Geld und Fussball: Schalke gibt Gas

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Seit Anfang Jahr tragen die Spieler des deutschen Fussballclubs FC Schalke 04 das Logo des russischen Energiekonzerns Gasprom. Ein properes Image soll der Firma den Weg für Milliardengeschäfte im Westen öffnen.

«Was gut ist für Gasprom, ist gut für Russland.»

Gasprom-Exchef Rem Wjachirew, 1994 entlassen wegen Vetternwirtschaft

Am 8. September 2005, zehn Tage vor seiner Abwahl als deutscher Bundeskanzler, besiegelte Schröder als letzte Amtshandlung zusammen mit seinem Freund, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, das Pipelineprojekt durch die Ostsee: eine Gasleitung, die ab 2010 Erdgas aus Russland nach Deutschland transportieren soll. Gebaut und betrieben wird die Pipeline von der Nord Stream AG, die ihren Sitz in Zug hat. Gerhard Schröder machte sich zum Vorsitzenden des Aktionärsausschusses. Für seinen Aufsichtsratsposten soll der Exbundeskanzler eine Million Euro jährlich kassieren.

Schröder ist somit einer der 330 000 MitarbeiterInnen des Gasprom-Konzerns, der zu 51 Prozent dem russischen Staat gehört und der im Herbst 2006 verkündete, dass er in Gelsenkirchen beim deutschen Bundesligisten FC Schalke 04 als Hauptsponsor einsteigt. Der Exbundeskanzler soll Gasprom im Westen Türen öffnen für Milliardengeschäfte im Energiebereich. Er soll den Schalke-Deal eingefädelt haben, der den Namen Gasprom in Deutschland mit positiven Gefühlen verbinden soll. «Rubel, Trubel, Heiterkeit», titelte «Bild». 125 Millionen Euro will sich der Konzern sein Engagement in Gelsenkirchen kosten lassen. Nicht einmal der deutsche Rekordmeister Bayern München erhält von seinem Hauptsponsor so viel Geld. Gelsenkirchen im Ruhrgebiet, als Zentrum deutscher Energiegewinnung, sei ein idealer Standort, liess Gasprom verlauten.

Der Deal wurde von kritischen Stimmen begleitet: «Gasprom ist ein Selbstbereicherungssystem mit kriminellen Strukturen», sagte etwa der deutsche Publizist und Mafiaexperte Jürgen Roth im Interview mit dem «Spiegel». Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, sagte zum Sponsoring-Deal, ein Engagement wie das von Gasprom bei Schalke trage zur Imagepflege eines undemokratischen Staates bei. Garri Kasparow, Exschachweltmeister und Putin-Kritiker, nannte den Deal eine «Schande für die Demokratie». Theo Zwanziger wiederum, Chef des Deutschen Fussballbundes, fand all diese Kritik unangebracht: Egal, woher das Geld komme, Hauptsache, es fliesst. Auf Schalke läuft seither die Gasprom-Party: Die Gegentribüne in der Gelsenkirchener «Veltins»-Arena wurde bereits in Gasprom-Tribüne umbenannt. Am 20. Januar findet die grosse Gasprom-Gala statt, dann spielt Schalke gegen seinen - wie es der Schalke-Präsident nennt - «neuen Kooperationspartner», den russischen Verein FK Zenit St. Petersburg, der seit eineinhalb Jahren zu 75 Prozent Gasprom gehört. Der russische Traditionsverein bekam mit dem Holländer Dick Advocaat einen Startrainer vorgesetzt, bekommt ein neues Stadion gebaut und soll im kommenden Jahr zumindest den Uefa-Cup gewinnen. Für Schalkes Vorsitzenden Gerd Rehberg ist der Umstand, dass «einer der grössten Energiekonzerne der Welt bewusst entschieden hat, mit uns eine langfristige Bindung einzugehen», ein Beweis für «das Ansehen, das der FC Schalke in den vergangenen Jahren gewonnen hat».

