Globales Geldeintreiben: Her mit neuen Steuern!

Nr. 11 –

Nicht nur wären internationale Steuern einfach zu erheben - sie könnten auch helfen, die Probleme der Welt zu lösen. Zur Kasse gebeten würden die GewinnerInnen der Globalisierung. Doch die wehren sich mit Händen und Füssen.

Am 1. März ist in Paris eine viel beachtete internationale Konferenz zum Thema «Internationale Steuern» zu Ende gegangen. Der französische Präsident Jacques Chirac hatte dazu eingeladen, um für eine Steuer auf Flugtickets zu werben - eine Steuer, die am 1. Juli 2006 in Frankreich eingeführt wird. Auf der Tagesordnung der Konferenz standen aber auch weiter gehende Projekte wie die Tobin Tax, eine internationale Steuer auf Devisentransaktionen.

In den letzten zehn Jahren gab es eine ganze Reihe von ähnlichen Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene. 1995 schlug eine Uno-Kommission eine Reihe von internationalen Steuern vor: eine Steuer auf Devisentransaktionen, eine besondere Gewinnsteuer für multinationale Konzerne und Gebühren für die Nutzung «globaler öffentlicher Güter» (intakte Umwelt, Biodiversität, Gesundheit etc.). Dazu gehörten auch Steuern auf Flugtickets, Hochseetransporte und Hochseefischerei. 2001 plädierte die Uno-Vollversammlung zum ersten Mal für neue, multilaterale Finanzquellen.

Das französische Parlament nahm 2001 ein Gesetz zur Einführung einer Devisentransaktionssteuer an, 2004 folgte das belgische Parlament mit einem ähnlichen Gesetz. Die neue Steuer soll die Währungsspekulation eindämmen, tritt jedoch in beiden Ländern erst in Kraft, wenn sich weitere EU-Staaten dieser Initiative anschliessen.

Die Lula-Gruppe

2004 begann die Lula-Gruppe (Brasilien, Chile, Frankreich) mit Unterstützung von Uno-Generalsekretär Kofi Annan eine Kampagne für internationale Steuern, mit deren Hilfe das Millenniumsprogramm der Uno finanziert werden könne. Im gleichen Jahr wurde auch die bislang umfangreichste Studie - der Landau-Report - über die verschiedenen Formen und Konzepte internationaler Steuern veröffentlicht. Darin bestätigte eine Gruppe hochkarätiger SteuerexpertInnen die technische und ökonomische Machbarkeit diverser Formen internationaler Steuern. Der Lula-Gruppe (mittlerweile verstärkt durch Algerien, Spanien und Deutschland) gelang es schliesslich, die Unterstützung von 66 Ländern für Steuern auf Flugtickets zu gewinnen.

Auch die EU-Kommission fand sich bereit, das Konzept internationaler Steuern ernsthaft zu prüfen. Sehr bald schränkte sich jedoch das Spektrum der Vorschläge auf die Flugticketsteuer ein, die immerhin - je nach der Zahl der teilnehmenden Länder und je nach Ausgestaltung - zwischen 560 Millionen und 2,7 Milliarden Euro einbringen könnte.

Gerecht und wirksam

Globale Steuern könnten helfen, eine ganze Reihe von heutigen Weltproblemen zu lösen - vom Klimawandel über den Raubbau an nicht erneuerbaren Ressourcen bis hin zu internationalen Finanzkrisen und der Steuerflucht multinationaler Konzerne. Sie sind und bleiben jedoch politisch umstritten, weil sie mit dem Steuermonopol, das alle Nationalstaaten beanspruchen, einen der Grundpfeiler unserer Weltordnung antasten - die staatliche Souveränität.

Die Vorteile internationaler Steuern sind nicht von der Hand zu weisen: Erstens können sie zur Finanzierung «globaler öffentlicher Güter» dienen, zweitens könnten sie internationalen Organisationen wie der Uno eine solide Finanzbasis verschaffen, und drittens könnten sie lenkend und regulierend (zum Beispiel durch die CO2-Steuer) auf die internationalen Waren-, Geld- und Kapitalströme einwirken. Sie könnten auch eine Umverteilung zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden herbeiführen, wenn sie etwa konsequent zur Finanzierung von Entwicklungshilfeprogrammen eingesetzt würden.

Internationale Steuern sind gerecht und können ökonomisch und ökologisch schädlichem Verhalten entgegensteuern und zur Bekämpfung von Spekulation, Kapitalflucht, Geldwäsche und Umweltzerstörung dienen. Sie treffen keine Armen, sondern belasten nur diejenigen, die zu den GewinnerInnen der Globalisierung gehören. Und globale Steuern können leicht erhoben werden. Eine Steuer auf Flugtickets etwa, wie sie in Frankreich in Kürze erhoben wird - mit einem Euro pro Ticket in der Economy Class, zehn Euro pro Ticket in der Business Class auf Flüge innerhalb Europas und vier beziehungsweise vierzig Euro pro Ticket auf Interkontinentalflüge - ist technisch problemlos und ohne grossen Verwaltungsaufwand machbar. Auch eine Steuer auf Devisentransaktionen wäre mit Hilfe eines einfachen Computerprogramms auf den heute bereits voll computerisierten Devisenmärkten leicht zu erheben. Internationale Steuern müssen keineswegs global sein, sie können auch von einigen wenigen Ländern erhoben werden. Für die Tobin Tax bräuchte man nur die drei Länder, in denen sich die mit weitem Abstand wichtigsten Devisenmärkte der Welt befinden: Grossbritannien, die USA und Japan. Ohne internationale Kooperation geht es nicht, aber auf eine Weltregierung braucht man nicht zu warten.

