Krumme Dinger

Le Monde diplomatique –

Die Banane im globalisierten Kapitalismus

Marseille, Juli 1945: grüne Bananenstauden in einem Lager
Marseille, Juli 1945: wieder Bananen nach dem Krieg Foto: Usis-Dite/Leemage/picture alliance

Sie heißen Dominico, Valery, Manzano, Macho, Tabasco oder Morado. Sie sind grün, braun, lila oder dunkelrot. Manche sind so kurz und dick wie eine Zigarre, andere eher platt und so lang wie ein Unterarm. Bananen haben viele Farben, Formen und Größen. Doch in deutschen Supermärkten findet sich nur eine einzige Sorte: die Cavendish. Und das hat mit dem Welthandel zu tun.

Auf dem Weltmarkt ist die Banane ein Star. Es gibt zwar ältere, sehr verbreitete landwirtschaftliche Exportprodukte – wie Seide oder Tabak – und solche mit einem größeren Handelsvolumen – wie Zucker, Reis, Mais oder Weizen. Aber die Transformation der Banane vom lokalen Nahrungsmittel zum Cash Crop, zum Exportprodukt, mit einem Jahresumsatz von 25 Milliarden US-Dollar ging einher mit dem globalen Siegeszug des Kapitalismus und ist eng mit dessen technologischen Fortschritten verknüpft. Nimmt man die Banane als Frühwarnsystem, dann steht dem Kapitalismus jetzt eine harte Prüfung bevor.

Denn die Banane ist bedroht, von einem Pilz namens Tropical Race 4, kurz TR4, der zur Gattung Fusarium oxysporum gehört. Der bodenbewohnende Pilz befällt weltweit hunderte Pflanzenarten, indem er das Xylem infiziert, eines der holzigen Bestandteile der Pflanzen. Das führt zu Wasser- und Mineralienverlust, die Pflanzen vergilben und sterben ab. Das Problem bei diesem Pilz ist, dass seine Fäden, wenn sie sich einmal unterirdisch ausgebreitet haben, dort für Jahrzehnte bleiben. Die bekannten Methoden zu seiner Beseitigung sind so giftig für die Umwelt, dass sie fast überall auf der Welt verboten sind.

TR4 breitet sich seit Ende der 1990er Jahre auf den Bananenplantagen aus. Zuerst wurde er in Taiwan entdeckt. Von dort aus eroberte er Asien, dann gelangte er nach Australien. Vor sechs Jahren wurde er erstmals im afrikanischen Mosambik entdeckt und kam dann nach Jordanien. 2019 reagierten die Weltmärkte alarmiert: In diesem Jahr schaffte er es über den Ozean und erreichte die wichtigsten Bananenexportnationen in Lateinamerika. Kolumbien traf es zuerst.

Sofort reagierten andere Exportländer wie Ecuador, Panama, Costa Rica und die Dominikanische Republik mit strikten Quarantänemaßnahmen. Wer aus Kolumbien kommend dort eine Bananenplantage betritt, muss die Schuhe vorher desinfizieren oder wechseln, seine Hände waschen und einen Schutzanzug überziehen.

Die Nervosität hat einen Grund: Fast alle Bananen, die auf der Welt vermarktet werden, sind Klone. Zuchtbananen werden eingeschlechtlich durch Parthenogenese (Jungfernzeugung) vermehrt, das heißt, die Mutterpflanze stirbt ab und aus ihren Schösslingen entstehen Nachfolgepflanzen.

95 Prozent aller Exportbananen der Welt gehören zur Sorte Cavendish, der klassischen, gelben, leicht gebogenen Banane, die wir in jedem Supermarkt

der Welt sehen, und jede ist eine exakte genetische Kopie aller anderen. Nur deshalb konnte die EU 1994 in der Norm Nr. 2257/94 den Idealtypus der Banane so genau festlegen: Mindestens 14 Zentimeter lang und 2,7 Zentimeter dick müssen die in der EU vermarkteten Bananen sein.

Doch eingeschlechtliche Pflanzen haben einen großen Nachteil: Da sie bei der Fortpflanzung kein genetisches Material austauschen, sich ihr Erbgut also nicht verändert, können sie leicht von einem einzigen Krankheitserreger massenhaft dahingerafft werden. So wie es jetzt der Cavendish ergeht. Trotz der Vielfalt der weltweit angebauten Bananen gibt es für den Exportmarkt keinen vergleichbaren Ersatz für die Cavendish. Das bringt die Bananenexporteure so in Aufruhr.