Gasprom war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus dem staatlichen Ministerium für Gas hervorgegangen. Den Aufsichtsrat führt heute Waldimir Putins früherer Verwaltungschef Dimitrij Medwedejew. Er wird gehandelt als möglicher Nachfolger für das Präsidentenamt 2008. Und Putin gilt, wenn er nächstes Jahr nicht mehr zur Wahl antreten darf, als Nachfolger von Gasprom-Chef Alexej Miller. Gasprom verfügt in Russland über das Exportmonopol für Erdgas und dreht im Preiskampf unliebsamen Regierungen wie der Ukraine schon mal in bitterer Januarkälte den Gashahn zu - oder droht damit, wie gegenüber Georgien oder Weissrussland. Firmenchef Alexej Miller will Gasprom innerhalb der nächsten fünf Jahre zum grössten Energiekonzern der Welt machen. Gasprom gilt laut aktueller Forbes-Liste als fünftwertvollstes Unternehmen der Welt, erzeugt fünfzig Prozent des russischen Stroms und besitzt sechzehn Prozent der Weltreserven an Gas. Man kauft Ölfirmen, man wirbt in Deutschland um Stadtwerke, kontrolliert Elektrizitätswerke und das Unternehmen, das im iranischen Buschehr den ersten iranischen Atomreaktor baut. Gasprom kontrolliert die Mehrheit des russischen Journalismus. Der Konzern besitzt den grössten privaten Fernsehsender NTV und die Zeitung «Iswestia». Zurzeit baut Gasprom seine mediale Macht weiter aus und übernimmt gerade die grösste russische Boulevardzeitung, das Massenblatt «Komsomolskaja Prawda». Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte, mit der Übernahme wolle der Kreml, dem nicht viel an der Aufdeckung von Morden an kritischen und unabhängigen JournalistInnen liegt, die Präsidentenwahl 2008 steuern.

Hans-Joachim Gornig, Geschäftsführer von Gasprom Germania, sagte kürzlich gegenüber dem deutschen «Tagesspiegel», er glaube, «dass Gasproms Rolle in der gegenwärtigen aussenpolitischen Situation überbewertet ist». In Grossbritannien sah man dies anders: Die versuchte Übernahme des Gasversorgers Centrica durch Gasprom stiess auf massiven politischen Widerstand. Die Regierung fürchtete eine Abhängigkeit vom Kreml-Konzern. Gasprom reagierte mit Drohungen: Wenn der europäische Markt dem Unternehmen verschlossen bleibe, werde man künftig verstärkt nach Asien liefern. Im eigenen Land wiederum wehrt sich der Monopolist erfolgreich gegen Konkurrenz: Russland weigert sich, die Europäische Energiecharta zu unterzeichnen, die ausländischen Unternehmen mehr Spielraum für Aktivitäten geben würde. Die knallharten Bandagen, mit denen gekämpft wird, die immer wieder erhobenen Vorwürfe, die die mangelnde Transparenz des Konzerns bemängeln und die bis zu Erpressung und kriminellen Umtrieben reichen, sollen hinter der Glitzerwelt der glamourösen Fussballparty verschwinden. Dem FC Schalke 04, der für den Stadionneubau gerade dabei ist, 80 Millionen Euro Schulden zurückzuzahlen, kommt das sehr gelegen.

Gasprom und die Cosa Nostra: «Kriminelle Strukturen»

Jürgen Roth, Experte für organisierte Kriminalität, über das Gasprom-Engagement bei Schalke 04.

WOZ: Jürgen Roth, kann man Schalke zu diesem Deal gratulieren?

Jürgen Roth: Nein. Man kann Schalke nur verdammen und hoffen, dass sie in die zweite Bundesliga absteigen. Denn Gasprom steht auch für Erpressung von Regierungen, für die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland, für die Unterstützung zentralasiatischer Despoten. Niemand fragt, woher das Geld kommt. Aufgrund der fehlenden Transparenz ist es Kriminellen möglich geworden, im Erdgasgeschäft mitzumischen.

