Chiquita: Der Frosch auf der Banane

Nr. 17 –

Das US-amerikanische Unternehmen Chiquita wirbt mit Nachhaltigkeit und anständigen Arbeitsbedingungen auf seinen Plantagen. Nicht alle sind von diesem neuen Image überzeugt.

Aktuelle Nachrichten aus dem lateinamerikanischen Bananendschungel. Kolumbien: Anfang April tagt in Bogotá das «Ständige Tribunal der Völker». Das internationale Gremium befasst sich neben Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungspraktiken von Coca-Cola und Nestlé auch mit dem Verhalten von Chiquita in Kolumbien. Das US-amerikanische Nachfolgeunternehmen der United Fruit Company (UFC) soll im Jahre 2001 rund 3000 Kalaschnikows und fünf Millionen Patronen an die kolumbianischen Paramilitärs geliefert haben. Panama: Fast 3000 BananenarbeiterInnen der Kooperative Coosemupar blockieren im März tagelang die Grenze zu Costa Rica. Damit protestieren sie gegen ihre prekären Arbeitsbedingungen und die Dumpingpreise des Exklusivkunden Chiquita.

Der Frosch

Doch es sind nicht nur die prekären Arbeitsbedingungen der Bananeros, die zum schlechten Image der grossen Bananenkonzerne wie Chiquita beitragen, sondern auch die Auswirkungen von Monokulturen und Pestiziden auf die Umwelt. Damit soll nun Schluss sein: Chiquita will nachhaltig produzieren - mit weniger Pestiziden, mit Abwasserreinigung und Biotopvernetzung. Auch die Menschen, seit den ersten Tagen der United Fruit Company geknutet, können nach Konzerndarstellung wieder mit aufrechtem Gang durch die Plantagen wandeln: Keine Kinderarbeit, Mindestlöhne, garantierte gewerkschaftliche Organisation und klar definierte Standards für Gesundheit und Sicherheit.

Dieses Image versucht Chiquita durch den grünen Frosch aufzupolieren, der seit kurzem in der Migros neben Miss Chiquita auf der Banane tanzt. Die Botschaft des Labels der US-amerikanischen Organisation «Rainforest Alliance» (RFA) lautet: «Diese Banane stammt aus ökologischer Produktion.» Da der Labelfrosch nur quaken, aber nicht reden kann, hat er ein Sprachrohr: George Jaksch ist in der Chiquita-Zentrale in Antwerpen für Presse und Unternehmensverantwortung zuständig. Auf der Rückseite seiner Visitenkarte sind die Grundwerte des Unternehmens notiert. Zum Beispiel: «Wir kommunizieren auf eine Art, die offen, ehrlich und direkt ist.» Der PR-Profi scheint sein Handwerk zu verstehen, das zeigen Artikel wie «Vom Ausbeuter zum Vorbild» (Brand eins, Januar 2006) oder «Die Frucht der Erkenntnis» (Weltwoche, April 2006).

Dabei liest sich die Unternehmensgeschichte von Chiquita, bis 1990 unter dem Namen United Fruit Company bekannt, eher wie ein Thriller von John le Carré. Besonderes Schurkenstück in den Annalen des Bananenkonzerns: 1954 bombte die US-amerikanische Luftwaffe auf Druck der United Fruit Company (UFC) den demokratisch gewählten guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz aus dem Präsidentenpalast. Kurz darauf wurden die Landenteignungen, die den Fruchtmulti getroffen hatten, rückgängig gemacht. Noch unter dem Bananentycoon Carl Lindner hatte Chiquita in den neunziger Jahren nicht davon abgelassen, die Grenzlinie zwischen Business und Politik zu verwischen. Der Milliardär Lindner war mit seinen Millionenspenden sowohl von republikanischen als auch demokratischen PolitikerInnen ein gern gesehener Gast. Er unterstützte auch aktiv den Wahlkampf des heutigen Präsidenten George Bush.

Der neue Mann

1998 setzte schliesslich der neue Chiquitachef Steve Warshaw die «corporate responsibility» (Unternehmensverantwortung) auf die Agenda und intensivierte die Zusammenarbeit mit der Umweltschutzorganisation RFA. Damit stellte er die Weichen fürs Ökomarketing. Seither kann PR-Mann George Jaksch in Foren für Wirtschaftsethik, vor JournalistInnen oder EU-BananenbürokratInnen seine Powerpoint-Präsentation abrollen lassen: Weniger Spritzmittel und mehr Artenvielfalt in der Plantagenwirtschaft seien das Resultat eines beharrlichen Prozesses, den der Bananenmulti und die RFA-RegenwaldschützerInnen innert zwölf Jahren ausgetüftelt hätten. Doch es geht nicht nur um Ökologie: Jaksch zeigt ein Bild von der Siedlung San Juan in Honduras mit hunderten von kleinen Reihenhäusern - angeblich subventioniertes Wohneigentum für 1600 ArbeiterInnen.

Und was früheren Chiquita-ManagerInnen geradezu Albträume ausgelöst hätte, wird nun von Jaksch freudig kommuniziert: «Wir sind von den Grossen im Bananengeschäft das Unternehmen mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad.» Tatsächlich unterzeichnete Chiquita 2001 am Sitz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf einen Vertrag mit Colsiba, einem Dachverband der lateinamerikanischen BananenarbeiterInnen.