Allerdings passiert das der Banane nicht zum ersten Mal. Vor der Cavendish dominierte die Sorte Gros Michel fast ein Jahrhundert lang den Weltmarkt. Sie verhalf der United Fruit Company zu ihrem märchenhaften Aufstieg – und ihr Pilzbefall beschleunigte den Niedergang des Unternehmens.

Die Banane ist jedoch schon viel länger eine globale Ware. Ihren Ursprung hat sie in Südostasien. Einer alten Legende aus der Gegend des heutigen Staats Myanmar zufolge waren es die Vögel, die den Menschen zeigten, dass Bananen essbar sind. Einer der ersten bekannten Namen für die Banane bedeutete deshalb „Die Vögel haben es erzählt“. Wegen ihrer Haltbarkeit, ihres Stärke- und Energiegehalts waren sie bei Seefahrern beliebt. Diese brachten sie schließlich nach Indien, wo sie sogar im heiligen buddhistischen Pali-Kanon erwähnt wird.

Durch den Indienfeldzug Alexanders des Großen gelangte die Banane wahrscheinlich erstmals nach Europa. Historiker vermuten, dass der makedonische Eroberer und sein griechisches Heer im Jahr 327 v. Chr. zum ersten Mal Bananen probierten. Erwähnung fand die Frucht dann in altgriechischen Schriften des Megasthenes und Theophrastos sowie in den Werken des römischen Autors Plinius des Älteren.

Im siebten Jahrhundert nach Christus wurde sie von arabischen Händlern, auf die das Wort Banane vermutlich zurückgeht, im Mittelmeerraum verbreitet. So gelangte sie auch nach Madagaskar und auf das afrikanische Festland. Dort waren die Anbaubedingungen für die tropische Staude ideal: Sie braucht viel Sonne, Temperaturen von mindestens 27 Grad Celsius und ausreichend Wasser. Der Boden darf nicht zu fest sein, damit der Regen abfließen kann – nasse Füße mag die Pflanze überhaupt nicht. Um die Mittagszeit faltet sie ihre langen, großflächigen Blätter zusammen, um den Feuchtigkeitsverlust durch Verdunstung zu minimieren.

In Afrika kam es den Forschenden zufolge zu den Genmutationen, die Vorläufer der heutigen Bananen sind. Während die asiatische Wildbanane noch sehr viele schwarze Kerne im hellen Fruchtfleisch hatte, gingen diese bei der afrikanischen Variante nahezu komplett verloren.

Als die spanischen und portugiesischen Seefahrer im 15. Jahrhundert gen Westen segelten, hatten sie Bananen als Bordproviant dabei. Mit den kolonialen Eroberungen erreichte die Frucht nun auch Lateinamerika, wo sie besonders auf den karibischen Inseln und in Äquatornähe ideale Wachstumsbedingungen vorfand. Ecuador, Kolumbien, Honduras, Jamaika, Costa Rica, Guatemala und die Dominikanische Republik gehören heute zu den größten Bananenexporteuren der Erde.

Die Banane ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel in vielen Ländern des Globalen Südens – ob als süße Frucht, in Mixgetränken oder in Form der Kochbanane als herzhafte Beilage. In zahlreichen Ländern Afrikas deckt sie ein Viertel des täglichen Kalorienbedarfs.

Zur Exportfrucht wurde sie im Zeitalter der Industrialisierung: Ab dem 18. Jahrhundert wurden bereits kleine Mengen aus der Karibik in die USA exportiert. 1804 schickte Kuba laut den Zollregistern 30 Bündel roter Bananen nach New York; 1830 waren es schon 1500 Bündel. Das Volumen war dennoch bescheiden: Die Segelschiffe waren abhängig von günstigen Winden, und bei Flaute verrottete die Ladung. In den Anbaugebieten wurden die Früchte von Hand geerntet und dann in Pferdekarren über holprige Pisten oder mit Flusskähnen zu den Seehäfen transportiert.

Der Ausbau der Infrastruktur beschleunigte die Ausfuhr von Bananen und schuf damit neue Absatzmöglichkeiten: Straßen oder Eisenbahnen verbanden die Plantagen mit den Häfen; schnellere und zuverlässigere Dampfschiffe ersetzten die Segelschiffe.