Haben Sie Beispiele?

Die Staatsanwaltschaft in Palermo spricht von engen Verbindungen von Gasprom zum Ciancinimo-Clan der Cosa Nostra. In einem Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom Frühling 2006 heisst es, dass die Mafia grössere Gasprom-Aktienpakete gekauft haben sollen. Mir liegen Geldwäscheverdachtsanzeigen des deutschen Zolls vor. Kuriere deponierten im Namen von Gasprom zig Millionen US-Dollar in der Schweiz. Ein Sprecher der Schweizer Bundesanwaltschaft sagte mir gegen-über, dass ein früherer Vorstandschef von Gasprom mindestens zwei Milliarden US-Dollar in die Schweiz geschafft haben soll. Nach russischen Verhältnissen etwas ganz Normales. Doch Gasprom ist zu mächtig, als dass gegen den Konzern vorgegangen würde. Man müsste sich ja mit dem Kreml anlegen.

Das sind schwere Vorwürfe.

Aber es sind keine Geheimnisse. Sie brauchen bloss die russische Presse zu lesen. Es ist zum Beispiel ein offenes Geheimnis, dass der Milliardär Alisher Usmanov, einer der reichsten Russen und Chef einer Gasprom-Tochter, in den neunziger Jahren im grossen Stil Geld gewaschen hat. Er selbst bestreitet das. Ein anderer Oligarche, Rinat Achmetov, ist ebenfalls eng mit Gasprom verbunden. Er ist Präsident des Fussballklubs Schachtjor Donezk und war nachweisbar bis 1995 eine führende Figur in der organisierten Kriminalität in der Ukraine. Noch im Sommer 2005 sagte der Chef der Abteilung für organisierte Kriminalität in der Ukraine, Achmetov sei der Boss der Unterwelt im Land.

Achmetovs Vertrauter und Vorgänger im Präsidentenamt des Klubs, Achat Bragin, fiel übrigens einem Bombenattentat zum Opfer. Und dass Gasprom Regierungen erpresst, sieht man im Konflikt mit den Regierungen in der Ukraine, Georgien und Weissrussland. In der Ukraine hätte es ausserdem im Sommer ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen eine Gasprom-Tochter geben sollen. Es ging um eine Milliarde Euro, die dem ukrainischen Staat hinterzogen worden sein soll. Via Putin wurde klargemacht: Entweder das Verfahren wird eingestellt oder der Erdgaspreis wird auf Weltmarktniveau erhöht. Auch wir werden erpressbar, sollte Gasprom im Westen weiter an Einfluss gewinnen. Der prognostizierte Erdgasverbrauch steigt in Europa in den nächsten 25 Jahren um fünfzig Prozent.

Schalke und Schröder - wissen die denn nicht, was sie tun?

Schröder weiss sicher, was er tut. Ich gehe davon aus, dass er während seiner Zeit als Bundeskanzler darüber informiert worden ist, was Gasprom ist. Doch Schröder hat eine obszöne Politik gegenüber Putin betrieben, und die wurde mit dem Gasprom-Aufsichtsratsposten gekrönt. Und vielleicht auch mit Aktienpaketen. Er hat sich zumindest moralisch verkauft an einen diktatorisch agierenden Machtapparat.

Und Schalke?

Entweder man ist dumm oder naiv. Oder man braucht dringend Geld und lässt alle Hemmungen fallen, was die Herkunft des Geldes angeht.

