschaffte dem Wef mehr Beachtung in den Medien. Was die Geladenen untereinander diskutierten, war den BerichterstatterInnen jedoch ziemlich egal – zumal viele Sitzungen hinter verschlossenen Türen stattfinden.

In den neunziger Jahren mauserte sich das Wef zum wichtigsten internationalen Treffen der grössten Unternehmen der Welt. Gleichzeitig begannen immer mehr Menschen zu begreifen, wie rasch sich die Welt verändert: Firmen handeln immer stärker global und machen die Welt zu ihrer Spielwiese. Sie lassen dort ihre Waren produzieren, wo es am billigsten ist, und meiden wenn möglich Staaten mit strengeren Arbeitsgesetzen, kampfbereiten ArbeiterInnen oder starken Gewerkschaften. Die Macht dieser Firmen steigt, je mehr sie die Beschäftigten gegeneinander ausspielen können. Dies funktioniert auch bei den KopfarbeiterInnen, etwa bei BuchhalterInnen und ProgrammiererInnen, ja selbst bei den ForscherInnen.

Diesen Machtzuwachs spielen die Unternehmen auch gegenüber den einzelnen Staaten aus: Sie pochen auf tiefe Steuern und die Abschaffung von staatlichen Regeln. Ausserdem setzen sie Druck auf, damit profitable Staatsunternehmen an Private verkauft werden. Auch die Ausbildung von Kindern, die Wasserversorgung der Bevölkerung und die Betreibung des Stromnetzes soll privaten Unternehmen Profite bringen. Es gibt auch Firmen, die ihre Macht dazu missbrauchen, die Umwelt eines Landes zu schädigen – immer mit der Drohung, Betriebe zu schliessen und anderswo Steuern zu zahlen.

Die Proteste gegen das Wef richten sich somit gegen die Macht der Unternehmen. Der Slogan der Weltsozialforen («Eine andere Welt ist möglich») will deutlich machen, dass diese Macht weder gottgegeben ist, noch einer unveränderlichen geschichtlichen Entwicklung folgt. Zwar ist das Wef nicht der Ort, an dem konkrete Entscheidungen getroffen werden. Aber in Davos werden die nächsten Schritte beraten von Leuten, die die Welt nach ihrem Gusto verändern möchten. Das Wef ist also ein grosses Netz. Der beispiellose Grosseinsatz von Polizei und Armee in und um Davos macht deutlich, wie mächtig diese Leute sind.