In den 1880er Jahren wurden Bananen erstmals ins Landesinnere der USA transportiert; 1896 – mit der Erfindung der Kühlschiffe – wurden sie zum allerersten Mal auch nach England verschifft. Um die Jahrhundertwende florierte der Export in die USA: Menge und Qualität der Früchte stiegen, die Preise sanken, so dass bis 1905 die Banane vom Luxusgut zum Obst auch der Armen wurde. Anständige Damen aßen Bananen damals mit Messer und Gabel – um jede sexuelle Andeutung zu vermeiden.

Der bekannteste und erfolgreichste der frühen Bananenbarone war der amerikanische Geschäftsmann Minor Cooper Keith. 1871 beteiligte er sich in Costa Rica am Bau einer Eisenbahnlinie von der Hauptstadt San José zum Hafen Limón und ließ entlang der Schienen Bananen anpflanzen. Später gründete er mit anderen die United Fruit Company. Keith, der in die costaricanische Präsidentenfamilie eingeheiratet hatte, besaß immensen Einfluss und wurde der ungekrönte König von Mittelamerika genannt.

In vielen Erzeugerländern avancierte die Banane rasch zur wichtigsten Einnahmequelle. Sie brachte einen Modernisierungsschub in die tropischen Länder Mittelamerikas und der Karibik, nicht zuletzt dank der eigens für ihren Export geschaffenen Infrastruktur. Die Betreiber von Bananenplantagen waren wichtige Arbeitgeber, die mancherorts auch Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser bauten. Manche finanzierten archäologische Ausgrabungen und Kampagnen zur Bekämpfung tropischer Krankheiten wie Malaria, Gelb- und Dengue-Fieber.

Die größte Bananengesellschaft, die United Fruit, gab sich fortschrittlich, hatte jedoch keine Skrupel, wenn sie ihre Macht bedroht sah. Wollte sich die Belegschaft gewerkschaftlich organisieren, legte das Unternehmen den Betrieb still und entzog den Arbeitern ihre Existenzgrundlage. Streikten oder demonstrierten sie, schickte die United Fruit Polizei und Militär.

In seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ schildert Kolumbiens Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez den legendären Aufstand der Bananenarbeiter an der kolumbianischen Karibikküste gegen die United Fruit Company, der 1928 mit einem Massaker endete. Es wurden sogar demokratisch gewählte Präsidenten, die sich gegen das Unternehmen stellten – wie 1954 Jacobo Arbenz in Guatemala –, weggeputscht und durch Marionettendiktatoren ersetzt. So entwickelte sich die United Fruit Company zu einem derart dominanten Akteur, dass die Länder, in denen sie aktiv war, „Bananenrepubliken“ genannt wurden.

Symbolisch für Segen und Fluch des Bananenbooms ist die Gros-Michel-Banane. Die Sorte war groß, schmackhaft und wenig druckempfindlich. Doch ab Ende der 1940er Jahre sorgte eine frühere Variante von Fusarium oxysporum – weil sie zuerst 1890 in Panama und Costa Rica flächendeckend auftrat, spricht man seither auch von der Panama Desease – für ein verheerendes Bananensterben. Zwischen 1940 und 1960 gingen von Guatemala bis Panama zehntausende Hektar Plantagen komplett verloren. Forscher wie Randy C. Ploetz beziffern die entstandenen Verluste auf 400 Millionen US-Dollar – zum heutigen Kurs hochgerechnet knapp 2,5 Milliarden US-Dollar.

Während der Pilz Gros Michel dahinraffte, waren einige der lokalen Bananensorten jedoch resistent dagegen. Schließlich war es die Cavendish, die den Exportmarkt rettete. Allerdings ist sie deutlich druckanfälliger und erforderte sanftere – und teurere – Methoden für Ernte und Transport. Die Panama Desease geriet über diese neue Sorte langsam in Vergessenheit.

Dennoch konnte die United Fruit nicht mehr an vergangene Glanzzeiten anknüpfen. In den 1960er Jahren wurde sie in ein Konglomerat eingegliedert, das später Konkurs anmeldete. 1975 übernahm Chiquita Brands das Bananengeschäft daraus. Inzwischen waren Konkurrenten wie Standard Fruit, Dole und Del Monte entstanden, die bis heute ein Oligopol auf dem Weltbananenmarkt innehaben. Beinahe drei Viertel aller in den USA vermarkteten Bananen stammen von diesen Unternehmen.