Interview: Daniel Ryser



Gefundene Fressen

In den letzten fünf Jahren sind diverse Milliardäre - vor allem russische Oligarchen - ins Fussballgeschäft eingestiegen. Dies vor allem in Grossbritannien. Die englische Premiere-League ist die profitabelste Fussballliga der Welt: Die Clubs kassieren für Fernsehrechte neu pro Saison insgesamt 842 Millionen Euro; für den Verkauf der Fernsehrechte im Ausland gibt es weitere 250 Millionen Euro. Experten glauben, dass in den nächsten zwanzig Jahren fast alle Clubs der Liga Ausländern gehören werden, Magnaten aus Skandinavien, Oligarchen aus Russland, Milliardären aus den USA, Ölscheichs aus Saudi-Arabien. Obwohl es in der Liga um sehr viel Geld geht, sind, anders als beim Konzern Gasprom, der bei der Eroberung des westlichen Marktes auf PR angewiesen ist, die Ziele der Investoren oft unklar. Kritische Stimmen sagen, Fussball verkomme zur Geldwaschanlage. Publizist Jürgen Roth fügt auch einen simplen Grund an: Verlockungen des Glamours. Roman Abramowitsch sei beim FC Chelsea nicht eingestiegen, um Geld zu verdienen, sagt auch Thomas Kistner, Experte für Sportpolitik bei der «Süddeutschen Zeitung». «Für Leute wie ihn sprudelt das Geld aus dem sibirischen Boden. Diese Quelle ist sicherer und profitabler als jedes Riskoinvestment im Fussball.» Bei Abramowitsch könnte die Investition - er spendierte innerhalb von fünf Jahren über fünfhundert Millionen Euro - neben dem Glamour-Faktor einen weiteren Grund haben, glaubt ein Russlandexperte: «Sollte er plötzlich im Kreml in Ungnade fallen, wäre er im englischen Exil sicher, wie zum Beispiel der Milliardär Boris Bereswoski. Andere Moskauer Oligarchen landeten im sibirischen Straflager.»

Soeben wurde ein weiterer Club verkauft: Der isländische Milliardär Eggert Magnusson erhielt den Zuschlag für Westham United. Prekär dabei ist, dass Magnusson gleichzeitig Mitglied der Uefa-Exekutive ist, dem Vorstand des Europäischen Fussballverbandes, der diese Aufkaufentwicklung bisher offiziell kritisch beobachtet hatte. Der Amerikaner Randy Lerner stieg bei Aston Villa ein, für 93 Millionen Euro. Der russische Geschäftsmann Alexandre Gaydamak engagierte sich mit siebzig Millionen Euro beim FC Portsmouth ein. Weiter hält sich das Gerücht, dass Oleg Depriska beim FC Arsenal einsteigen will. Der US-Milliardär Malcolm Glazer kaufte Manchester United. Ein Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigt Interesse am FC Liverpool (laut «Spiegel» sucht er nach einem Geschenk für seinen Bruder). Die US-amerikanische Belgravia Group zeigt Interesse an Newcastle United. Auch ausserhalb Englands wird aufgekauft: Der Russe Vladimir Romanov stieg beim schottischen Verein Heart of Midlothian ein. Milliardär Rinat Achmetov besitzt den ukrainischen Champions-League Teilnehmer Schachtjor Donezk. Ölbaron Viktor Vekselberg kaufte sich neben sechs Fabergé-Eiern, die ihn hundert Millionen Euro kosteten, auch die Rechte an den Spielern der argentinischen Nationalmannschaft. Multimillionär Michael Chernoy ist beim bulgarischen Verein Levski Sofia eingestiegen.

Was die Investoren vereint: Sie verfügen über fast grenzenlose finanzielle Mittel. Experten befürchten, dass dadurch die Konkurrenz zerstört wird. «Für den Fussball ist diese Entwicklung meines Erachtens verheerend», sagt Thomas Kistner. «Die Wahllosigkeit, die wahnsinnige Beliebigkeit, mit der für Unsummen Fussballspieler gekauft werden, setzt jedes marktwirtschaftliche Prinzip ausser Kraft.» Im Gegensatz zu Deutschland und England gab es in der Schweiz bisher keine Kaufangebote ausländischer Milliardäre. Die Liga ist zu klein und zu wenig glamourös; es fliesst zu wenig Geld.

Der Publizist Jürgen Roth ist Experte für organisierte Kriminalität. Zuletzt erschien von ihm «Der Deutschland-Clan». Eichborn Verlag. Frankfurt am Main 2006.