Bio ist kein Luxus!: Fairness mit Kühen und Bodenwürmern

Nr. 48 –

Die bewusste Konsumentin hats nicht einfach. Je mehr sie lernt über Lebensmittel, desto vertrackter wird das Ganze. Sie kauft Bioware, und selbst das wirft immer neue Fragen auf. Zum Beispiel:

· Soja: Früher wurden die meisten Schweine mit Lebensmittelabfällen aus Restaurants gefüttert. Für Bioschweine ist das heute verboten: Biotiere sollen mindestens achtzig Prozent Biofutter fressen. Das führt aber dazu, dass heute Soja als Schweinefutter importiert wird. Bio Suisse achtet zwar darauf, dass dieses Soja nicht aus Waldrodungsgebieten stammt, aber das Unbehagen bleibt, weil hier Nahrungsmittel für Menschen an Tiere verfüttert werden.

· Transportwege: Die Kosten für Transporte sind trotz höherer Ölpreise immer noch viel zu tief. Und die Arbeitskosten in der Schweiz weit über dem Durchschnitt. Darum sind importierte Biolebensmittel häufig billiger als schweizerische. Im Winterthurer Biomarkt Rägeboge gibt es zum Beispiel zwei Sorten Ruchmehl: Das eine wurde aus Winterthurer Getreide gemahlen und kostet 5 Franken. Das andere ist aus EU-Getreide und kostet 3.50 Franken. Bei weiten Transportwegen ist bio nicht mehr ökologisch: Im Winter sind Rüebli aus Schweizer integrierter Produktion (IP) sinnvoller als Biopeperoni aus Spanien. Noch besser sind natürlich Biorüebli.

· Convenience-Produkte: Sind Biofertigprodukte sinnvoll? Diese Frage führte in der Biobewegung immer wieder zu Streit. Die PragmatikerInnen haben gesiegt: Heute gibt es von der UHT-Milch bis zur Fertigpizza fast alles auch mit Knospe. Wegen der strengen Richtlinien sind sie schonender verarbeitet als konventionelle Produkte. Trotzdem geht viel von der Substanz der Lebensmittel verloren. Man kann sich auch biologisch ungesund ernähren.

· Fairer Handel: Viele Produkte des fairen Handels sind auch bio. Und fast alle Bioprodukte aus dem Süden haben heute ein Fairtrade-Label. Doch nicht alle: der beliebte biodynamische Kaffee Irlanda zum Beispiel nicht. Bio, aber unfair ist nicht zu verantworten.

Ist bio also Etikettenschwindel? Teurer Luxus? Etwas für GesundheitsfetischistInnen ohne soziales Bewusstsein, die von «naturreinen» Lebensmitteln träumen? Die bewusste Konsumentin informiert sich bei Bio Suisse:

· Kreisläufe: Für das Knospe-Label (im Gegensatz zu Migros-Bio) muss der ganze Hof biologisch bewirtschaftet werden. Einen grossen Teil des Tierfutters bauen die TierhalterInnen selber an. Der Mist muss auf dem eigenen Land und auf benachbarten Biohöfen ausgeführt werden. Dadurch beschränkt sich die Tierzahl auf ein bodenverträgliches Mass.

· Bodenqualität: Synthetische Dünger, Pestizide und andere Agrochemikalien sind verboten. Die Vielfalt der Bodenlebewesen ist deutlich höher, der Boden bleibt langfristig fruchtbar. Vergiftete, versalzte, versumpfte und erodierte Böden sind heute global eines der grössten Probleme der Landwirtschaft.

· Sorten: Viele alte Pflanzensorten und Tierrassen sind weniger anfällig für Krankheiten. Dazu kommen resistente Neuzüchtungen, etwa bei den Äpfeln.

· Tierhaltung: Grosse Ställe und regelmässiger Auslauf sind Vorschrift. Hormonbehandlungen und Embryotransfer sind verboten, Antibiotika nur bei akuten Fällen (und nicht vorbeugend) erlaubt. Alles Knospe-Fleisch stammt aus der Schweiz.

· Gentechnik: Gibt es im Biolandbau nicht.

Nein, Luxus ist das nicht, folgert die bewusste Konsumentin. Sondern schlichte Fairness gegenüber Kühen und Bodenwürmern. Und gesunder Egoismus: Wer die Böden pflegt, hat länger zu essen. Aber das Denken hört beim Knospe-Label nicht auf, erkennt die bewusste Konsumentin. Und geht Rüeblirezepte suchen für den Winter.