Internationale Steuern können riesige Summen einbringen, ein Vielfaches des Jahresbudgets der Uno, und daher wecken sie grosse Erwartungen. Eine Tobin Tax würde beispielsweise bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent in der Euro-Zone allein schon bis zu 38 Milliarden US-Dollar jährlich einbringen; bei einem Steuersatz von 0,2 Prozent kämen - bei einer gleichzeitig angenommenen Reduzierung des Devisenhandelsvolumens um fünfzig Prozent - gut 300 Milliarden US-Dollar weltweit zusammen. Mit einem derartigen Steueraufkommen werden inter- oder transnationale Organisationen wieder handlungsfähig, können die meisten Weltprobleme (das Ernährungsproblem, das Trinkwasserproblem, das Aidsproblem usw.) wirksam angegangen werden. Nationale Regierungen wie internationale Organisationen könnten zudem das «global» agierende Kapital ein gutes Stück weit wieder unter Kontrolle bekommen.

Politischer Widerstand

Warum wir diese Steuern noch nicht haben, ist leicht zu erklären. Ernsthafte technische Hindernisse gibt es nicht, der politische Widerstand ist entscheidend. Der kommt von interessierter Seite - die internationalen Ölkonzerne, die Bergbaukonzerne, die Energiekonzerne, die Konzerne der Automobilindustrie etwa scheuen weder Kosten noch Mühe, um ihren gesamten politischen Einfluss gegen eine wirksame CO2-Steuer zu mobilisieren. So wie die internationalen Banken und Finanzkonzerne die Tobin Tax bekämpfen.

Auch die USA widersetzen sich globalen Steuern. Mit dem Argument, globale Steuern würden die Souveränität der USA untergraben, haben die (Neo-)Konservativen 1997 im Kongress jede Form davon wütend bekämpft. Ihre Attacken richteten sich gegen die Uno: Die USA würden ihre ausstehenden Mitgliedsbeiträge nur dann bezahlen, wenn die Uno davon Abstand nimmt, Vorschläge zu entwickeln oder zu unterstützen, die darauf hinaus laufen, US-amerikanische BürgerInnen zu besteuern. Für einige Zeit gelang es so, die Debatte in der Uno zum Verstummen zu bringen.

Wer entscheidet?

Der Widerstand des US-Kongresses verweist auf einen wichtigen Punkt in der bisherigen Debatte um globale Steuern. Wer soll die erwarteten riesigen Einnahmen aus diesen neuen Steuern in die Hände bekommen? Wer soll über die Veranlagung, Erhebung und vor allem die Verwendung entscheiden? Die Uno? Oder eine neue, internationale Steuerbehörde (WTA - World Tax Authority), wie schon des Öfteren vorgeschlagen? Oder soll das Aufkommen der diversen globalen Steuern besonderen Fonds zugewiesen werden? Globale Steuern wären ein Ausweg aus der chronischen Finanzkrise der Uno, die damit nicht mehr von einzelnen Mitgliedsländern wie den USA durch Nichtzahlen von Beiträgen erpresst werden könnte. Eine strikte Zweckbindung wäre ebenfalls denkbar - vorausgesetzt, man gibt den Fondsverwaltungen eine klare demokratische Struktur.

Steuern sind zum Steuern da - das hört die politische Klasse nicht gern. Ihr geht es nicht um die Möglichkeiten zur Regulierung der Weltwirtschaft. Ihr ist etwas anderes wichtig: Mit internationalen Steuern soll die Entwicklungshilfe finanziert werden. Das nationale Entwicklungshilfebudget liesse sich aufstocken, ohne den jeweiligen nationalen SteuerzahlerInnen wehzutun und ohne Umschichtung nationaler Finanzmittel. Daher hat sich der französische Präsident Jacques Chirac zur Galionsfigur der Kampagne für internationale Steuern aufgeschwungen. So macht er eine gute Figur im Kampf gegen die globale Armut - während er sich zugleich einen wirklichen Abbau der Agrarsubventionen in Frankreich und in der EU nicht leisten kann und will. Daher hat sich auch die EU-Kommission den Vorschlag für eine EU-weite Steuer auf Flugtickets zu Eigen gemacht. Man sollte sich aber nicht zu früh freuen. Der Kampf um die Tobin Tax und andere internationale Steuern ist noch lange nicht gewonnen.


Michael R. Krätke ist Professor für Politikwissenschaften und Ökonomie an der Universität Amsterdam.