Nicht alle sind von Chiquitas Charmeoffensive überzeugt. Die ehemalige Bananenfrau Ursula Brunner will nicht an die neue Idylle in der Plantagenwirtschaft glauben: «Chiquita bleibt Chiquita.» Sie hebt ein Beweismittel hoch: ein Schreiben der costaricanischen Gewerkschaften. Darin werden permanente Einschränkungen und Entlassungen von GewerkschaftsaktivistInnen in dem zentralamerikanischen Land dokumentiert.

Alibiübung?

Ursula Brunner hat sich jahrzehntelang mit der Bananenwirtschaft befasst. Ihr Engagement geht auf das Jahr 1971 zurück: Mit Leiterwägeli zog sie damals zusammen mit solidaritätsbewegten Frauen durch Frauenfeld und verschenkte die krummen Gelben gratis. Die Aktion sollte zum Startschuss für den ersten alternativen Handel mit Bananen werden. Damals knüpfte Brunner auch Kontakte zu den in den Untergrund gedrängten costaricanischen GewerkschafterInnen. Gerade auf den Chiquita-Farmen etablierte sich nach einem gewaltsam niedergeschlagenen Streik 1984 als Ersatz für unabhängige Gewerkschaften der unternehmerfreundliche Movimiento Solidarista Costarricense. «Erst als die Beschäftigten merkten, dass diese Organisation Streiks nicht zulässt, fasste die ehemals starke Gewerkschaftsbewegung wieder Fuss auf den Plantagen der Multis», erzählt Ursula Brunner. Über die aktuelle Cartoonbroschüre von Chiquita zum Thema Verhaltenskodex kann sie nur den Kopf schütteln. Locker und leger legt in dem Cartoon Miss Chiquita den ArbeiterInnen ihren Arm auf die Schulter, und eine Sprechblase kommt aus aller Munde: «Chiquita somos todos - Wir alle sind Chiquita.» Der Movimiento Solidarista Costarricense erfüllt die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation, um als Gewerkschaft anerkannt zu werden, nicht. «Aber wir wollen den Beschäftigten nicht die Alternative nehmen», sagt Mediensprecher Jaksch.

Ursula Brunner vermutet, dass die Belegschaft beim Movimiento bleibt, weil sie vom Unternehmen unter Druck gesetzt wird. «Ein transnationaler Konzern kann nicht anders. Der Zwang von Rendite auf dem Kapitalmarkt zwingt ihn zur Ausbeutung von Mensch und Natur.» Das zeige auch die Grenzblockade zwischen Panama und Costa Rica durch die Bananeros im vergangenen März. Weitere Beispiele gebe es in Honduras. Als dort im vergangenen Herbst wieder Überschwemmungen Plantagen zerstörten, geschah laut Brunner dasselbe wie damals beim Wirbelsturm Mitch im Jahr 1999. «Angeblich unrentable Betriebe wurden geschlossen, Betriebe, in denen zuvor heftige Arbeitskämpfe stattgefunden haben.» Die Bestrebungen von Chiquita zum Schutz des Regenwaldes sind laut Brunner zwar anerkennenswert. «Aber reicht das? Rechtfertigen diese kleinen Fortschritte den Marketingaufwand, den Chiquita betreibt?»


Kontrolle statt Label-Salat

Mit einem Kilopreis von 99 Rappen für Bananen machte Aldi bei seinem Markteintritt in der Schweiz im vergangenen Herbst klar, was «Aldisierung» bedeutet. Schon zuvor hatte sich Coop für die neue Preisschlacht gewappnet und neben den Fairtrade-Bananen von Max Havelaar wieder billigere Bananen von Dole in die Gestelle gehängt. Die SchweizerInnen essen im Durchschnitt elf Kilo Bananen im Jahr. Allerdings kaufen laut Coop-Sprecher Karl Weisskopf bisher nur fünfzehn Prozent der KundInnen die günstigere Variante.

Dennoch: Kehrt mit dem Einzug der deutschen Billigdiscounter Aldi und Lidl die politisch unkorrekte Schalenfrucht in die Verkaufsgestelle von Coop zurück? Weisskopf sagt: «Nein. Diese Plantagen sind zumindest nach SA 8000 zertifiziert.» Dieser Mindestsozialstandard erlaubt es den BananenarbeiterInnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. «Es gibt aber nur eine einzige Plantage in Honduras, in der ArbeiterInnen organisiert sind», sagt Rudi Pfeifer, ein deutscher Fairtrade-Händler. Viele der Coop-Billigbananen stammen jedoch ausgerechnet aus Honduras. Pfeifer, der den Bananenmarkt seit fünfzehn Jahren kennt, erkennt dank der Zertifizierungspraxis immerhin gewisse Fortschritte im Geschäft. Gleichzeitig befürchtet er, dass private Zertifizierungsfirmen ihre Praxis nicht nach den Bedürfnissen der Belegschaft auf den Plantagen ausrichten, sondern nach dem Marketing der einzelnen Detailhändler: «Die Kontrolle sollte bei der Internationalen Arbeitsorganisation liegen, da hier auch die Gewerkschaften mit am Tisch sitzen und die Praxis beurteilen können.»