Krieg und Umwelt: Giftwolken, Ölpest, Uran
Die Ölpest vor der levantinischen Küste reiht sich in eine lange Serie schwerer Umweltschäden nach Kriegen ein.
Am 13. und 15. Juli bombardierte die israelische Luftwaffe ein Elektrizitätswerk bei Dschijeh im Libanon. 15 000 Tonnen Rohöl gelangten aus den Öltanks des Werks ins Meer, ungefähr so viel wie nach der Havarie der «Erika» in Frankreich 1999. Viermal so viel Öl verlor die «Prestige», die 2002 vor der spanischen Küste kenterte. BeobachterInnen stufen die derzeitige Ölpest aber als schlimmer ein, weil sie grössere Küstenabschnitte betrifft - bis heute 170 Kilometer der libanesischen und der syrischen Küste. Und weil wegen des Kriegs erst nach fünf Wochen gehandelt wurde. Die Erholung der betroffenen Ökosysteme dürfte zehn Jahre oder länger dauern. Ezio Amato, ein italienischer Meeresbiologe, sagt, das Öl sei eine Gefahr für die Biodiversität der Region. Insbesondere sei der Blauflossenthunfisch gefährdet, dessen Eier und Larven an der Wasseroberfläche treiben. Aber auch die Grüne Seeschildkröte ist bedroht. Doch wenn Menschen getötet und vertrieben werden, finden Thunfische und Schildkröten wenig Aufmerksamkeit.
Das Völkerrecht kennt zwei Abkommen zum Schutz der Umwelt im Kriegsfall. 1977 trat die Environment Modification Convention (Enmod) in Kraft. Sie verbietet gezielte Angriffe auf die Umwelt («Umweltveränderung») als Kriegsmethode. Das Abkommen ist eine Reaktion auf den Vietnamkrieg. Die US-Armee entlaubte 1965 bis 1971 Wald, der dem Vietcong als Tarnung diente, und zerstörte Mangrovenwälder mit Gewässern, in denen Fische lebten, von denen sich viele VietnamesInnen ernährten. Das dabei versprühte Gift enthielt 400-mal mehr Dioxin, als beim Unglück von Seveso in die Umwelt gelangte. Laut Knut Krusewitz, emeritiertem Professor für Umweltplanung an der Technischen Universität (TU) Berlin und Autor mehrerer Bücher zum Thema, berieten ÖkologInnen die US-Armee, wie sie möglichst grossen Schaden anrichten könne.
Ebenfalls 1977 wurden die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen (ZP 1) verabschiedet. Sie verbieten Kriegshandlungen, die die natürliche Umwelt «weit reichend, lang anhaltend und ernsthaft» schädigen. Weder Enmod noch ZP 1 gelten als zwingendes Völkerrecht. Das heisst: Wer sie nicht ratifiziert, muss sich nicht daran halten. Israel hat beide Abkommen nicht ratifiziert; die Umwelt wurde in diesem jüngsten Krieg also «legal» geschädigt.
Erhöhte Aufmerksamkeit erfahren kriegsbedingte Umweltschäden - nachdem der Vietnamkrieg in seinen Ausmassen für lange Zeit einzigartig war - seit dem Golfkrieg von 1991. Saddam Hussein liess damals 700 Ölquellen in Brand setzen; die USA und ihre Verbündeten bombardierten Öltanker. Greenpeace hat nach dem Krieg einen Report über die Schäden veröffentlicht. Laut diesem Bericht flossen damals 250000 Tonnen Rohöl in den Golf. Das brennende Rohöl verschmutzte die Luft über Monate etwa zehnmal so stark wie alle Industrieanlagen der USA zusammen. Russ wurde bis nach Zentralasien verweht. Die Türkei reduzierte zudem auf Druck der USA das Wasser des Euphrat, wozu sie dank Stauwehren in der Lage ist.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) richtete 1999, nach dem Krieg der Nato gegen Jugoslawien, seine Post Conflict Branch ein, die die Umweltfolgen von Kriegen untersucht. Ende 2005 hat sie nach dem Abzug Israels die ökologischen Folgen der Besetzung des Gasastreifens untersucht (mit guten Noten für Israel). Ein besonderes Augenmerk widmete sie dem abgereicherten Uran, das in Bosnien, Serbien, Afghanistan und Irak verschossen wurde. Dieses radioaktive Material wird in Geschossen verwendet, weil es dank seiner Dichte eine hohe Durchschlagskraft bewirkt - im Grunde eine Form der «Entsorgung» nuklearen Abfalls. Der Befund der Unep ist beruhigend; ein Befund, der allerdings von anderen Quellen angezweifelt wird. So wurde kürzlich eine Studie publiziert, die feststellte, dass abgereichertes Uran mit Kunstdünger zu hochgiftigen Verbindungen reagiert und das Grundwasser verseucht.
Die Unep hat auf dem diplomatischen Parkett wenig Gewicht. Der Name ihrer Post Conflict Branch ist bezeichnend: Im Wesentlichen ist es an ihr aufzuräumen, wenn die Schäden angerichtet sind. Immerhin einmal warnte sie im Voraus vor den Umweltfolgen eines angekündigten Kriegs: vor dem Irakkrieg von 2003.
Wie schwer die kriegsbedingte neben der zivilen Umweltzerstörung durch Industrie, Landwirtschaft oder Verkehr wiegt, sei seines Wissens nie empirisch untersucht worden, sagt Knut Krusewitz. In Einzelfällen übersteige die kriegerische Umweltbelastung die zivile aber klar - als Beispiel neben dem Vietnam- und dem Golfkrieg von 1991 nennt Krusewitz die Beschiessung der Chemieanlage im serbischen Pancevo durch die Nato 1999. Giftwolken wurden bis Griechenland verfrachtet, wo die Universität Xanthi unter anderem Dioxine, Furane und polychlorierte Biphenyle (PCB) in sechsfach erhöhter Konzentration mass. Diese Verschmutzung sei nicht in Kauf genommen, sondern beabsichtigt gewesen, sagt Krusewitz gegenüber der WOZ: «Die Umweltschäden sollten die in der Bevölkerung vorhandenen Ängste verstärken und zu Massenprotesten gegen die Regierung führen.» Und die Planung für weiter gehende Umweltkriegsführung läuft: Das Programm «Owning the Weather in 2025» der US-Airforce hat zum Ziel, das Wetter zu Kriegszwecken zu beeinflussen.
Die Aufräumarbeiten an der levantinischen Küste haben unterdessen begonnen. Eine Konferenz in Athen hat vier Tage nach Inkrafttreten des Waffenstillstandvertrags einen Aktionsplan beschlossen; die Federführung liegt bei der Unep. Sie rechnet mit Kosten von mindestens achtzig Millionen Franken. Lokale Freiwillige sollen unter der Anleitung von Fachleuten die Küste reinigen. Heikler ist die Bergung des Öls auf offener See. Je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird es, da das Öl immer dünnflüssiger wird. Am 21. August hat Israel bekannt gegeben, der Unep Flüge zur Überwachung des Ölteppichs gestatten zu wollen.