Mehr als 80 Prozent der Exportbananen wachsen auf Großplantagen, die bis zu 5000 Hektar groß sind, was erhebliche Kostenvorteile bringt. Denn Bananen sind sehr arbeitsintensiv. Die Fruchtstände werden am Baum von Hand in Tüten aus Polyethylen gehüllt, regelmäßig werden Pestizide gespritzt. Auch geerntet wird nur von Hand. Bis zu 50 Kilogramm wiegt eine Fruchtstaude, die auf der Schulter zum Transportband getragen wird. Gefürchtet sind dabei die giftigen Bananenspinnen.

Der Preiswettbewerb auf dem Weltmarkt wird auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter ausgetragen. Häufig sind sie Saisonkräfte, die während der Ernte lange Arbeitstage in glühender Hitze durchstehen müssen und keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Löhne sind niedrig. Gewerkschaftsaktivitäten werden von den Konzernen verhindert. 2021 wurde Chiquita in Kolumbien verurteilt, weil das Unternehmen in den 1990er Jahren paramilitärische Gruppen für Morde an Gewerkschaftern bezahlt hat.

In Nicaragua erkrankten tausende Landarbeiter durch den Einsatz des Insektizids Nemagon. Das Mittel war in den 1970er bis Anfang der 1980er Jahre auf den mittelamerikanischen Bananenplantagen der US-Multis in Gebrauch. Da war der Einsatz in den USA wegen der Nebenwirkungen bereits verboten.

Als Folge von Nemagon – auch bekannt unter dem Kürzel DBCP – erkrankten der Klageschrift zufolge zwei Drittel der Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie litten an Nieren- und Leberschäden und Krebs, wurden unfruchtbar oder ihre Kinder kamen missgebildet zur Welt. Seit über zehn Jahren kämpfen sie um Entschädigung.

Am Pranger stehen die Unternehmen Standard Fruit, Dole, Del Monte, Dow Chemical, Shell und Occidental. Gerichte in Nicaragua hatten den Arbeiter:innen Recht gegeben, doch die Unternehmen weigerten sich zu zahlen mit dem Argument, die nicaraguanischen Gerichte seien nicht zuständig und hätten ihnen einen fairen Prozess verweigert.

Etwas besser sieht es in der Nische der Bio- und Fair-Trade-Bananen aus. Dort sind die Produzenten überwiegend Kleinbauern und Kooperativen. Doch obwohl sie für ihre ökologische und sozial verträgliche Produktion höhere Preise erzielen, kämpfen auch sie ums Überleben. Die Gründe dafür liegen in den Verbraucherländern. In Deutschland beispielsweise kontrollieren die vier größten Handelsunternehmen Edeka, Rewe, die Aldi- und die Schwarz-Gruppe (Kaufland, Lidl) 85 Prozent des Einzelhandels.

Die Banane mit ihrem niedrigen Preis ist ein Kundenfänger, das gilt für konventionell erzeugte wie für Biobananen. Die Zeche zahlen die Produzenten. Laut einer Studie des Instituts Südwind für Ökologie und Ökumene gehen nur 18,6 Prozent des Verkaufspreises von Bananen an deutschen Supermarktkassen an die Produzenten, 4 Prozent davon für die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Die Balance zwischen niedrigen Verbraucherpreisen, makellosen, standardisierten Früchten einerseits und fairen und ökologischen Produktionsbedingungen andererseits gelingt immer weniger. Die Produzenten nehmen es hin – aus Furcht, dass derjenige, der zuerst die Notbremse zieht, vom Markt fliegt. TR4 könnte eine Chance bedeuten, diesen Teufelskreis zu durchbrechen – gerade auch im Kontext der europaweiten Debatte über Lieferketten.

Die Bananenmultis setzen stattdessen lieber auf Gentechnik. Insbesondere vom Einsatz der Genscheren-Technologie (Crispr/Cas) erhoffen sie sich den Durchbruch bei der Züchtung resistenter Pflanzen. In Australien gibt es bereits eine Plantage mit gentechnisch veränderten und TR4-resistenten Cavendish-Bananen. Sollte der Freilandversuch erfolgreich sein und regulatorische Hürden ebenso wie Vorbehalte der Verbraucher ausgeräumt werden, könnte es weitergehen wie bisher mit Monokulturen, Pestiziden, Ausbeutung und Sonderangeboten.

Sandra Weiss ist freie Journalistin in Mexiko.

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